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Smurf happens! - Die Schlümpfe 3D

Klein, blau, fleißig und stets lebensfroh: Jeder kennt die Schlümpfe, ganze Generationen sind mit den kleinen blauen Wichten aus der Feder des Belgiers Pierre "Peyo" Culliford aufgewachsen, die neben Comicalben und TV-Serien auch ein Kinoabenteuer ("Die Schlümpfe und die Zauberflöte", 1976) vorweisen können. Nun kehren die Schlümpfe in einem Mix aus Real- und Animationsfilm auf die Leinwand zurück – zeitgemäß in 3D und mit Hollywood-Kitsch überladen.

Nach unzähligen Niederlagen wähnt sich der böse Zauberer Gargamel (Hank Azaria) endlich am lang ersehnten Ziel: Dank des tollpatschigen Schlumpfs Clumsy entdecken der Finsterling und sein Kater Azrael das geheime Dorf der Schlümpfe und machen sich prompt daran, die kleinen blauen Kerle einzufangen. Gargamel will die Schlümpfe ihrer "Essenz" berauben, um aus ihr ein magisches Elixier zu brauen, das ihm uneingeschränkte Macht verleiht. Sechs Schlümpfe, darunter Clumsy, Schlumpfine und Papa Schlumpf, können dem Zauberer durch ein Dimensionsportal knapp entkommen und stranden prompt im Central Park des 21. Jahrhunderts. Dort nisten sich die blauen Flüchtlinge erst einmal bei Patrick Winslow (Neil Patrick Harris), einem überforderten Marketingmitarbeiter eines Kosmetikkonzerns, und seiner schwangeren Frau Grace (Jayma Mays) ein. Während Papa Schlumpf einen Weg zurück nach Hause sucht, stellen Clumsy und die anderen das Leben der Winslows auf den Kopf und entdecken Google, Wikipedia und iPhones. Doch Gargamel ist den Schlümpfen nach New York gefolgt – und hat ebenso mit kleinen Orientierungsproblemen zu kämpfen …

Die ersten zwanzig Minuten bieten Nostalgie pur, wenn die Kamera durch das am Rechner erschaffene Dorf der Schlümpfe gleitet und – ähnlich dem Intro der Zeichentrickserie – seine Bewohner vorstellt: Torti Schlumpf eilt mit Naschwerk durch Schlumpfhausen, Beauty Schlumpf kann den selbstverliebten Blick nicht von seinem Spiegelbild lassen und Jokey Schlumpf sucht Opfer für seine berüchtigten Geschenkpakete explosiver Natur. Das Dorf ist liebevoll designt, die Schlümpfe sind charmant animiert und bemerkenswert gelungen aus den Comicpanelen ins CGI-Zeitalter herübergeholt worden. Den erwachsenen Zuschauer umströmt augenblicklich, da der erste Blauhäuter über die Leinwand huscht, ein nostalgischer Hauch, der ihn in Erinnerungen schwelgen lässt. Und den Kleinen unter dem Kinopublikum gefällt das blaue Durcheinander sowieso. Der Film funktioniert – bis die Schlümpfe im New York der Gegenwart stranden und der Film von einer nostalgischen Reise in die eigene Kindheit in eine lustlose, da Mainstream-gerechte Spaßbremse mutiert.

Manche Stoffe und Geschichten eignen sich für modernisierungswütige Hollywood-Verwurstungen ebenso wenig wie ein "Saw"-Marathon fürs TV-Kinderprogramm – und die Schlümpfe gehören eindeutig dazu. Anstatt ein neues, originelles und mit Liebe fabuliertes Abenteuer der kleinen blauen Wichte im Geiste Peyos auf die Leinwand zu zaubern, vermurkst man ein Kulturerbe zu einem "Les Visiteurs" im "Alvin und die Chipmunks"-Stil und inszeniert das erste 3D-Abenteuer der Schlümpfe als ach so coole Culture-Clash-Familienkomödie, in der sich die titelspendenden Zwerge unversehens mit Google, Guitar Hero und Sony-Notebooks konfrontiert sehen. Und während sich die Schlümpfe auf dem Product-Placement-Laufband die Lunge aus dem blauen Leib husten, lässt der Film den alten Zeichentrickzauber schmerzlich vermissen und bietet lediglich Slapstick am Fließband, der den Witz der Comicvorlage zwar nicht ersetzen, aber einem wenigstens das eine oder andere Lächeln entlocken kann. Ein echter Artilleriebeschuss aufs Zwerchfell kommt dabei jedoch nicht wirklich heraus …

