Media-Mania.de: Frau Ortgies, in Ihrem Buch "Heimspiel" geht es um die Rollenverteilung innerhalb der Familie: wie sie idealerweise wäre, und wie sie sich in der Realität präsentiert. Sie führen Ihre eigene Familie mehrfach als Beispiel an, denn Sie leben in einer Familie mit zwei erwerbstätigen Partnern und Kindern. Wie sieht bei Ihnen die Rollenverteilung aus, und gibt es noch Verbesserungsbedarf?Lisa Ortgies: Erst einmal vorweg: Wenn man sich die ganze Republik vornimmt und sagt, ich mache jetzt mal ein paar Spitzen, skizziere den Ist-Zustand, wie es läuft mit der Familie, dann muss man auch selber etwas offenbaren. Ich trenne meine eigenen Geschichten ja immer bewusst von den Kapiteln. Tatsächlich ist es so, dass ich mit meinem Mann Kämpfe über Hausarbeit und dergleichen nie austragen musste. Worum wir gekämpft und eine Streitkultur auf hohem Niveau entwickelt haben, ist die Frage, wer wie viel Zeit investiert: Während ich zum Beispiel bei "Emma" angefangen habe, ist er auf 40 % gegangen, und ich war auf über 100 %. Inzwischen liegt das Buch hinter mir; ich mache ungefähr 60 bis 70 %, und er macht mehr, vielleicht 80 %. Wir sehen zu, dass immer einer zu Hause ist, und dass wir gemeinsam Zeit verbringen am Wochenende. Aber Emanzipation geht für mich nur in einem ständigen Wechselspiel und ständiger Auseinandersetzung. Ob das der beste Weg ist, kann ich nicht sagen, denn das ist eine individuelle Sache.
Was die Kinder angeht, gehöre ich da natürlich zu den typischen urbanen Vorreiterinnen, die fremdbetreuen haben lassen, auch schon mit elf Monaten. Dazu sage ich gleich, fremdbetreut sind die Kinder in der Kita nicht, denn die Betreuerinnen sind für die Kinder Rose und Lina und so weiter, also keine Fremdpersonen, sondern nahe Bezugspersonen.
Das ist wunderbar gelaufen, aber wir hatten einfach auch Glück. Man muss immer dazu sagen, dass das in Deutschland flächendeckend natürlich überhaupt nicht existiert, dass dieser ganze Krippenausbau vielleicht überhaupt nicht mehr stattfinden wird, so wie die politische Situation im Moment ist. Ich habe eben das Glück, dass ich in einem Ballungsraum lebe, wo das Angebot da ist, aber ich habe auch Verwandte, die zu hören bekommen: "Ihr Kind können Sie in den katholischen Kindergarten geben, bis zwölf Uhr, und dann möchten wir, dass es abgeholt wird, weil wir der Meinung sind, dass das Kind zur Mutter gehört." Zwischen diesen beiden Extremen, glaube ich, geht es in Deutschland zu.
Media-Mania.de: Wie Sie ja auch hervorheben, werden einzelne "neue Väter", die Elternzeit nehmen und mit dem Nachwuchs auf dem Spielplatz zu sehen sind, zwar immer bewundert, doch sie repräsentieren eine kleine Minderheit und sind die Schwalbe, die noch keinen Sommer macht. Das, obwohl die Politik sie doch durchaus zum Ausleben der Vaterrolle ermuntert. Was läuft da schief?Lisa Ortgies: Also, es wird jetzt einfach versucht, vierzig Jahre Versäumnisse und Stagnation in der Familienpolitik innerhalb von ein paar Jahren umzukehren und da eine Revolution stattfinden zu lassen. Das geht so natürlich nicht, weil zum Beispiel die Männer, mit denen junge Männer als Vorgesetzte zu tun haben, ganz anders geprägt sind. Die sind mit dem Modell aufgewachsen: "Ich opfere meine Familie." Das tun sie dann in einem gewissen Sinne tatsächlich, indem sie eigentlich gar nicht anwesend sind, sondern ihre Kinder vielleicht am Wochenende erleben - oder abends eine halbe Stunde - und irgendwann dann über diesen Verlust traurig sind. Und wenn die dann einen jungen Vater vor sich haben, der sagt: "Ich möchte doch abends da sein", oder: "Ich will die Arbeitszeit reduzieren", dann kommt so eine Art reflexhafte Abwehr, weil sie sich nicht klar gemacht haben, dass sie vielleicht diese Entscheidung getroffen haben, darüber aber auch traurig sind und das Verlorene nicht nachholen können. Das sind die Chefs, die die jungen Väter sozusagen unbewusst sabotieren.
