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Die Publikationen des Ersten Deutschen Fantasy Clubs sind innerhalb der deutschen Phantastikszene schon längst keine Insidertipps mehr. Mit "Fantasia" bietet der EDFC renommierten Autoren wie auch unbekannten Schreiberlingen eine Veröffentlichungsplattform und auch die von Frank W. Haubold herausgegebenen Jahresanthologien finden nicht grundlos durchweg positiven Anklang bei der Leserschaft. Mit der jüngsten dieser Jahresanthologien - "Das Mirakel" von 2007 - stellt Haubold sein Herausgebertalent erneut unter Beweis und demonstriert einmal mehr, wie man fast ohne schlechten Gewissens 9,25 Euro investieren kann.
Wer die bisher erschienenen Jahresanthologien "Das schwerste Gewicht" und "Die Jenseitsapotheke" kennt, der weiß, dass Frank W. Haubold in seiner Eigenschaft als Herausgeber auf Einfallsreichtum und Phantasie ebenso großen Wert legt wie auf ein stilistisch breit gefächertes Spektrum. Auch im Falle des "Mirakels" hat Haubold auf keine seiner Auswahlkriterien verzichtet und liefert damit eine gelungene Anthologie ab, die sich einerseits durch eine kreative wie auch stilistische Vielfalt kennzeichnet und die gleichzeitig auch - und das ist wohl der größte Pluspunkt, den die vorliegende Sammlung einheimsen kann - eine breite Palette an allem abdeckt, was sich zur Phantastik zählen lässt. So wird in den vorliegenden 26 Erzählungen neben dem Mainstream vorrangig auch mit unterschiedlichen Aspekten und Facetten der phantastischen Literatur jongliert - egal, ob der jeweilige Autor sich am Motivinventar des Unheimlichen bedient, die Science Fiction zum Zug kommen lässt oder in Richtung
social fiction schreibt.
Wie es schon bei den Anthologien der vergangenen Jahre der Fall gewesen ist, so vereint auch "Das Mirakel" unter der Schirmherrschaft des EDFC Beiträge namhafter Schriftsteller wie Michael Siefener oder Michael K. Iwoleit mit Geschichten bisher nicht oder nur kaum bekannter Schreiberlinge und Hobbyautoren. Sofern sich eine Kluft hinsichtlich der Qualität der einzelnen Texte erkennbar macht, bedeutet dies aber nicht, dass nach dem guten alten Schwarzweiß-Schema alle gelungenen Beiträge aus der Feder der altbekannten Hasen stammen, während die Neulinge sich für etwaige Niveaueinbußen zu verantworten haben. So spricht etwa die Titelgeschichte "Das Mirakel" des eher unbekannten Autors Lothar Nietsch, deren Ausgang zwar vorhersehbar ist, die aber einen guten Stil vorweisen kann, gegen diese absurde These. Im Bezug auf die Riege der "alten Hasen" nicht unerwähnt bleiben darf natürlich Malte S. Sembten, dessen Story um den "Bubble Boy" wie sein restliches Opus mit einer fesselnden Mischung aus Einfallsreichtum und stilistischer Raffinesse zu punkten weiß. Michael Siefener entführt den Leser in eine scheinbar ganz normale Stadt, deren unheimliches Potential durch das menschenscheue Wesen des Protagonisten potenziert wird, während Wilko Müller jr., Gründer des Andromeda SF Clubs, den bevorstehenden Weltuntergang einem Anrufbeantworter in den Mund legt respektive aufs Band spricht. Damit auch der Humor nicht zu kurz kommt, unterhält etwa Frank Schweizer mit seinem Beitrag über einen Killerfön. Eines der ganz großen Juwele der vorliegenden Anthologie bildet neben den Beiträgen von Sembten und Iwoleit vor allem der Text des Herausgebers selbst: In "Thors Hammer" verknüpft Haubold den NS-Wahn vom Endsieg mit düsteren Endzeitvisionen, einer sinistren Prise Unheimlichem sowie einem wohl dosierten Schuss historischen Hintergrundwissens und liefert eine ebenso fesselnde wie eindringliche Geschichte ab.
Der größte Teil der 26 Beiträge weiß zu überzeugen und den Preis zu rechtfertigen, doch eben "nur" der größte Teil. Die Rezeption mancher Texte wie Friederike Steins "So was wie Joghurt" ist stark leserabhängig und Achim Stößer hätte etwas mehr Zeit und Liebe in seine Kurzgeschichte "Haft" miteinfließen lassen sollen. Aufgrund der breiten Palette an Auseinandersetzungen mit der Phantastik empfindet der Leser nicht alle Geschichten als rundum gelungen, doch bietet die Anthologie damit gleichzeitig etwas für jeden Geschmack und damit für eine breitere Masse an einem phantastisch interessierten Publikum. Ebenso positiv zu unterstreichen sind die ansprechenden Innenillustrationen von Thomas Hofmann, ein Geleitwort des Herausgebers, ein größtenteils lobenswertes Lektorat sowie eine Leseprobe zu Haubolds neuem SF-Episodenroman "Die Schatten des Mars" vervollständigen den jüngsten Streich des EDFC.
Mit "Das Mirakel" legen Frank W. Haubold und der Erste Deutsche Fantasy Club eine der ansprechendsten und gelungensten Anthologien in der deutschen Phantastikszene des Jahres 2007 vor, welche durch kreativen Abwechslungsreichtum und stilistische Vielfalt zu glänzen weiß. So würde es kaum verwundern, wenn die eine oder andere Geschichte auf den Nominierunglisten der deutschen Phantastik- und Science-Fiction-Awards auftaucht. Ein rundum gelungener Längsschnitt der deutschen Phantastik!
Anmerkung: Der angegebene Preis von 9,25 Euro gilt für Abonnenten und Mitglieder des EDFC; auf diesen bezieht sich auch die Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Im Buchhandel beläuft sich der Preis auf circa 15 Euro.