Das erste Leinwandabenteuer der Schlümpfe seit dem Kinofilm von 1976 scheitert einfach daran, dass man auf den Witz der Vorlage gepfiffen hat und stattdessen "cooles" Mainstream-Familienkino schaffen wollte. Die Ähnlichkeit zu anderen familienfilmischen Schoten der Marke "DO NOT WANT!" wie "Beverly Hills Chihuahua" oder "Scooby-Doo" kommt dabei nicht von ungefähr, schließlich zeichnet in all diesen Fällen derselbe Regisseur verantwortlich. Ab dem Zeitpunkt, da die Schlümpfe im Big Apple gelandet sind, "I love NY"-Unterwäsche tragen und lernen, Spielzeugdrohnen per Smartphone-Apps zu steuern, befindet sich der Film konsequent im Sturzflug. Zumal sich der Film um einen familientauglichen Spagat bemüht, der Kinder wie deren Aufpasser gleichermaßen unterhalten soll, und dabei aber doch etwas unschlüssig daherkommt: Einerseits macht der Streifen zeitweise auf düster, schließlich will Gargamel den Schlümpfen die "Essenz" regelrecht herauspressen; gleichzeitig kommt "Die Schlümpfe" dermaßen quietschbunt-dämlich und als zuckersüßes Bonbon daher, dass jeder Disney-Film dagegen wie ein indexreifer Torture-Porn-Movie wirkt, und vergrault so das erwachsene Publikum, das sich durch die "Alvin und die Chipmunks"-ähnliche Inszenierung um den erhofften Nostalgieaspekt betrogen fühlt. Und wie man in einem "Schlümpfe"-Film eine Nebenhandlung über den Anti-Aging-Wahn der Gegenwart einbauen kann, ist mir einfach schleierhaft.

Die einzigen Lichtblicke bilden lediglich die humorigen Einlagen der beiden Finsterlinge: Gargamel ist vom fiesen Hexer zum trotteligen Slapstick-Magneten mutiert, der in Strümpfen und Nachthemd durch die Straßen von Manhattan hüpft und in einem Nobelrestaurant einen Sektkübel schon mal mit einem Nachttopf verwechselt. Darüber hinaus ist der Bösewicht mit Hank Azaria ("Godzilla", "Nachts im Museum 2") hervorragend getroffen. Und der computergenerierte Azrael stolpert von einer komischen Situation in die nächste.

Keine Frage, "Die Schlümpfe" zielt ganz klar auf die Jüngeren im Kinosaal ab und die werden an der kindgerecht inszenierten Kost gewiss Gefallen finden. Schade nur, dass man vor lauter "Beverly Hills Chihuahua"-Mentalität auf die andere Seite der Zuschauer-Medaille vergessen bzw. diese vorsätzlich ignoriert hat. Sieht man von den ersten zwanzig Minuten einmal ab, unterschlägt der Film dem erwachsenen Publikum jede Form von Nostalgie. Der Film kränkelt nicht etwa an der kindlichen Naivität seines Plots; niemand will einen "Schlümpfe"-Film mit der komplexen Story-Verschachtelung von "Inception". Es sind das sture Family-Entertainment-Korsett Marke Hollywood, die Rosa-Bonbon-Mentalität, die dämliche Modernisierungswut und der völlig fehlplatzierte Product-Placement-Wahn, die dem Film schaden. Darüber können weder die gelungene technische Seite des Films – charmante Animationen, solider 3D-Effekt – noch Gargamels witzige Verwandlung zum trotteligen Kinderparty-Schreck hinwegtrösten. Wüsste Peyo, wie hemmungslos sich Hollywood an seiner kleinen blauen Schöpfung vergeht, er würde sich im Grabe umdrehen. Die Kleinen freut's, die Großen weinen.

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Kinoplakat: © Sony Pictures Deutschland

Michael Höfel, 15.08.2011