Media-Mania.de: Sie haben ja auch Ihren Vater angeführt, der dann den Enkeln gegenüber ganz nachdenklich wurde.Lisa Ortgies: Ja, mein Vater – er war im Gegensatz zur herkömmlichen Rollenverteilung der Emotionale bei meinen Eltern, er war der gefühlvolle Part, und ich glaube, er wäre ein hervorragender "neuer Vater" gewesen. Er hätte sehr gern mehr Zeit gehabt, und das wäre auch ein Gewinn für die ganze Familie gewesen. Es war natürlich in den 60er-Jahren ganz klar vorgegeben, wie das läuft. Es wird ja immer so ökonomisiert darüber gesprochen: Kinder sind für Deutschland ein Standortfaktor, sie müssen nachwachsen als Steuerzahler. Vielleicht kann man durchaus auch mal in feministischen Zusammenhängen darüber reden, dass Kinder auch ein Glück bedeuten und eine Chance, sich zu entwickeln, und dass sie allgemein Werte in die Gesellschaft hineintragen. Dass eine Entschleunigung stattfinden muss, dass man verletzliche Wesen hat, und dass nicht alles ökonomischen Zusammenhängen unterworfen werden kann. Das ist ja an sich schon ein Wert, und der wird gar nicht debattiert.
Und wenn man jetzt mal von den Großvätern ausgeht: Ich denke, die entdecken halt ihr Vatersein und ihre Traurigkeit darüber, dass sie es verpasst haben, oft erst als Opas und engagieren sich dann voll. Und warum soll man das nicht auch mal thematisieren und den Vätern, die meinen, in diese traditionelle Rollenverteilung reinzurutschen, sagen: "Passt auf, es könnte euch genauso gehen. Und das lässt sich oft nicht nachholen." - Es sei denn, man rutscht dann in die zweite Familiengründung rein. – Man kann es eben auch früher machen. Das ist oft ein Statement, mit dem sie den Vorgesetzten dann kränken müssen, das mussten aber Frauen über Jahrzehnte auch. Die sind dann von enttäuschten Vorgesetzten aus dem Rennen genommen worden, und den Männern kann jetzt dasselbe passieren. Vor dem Risiko kann man sich nicht schützen, das ist einzugehen.
Media-Mania.de: Und wie sieht denn nun der ideale Mann aus? Letzten Endes wollen Frauen ja, wie Umfragen zeigen, nicht nur von vornherein den Super-Papa, der ein Jahr Elternzeit nimmt und brav seinen 50%-Anteil an der Hausarbeit erledigt, sondern durchaus auch jemanden, der sich im Beruf durchsetzen kann und ordentlich verdient. Und das kommt nicht von ungefähr. Verlangen wir den Männern nicht ein bisschen viel ab?Lisa Ortgies: Die Frauen müssen sich jetzt mal an die Nase fassen, weil es durchaus Powerfrauen gibt, die Karriere machen und durchstarten, und die haben ja unglaublich rollentypische Wünsche und Bedürfnisse und Träume. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Engländer sagen das so schön, "you can't have the cake and eat it." Also: Ich kann mir keinen Mann wünschen, der wirklich eine Bindung zu den Kindern hat und sich für sie interessiert, mit dem ich einen Austausch habe und eine gleichberechtigte Beziehung, und gleichzeitig den mit Haaren auf der Brust haben, der das Alphamännchen spielt im Job, da richtig was reißt und Kohle mit nach Hause bringt.
Ich entdecke oft an jungen Frauen, dass die heutzutage unfassbare Ansprüche haben an Männer. Ich glaube, da ist durchaus ein bisschen weibliche Selbstkritik gefragt. Aber die Wünsche der Männer sind nicht weniger unrealistisch: Laut Bertelsmann-Studie wünschen sich ja 50 % der jungen Männer, auch jene um die 18 Jahre – was man kaum glauben mag -, sie soll zu Hause sein und er die Versorgung übernehmen. Die werden Mühe haben, eine Frau zu finden, die das mitmacht. Oder es gibt richtig Ärger in der Beziehung, das passt überhaupt nicht zusammen. Es gibt auch eine Studie, die finde ich natürlich in dem Zusammenhang am traurigsten: Männer suchen wirklich nach der Schablone "jünger, weniger gebildet, daher mit geringeren Einkünften, eher mütterlich und attraktiv". Frauen suchen nach dem Alphatier, das das Geld mit nach Hause bringt, wollen aber gleichzeitig einen Partner auf Augenhöhe. Also, es passt nicht zusammen, aber die Kluft bei den Frauen ist größer. Doch beide stecken knietief in Klischees drin.
Media-Mania.de: Ist in der Jungenerziehung der letzten Jahrzehnte etwas schiefgelaufen? Und was tun Sie, um Ihren Sohn zu einem potenziellen guten Vater zu erziehen?
Lisa Ortgies (lacht): Ich muss mal vorausschicken, dass hinter der Recherche für das Buch natürlich auch ein persönliches Interesse steckt. Ganz sicher mache ich ebenso wie mein Mann auch Fehler, weil diese geschlechtstypische Erziehung eben doch greift. Ich merke ganz deutlich, dass wir unserem Sohn Dinge durchgehen lassen, die wir bei unserer Tochter nicht toleriert haben. Der hat jetzt schon, mit zweieinhalb Jahren, ein ganz anderes Selbstverständnis, was Aggressionen, Lautsein und so was angeht. Diese Jungenprobleme gehen nicht erst in der Schule los, und die Jungskatastrophe, von der jetzt geredet wird, die ja herbeizitiert wird, beruht auf einer Art statistischem Missverständnis. Die Jungs, die Probleme hatten und die schlechteren Abschlüsse gemacht haben, die gab's schon immer. Nur dass früher, in den 60ern, die Mädchen mit dem besten Abi trotzdem ausgeschert und zu Hause gelandet sind oder Handelsschule gemacht haben …
Media-Mania.de: … wenn sie überhaupt erst das Abi gemacht haben …Lisa Ortgies: Ja, meistens sind die besten Schülerinnen mit der Realschule aussortiert worden, auch meine Mutter zum Beispiel, aber bei der nachfolgenden Generation auch, die sind also gar nicht weitergereicht worden an die weiterführenden Schulen und erst recht nicht an die Uni, waren aber schon immer die Besseren in der Schule. Jetzt marschieren die Mädels durch und machen auch an den Unis die besseren Abschlüsse, und da schreit alles auf, weil sie natürlich hinterher in die entsprechenden Positionen drängen: "Moment mal, hier werden Männer en gros benachteiligt." Das Schulsystem war immer dasselbe, da hat sich gar nichts verändert. Es wurde auch schon immer von Frauen geschmissen, vielleicht nicht vor hundert Jahren, aber in den letzten Jahrzehnten. Bis jetzt hat es so eine Diskriminierung nie gegeben.
Zu sagen, wir weichen jetzt von dem Konzept ab, dass ein Minimum an Disziplin und Aufmerksamkeit da sein muss, kann nicht die Lösung sein, sondern man kann schauen, welche Aspekte der Sozialisation mit dem Schulsystem kollidieren. Und das verstärkt sich in den letzten Jahren eher, diese ganze biologistische Hormon- und Hirnforschungsdiskussion nach dem Motto "Die Jungs sind halt so" oder "Männer sind halt testosterongesteuert", die Idee, Jungs seien grundsätzlich anders, und das Schulsystem müsse sich anpassen. Und warum die Jungs so an den Start gehen, hat auch was mit Männlichkeitsidealen und mit Sozialisation zu tun. Das Problem ist das gelernte Verhalten, nicht irgendwelche Gene und auch nicht das Schulsystem. Sondern das, was Jungs in ihrer Identifikation mit Männlichsein mit auf den Weg gegeben wird, kollidiert mit der Schule. Das ist meine Meinung.
Media-Mania.de: Nicht zuletzt ist es die Wirtschaft, sind es die Arbeitgeber, die den erwerbstätigen Familienmitgliedern ein Bein stellen, wenn es um Karriere oder gar den Job selbst trotz Kind geht. Sie erläutern sehr drastisch, dass Arbeitgeber unter anderem Anleitungen erhalten können, wie man Mütter wegmobbt, und dass die Elternpause oder Teilzeitarbeit zu Beschäftigung unter Qualifikation führen. Das sind Fakten, die sich nicht wegdiskutieren lassen, aber welche Möglichkeiten gibt es denn, in der freien Marktwirtschaft auf Unternehmen und Personalpolitik einzuwirken?
Lisa Ortgies: Einstellungen ändern sich nicht innerhalb einer Generation, zum Beispiel ein Umdenken bei Arbeitgebern dahin gehend, dass jemand, der Arbeitszeit reduzieren oder in Teilzeit arbeiten möchte, für das Unternehmen sogar ein Gewinn sein kann und derjenige wohl produktiver und effektiver arbeitet.
Vielleicht kann derjenige auch allgemein auf die Arbeitsstrukturen einwirken, denn die gehen ja allen auf den Wecker. Wer möchte schon nach achtzehn Uhr eine Konferenz haben oder in Sitzungen erst mal eine Viertelstunde lang die Rangordnung aushandeln? Das braucht kein Mensch, auch nicht die Männer. Doch die fühlen sich gezwungen, da mitzumachen, und nutzen das als Selbstdarstellungsbühne. Aber, wie ich seit Längerem beobachte, gibt es auch bei Männern einen gewissen Verdruss.
Man kann auch mal sagen: Eigentlich ist das alles eine Chance. Und der Personalchef muss nicht ständig mit der typischen Einstellung rangehen: Oh, jetzt muss ich die sozialversicherungsmäßig irgendwie unterbringen, und ich habe dann mehr Leute. – Er hat dann mehr Man- und Woman-Power, auf die er zurückgreifen kann, und die mehr kreativen Input geben können! Und das ist doch ein Glück für alle. Der Rest ist personaltechnisch ein Problem, das sich jederzeit lösen lässt. Aber da sind die alten Regeln und die bauen auf einen Arbeitnehmer, der ist flexibel, der ist grenzenlos verfügbar. Man sollte umdenken - hin zu Arbeitsstrukturen, wo man abends noch jemanden anrufen kann, nachdem die Kinder im Bett sind. Mütter und Väter setzen sich auch abends noch hin und stellen etwas fertig, wenn sie dafür früher nach Hause dürfen. Nach meiner Beobachtung gibt es diese flexible Haltung. Aber eben nicht in Richtung Präsenzzeit und ständiger Verfügbarkeit.
Media-Mania.de: Nun gibt es durchaus auch etliche Frauen, die willentlich auf Erwerbstätigkeit verzichten oder Teilzeit wählen, wenn die Familiengründung stattfindet. Eine durchaus sehr gut qualifizierte Bekannte etwa, die im Job einiges erlebt hatte, zog sich gern für einige Jahre in die Familie zurück mit der Begründung: "Hier will mir wenigstens keiner etwas Böses." Muss man solche Entscheidungen nicht respektieren, ohne die jeweilige Frau in die Schublade "Ewiggestrig" zu schieben?Lisa Ortgies: Nein, das finde ich auch ganz furchtbar. Ich habe größtes Verständnis dafür, wenn Frauen einfach erschöpft aufgeben und sagen: Ich pack's allein nicht mehr, diese Vereinbarkeit zu organisieren, und ich ziehe mich zurück, weil ich einfach nicht mehr kann. Denen kann man das am wenigsten anlasten. Wo ein Rückzug stattfindet auf die Rolle als Mutter, und man die Energie, die man eigentlich gern in den Job stecken würde, in das Mutterdasein investiert, da lohnt es sich mal, zu überlegen. Der ganze Ehrgeiz, die ganze Verve in Bezug auf den Job wird jetzt gern auf das Kind konzentriert. Und Frauen werden dabei nicht glücklicher, weil das Kind irgendwann aus dem Haus geht; es wird zu einem wahnsinnigen Druck, alles für dieses Kind zu tun, so wie einst für die eigene Karriere.
Das führt auch in die falsche Richtung. Womit Frauen aber wirklich aufhören müssten, ist dieses Mütter-Bashing. Sie sollten vielleicht die Aggression und die Wut, die sie verständlicherweise haben, gegenüber einem Chef gebrauchen, der ihnen erzählt, das ginge jetzt alles überhaupt nicht. Selbstbewusst auftreten und mit einem gewissen Maß an Ärger, denn den braucht man für eine Verhandlung oder um sich zu vertreten – und nicht, um andere Frauen anzugreifen.
Da bin ich die Letzte, die das machen würde. Ich sage auch nicht, es muss alles Harmoniebrei sein, es ist auch Bullshit, dass Frauen immer denken, es müsse alles lieb und kameradschaftlich sein. Konflikte sind unvermeidlich und eine Diskussion auf Augenhöhe, ruhig mal streiten, aber nicht meinen Frust einfach nur durch Anfeindung anderer Lebensmodelle abzulassen. Den Frust sollte ich da lassen, wo er hingehört, beim Arbeitgeber oder in der Politik.
Media-Mania.de: Das neue Unterhaltsrecht ist in Ihrem Buch ein wesentliches Thema. Sie weisen darauf hin, dass es viele Mütter in einen Zug mit Endstation Hartz IV verfrachtet. Wie das?Lisa Ortgies: Es muss allen klar sein, die sich jetzt auf das Modell "Ich bin zu Hause" oder "Ich bin Zuverdienerin" einlassen, dass sie das Risiko eingehen, sich bei einer Trennung nicht mehr zu berappeln, weil sie nicht mehr zurück in den Job finden, oder dass sie weit abgehängt sind. Ich sage nicht, man sollte das jetzt ständig als Drohkulisse im Kopf haben. Ich bin aber der Meinung, dass es in der Politik schiefläuft insofern, als man das nicht einfach ohne Stichtag installieren und sagen kann, das gilt jetzt leider für alle. Leider auch für die Frauen, die sich aus gutem Grund, weil es durch Ehegattensplitting subventioniert wird, auf diese klassische Rollenverteilung eingelassen haben und dieses Lebensmodell gefahren sind. Die kann man jetzt nicht im Regen stehen lassen. Das ist eine Riesenschweinerei. Auch wenn das Unterhaltsrecht richtungsweisend ist und sicherlich in die richtige Richtung geht.
Das Ziel war ja auch, Kinder in die richtige Stellung zu bringen, dass die sozusagen ihr Geld bekommen, aber es ist dort schiefgelaufen, wo Frauen in die politische Unentschiedenheit reingeraten, durchs Raster fallen, weil es keine klaren Aussagen gibt. Die Politik tut immer so, als ob sie sich in die Familien nicht einmischen wolle, aber sie tut es ganz stark. Wenn ich so was schaffe wie ein neues Unterhaltsrecht, dann greife ich ganz massiv ein. Das ist ein Paradigmenwechsel, wie wir ihn noch nie hatten. Jetzt müssen Frauen wirklich nach Hause gehen, sich mit ihrem Partner streiten und sagen: Es tut mir leid, ich kann das Modell nicht fahren. Ich kann nicht die Zuverdienerin sein über Jahrzehnte. Ich muss jetzt auch Zeit investieren, auch wenn es zurzeit nicht so viel Geld bringt. Aber es kann sein, dass ich diese Aus- oder Weiterbildung oder dieses Am-Ball-Bleiben im Job irgendwann benötige, um meine Existenz zu sichern. Dieser Warnschuss ist bei den jungen Frauen und bei unserer Generation noch nicht wirklich angekommen.
Da gibt es viel zu lernen von den Frauen, die nun vor Gericht landen, weil ihnen das Geld weggenommen werden soll, obwohl sie was ganz anderes ausgehandelt haben in beiderseitigem Einverständnis. Männer tun jetzt so: "Ich wollte das alles gar nicht, und jetzt soll sie selber für sich aufkommen", aber sie haben das unterstützt und gewollt. Als junge Frau kann man viel von diesen Beispielen lernen. Man sollte sich mal diese Gerichtsurteile durchlesen oder in die Internetforen reingucken, was da für Schlammschlachten ablaufen, was das bedeutet fürs eigene Leben, wenn ich nach zehn Jahren wachgeküsst werde und merke: Egal, wie lange ich aus dem Job raus bin, und wenn ich jetzt an die Kasse muss, es bleibt mir nichts anderes übrig, weil der Geldfluss wirklich stoppt. Trotzdem machen die Frauen keine Eheverträge und gehen in die traditionelle Rollenverteilung rein, und das ist, wie ich meine, etwas, wo man noch mal die Trommel schlagen muss.
Das neue Scheidungsrecht, das dafür sorgt, dass Männer nicht alles heimlich beiseite schaffen können, hat einen Stichtag. Weil es um das Vermögen der Männer geht. Beim Unterhaltsrecht ist kein Stichtag eingeführt werden. Es wurde gar nicht richtig debattiert, was das bedeutet. Denn es wird zu Frauenarmut und folgerichtig auch zu Kinderarmut führen - genau konträr zu dem, was erreicht werden sollte. Wenn eine allein erziehende Mutter unter Existenzdruck ist und ständig überfordert und gestresst, dann kann der Unterhalt für das Kind das auch nicht auffangen.
Media-Mania.de: Was können Frauen, was können Männer in einer Beziehung also frühzeitig tun – eventuell lange vor einer Schwangerschaft -, um beziehungsschädigenden Ärger, womöglich auch eine Trennung zu vermeiden und eine emanzipierte Familie zu gründen?Lisa Ortgies: Männern steht der Weg schon ganz lange offen; so können sie schon seit längerer Zeit in Erziehungsurlaub gehen. Vor einer Schwangerschaft, das ist meine Erfahrung, sollte sich jeder um eine gleichberechtigte Beziehung bemühen, aber ich verstehe mich nicht als Ratgebertante.
Wenn bei beiden der Kinderwunsch da ist, und das sogar zeitgleich, was auch immer seltener vorkommt bei jungen Paaren, wird es oft so behandelt: "Wir sehen dann mal, wer Lust hat, was zu machen." Was sich ergibt, ist fast zu 100 % die klassische Rollenaufteilung. Dass sie nämlich zu Hause bleibt, weil sie stillt. Dann hat sie die ersten Monate übernommen und bleibt auch danach zu Hause oder ordnet ihr Berufsleben um. Das ist in der persönlichen Rechnung der Frauen bei der Berufsentscheidung schon drin: Ich muss Platz und Freiheit haben, um Kinder zu erziehen. Bei Männern ist das nicht so. Aber ich habe, ganz ehrlich, keine Hoffnung, dass Männer schon vor einer Schwangerschaft überlegen, wie sie sich gleichberechtigt einbringen können, wie sie ihren Job entsprechend planen können. Die meisten schauen geradeaus, auch wenn schon Kinder da sind, und die Kollateralschäden müssen dann organisiert werden. Das sorgt meist dafür, dass die Frauen das ausbaden. Es muss wirklich Druck reinkommen, eine Fifty-fifty-Regelung greift, denn die zwei Papa-Monate werden zwar so bezeichnet, waren aber ja nie so gemeint. Wenn man die Männer nicht zwingt, sechs Monate zu übernehmen, und damit auch eine Druckwelle in die Wirtschaft hineinschickt, dass Männer genauso unplanbar sind, dann sehe ich da keine Chance, dass sich was bewegt.
Media-Mania.de: Die Wirtschaftskrise hilft da auch nicht weiter.Lisa Ortgies: Nein, aber man könnte das ja als Chance sehen und Kurzarbeit annehmen oder ein Sabbatical, wenn's irgendwie geht, und die Zeit auch fürs Kind nutzen. Aber eher als Mann als als Frau.
Media-Mania.de: Zum Abschluss ein Themenwechsel: Arbeiten Sie bereits an einem neuen Buch, und wenn ja, verraten Sie, worum es darin geht?Lisa Ortgies: Nein, da bin ich noch nicht dran. Ich habe dieses Buch erst im Sommer abgegeben. Es hat sich ein gewaltiger Stau aufgebaut, was meine Verpflichtungen in der Beziehung angeht und gegenüber den Kindern. Mein Mann hat einiges weggeschafft und ist mit ihnen allein in den Urlaub gefahren. Jetzt bin ich mal dran. Und die ganze PR fürs Buch und die Sendung, die ich ja auch noch mache [frau TV, WDR, Anm. d. Red.], das füllt mich komplett aus. Ich fange, glaube ich, nicht vor nächstem Jahr an, zu überlegen, was ich als Nächstes zu Papier bringe.
Media-Mania.de: Media-Mania.de bedankt sich für das Interview und wünscht Ihnen für die Zukunft alles Gute – und dass Sie den Spagat zwischen Familie und Beruf weiterhin so gut "managen"!Lisa Ortgies: Vielen Dank, ebenso!
Das Interview wurde am 14.10.2009 auf der Frankfurter Buchmesse am Stand des Verlags DVA von Regina Károlyi geführt.
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