Gesamt |
|
Aufmachung | |
Glück | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Spielregel | |
Strategie | |
Vor vielen hundert Jahren herrschte ein mächtiger Zauberer über das Reich Talisman. Symbol und Werkzeug seiner Macht war ein Artefakt, welches unter dem Namen "Krone der Herrschaft" bekannt war. Als er nun das Ende seines Lebens nahen sah, verbarg er diese Krone an einem gefährlichen Ort und versah den Weg dorthin mit allerlei Gefahren. Einst, so dachte er, würde ein tapferer Held diese Krone erlangen und das Reich wieder zu alter Größe aufsteigen lassen. Jahrhunderte vergingen und das Böse kehrte zurück in das Land. Viele Helden versuchten in dieser Zeit, die Krone der Herrschaft zu erlangen, doch alle fanden sie ein grausames Ende. Nun liegt es in der Hand der Spieler, den gefährlichen Weg zu gehen und an seinem Ende die Krone der Herrschaft für sich zu beanspruchen.
1983 veröffentlichte der britische Spielehersteller Games Workshop die erste Edition des Fantasy- Brettspiels "Talisman", welches sich in den folgenden Jahrzehnten zu dem populärsten Brettspiel mit Fantasy-Hintergrund entwickeln sollte. Nachdem die letzte deutsche Version 1986 bei Schmidt-Spiele erschienen war, blieb es jahrelang still um das spannende Brettspiel. Jetzt, nach nunmehr 22 Jahren, bringen der Heidelberger Spieleverlag und Pegasus-Spiele mit der Übersetzung der aktuellen vierten Auflage "Talisman" wieder zurück nach Deutschland.
Der Spielplan ist in drei Regionen unterteilt, eine äußere, eine mittlere und eine innere, die kreisförmig um den Spielplan herum laufen. Ziel des Spiels ist es, mit seinem Charakter als erster von der äußeren in die innere Region zur Krone der Herrschaft vorzudringen und dort so lange auszuharren, bis man der letzte überlebende Charakter auf dem Spielplan ist. In der Grundausstattung gibt es vierzehn wählbare Charaktere, von denen jede mit ganz spezifischen Eigenschaften und Werten ausgestattet ist. Jeder Charakter besitzt einen Wert in Stärke (physische Kämpfe), Talent (psychische Kämpfe), Leben (Anzahl der Lebenspunkte) und Schicksal. Letzteres kann eingesetzt werden, um einen beliebigen missglückten Würfelwurf zu wiederholen - das neue Ergebnis muss dann jedoch akzeptiert werden. Zudem besitzt jeder Charakter besondere Fähigkeiten, die ihn von den anderen abheben. So darf zum Beispiel der Krieger im Kampf zwei Würfeln werfen und sich das höhere Ergebnis aussuchen sowie zwei Waffen verwenden.
Das Spielprinzip ist relativ einfach: Jeder Charakter startet auf dem auf seiner Charakterkarte angegebenen Feld in der äußeren Region. Beginnen darf der Besitzer des Spiels. Ein typischer Spielzug sieht folgendermaßen aus: Der Spieler wirft einen Würfel und darf sich von seinem aktuellen Standort die der Augenzahl entsprechende Anzahl an Feldern nach links oder rechts bewegen. Auf dem Zielfeld angekommen, muss der Spieler die im Feldtext angegebenen Anweisungen befolgen. Handelt es sich um ein besonderes Ortsfeld wie Tiefer Wald oder Friedhof, entscheidet ein Würfelwurf darüber, was sich ereignet. Auf dem Stadt- oder Dorffeld hat der Spieler verschiedene Aktionsmöglichkeiten, so kann er beispielsweise in der Stadt beim Alchimisten Gegenstände gegen Gold eintauschen oder auf dem Dorf beim Schmied Rüstung und Waffen kaufen. Eine weitere Art von Feldern sind die diejenigen, auf denen die Gesinnung des Charakters entscheidet, was geschieht. So erhält ein Charakter mit böser Gesinnung auf dem Friedhof diverse Vergünstigungen, wohingegen ein guter Charakter hier pauschal einen Lebenspunkt verliert. Die häufigste Art der Felder sind jedoch diejenigen, wo eine oder mehrere Abenteuerkarten gezogen werden.
Damit sind wir beim nächsten Punkt: den Abenteuerkarten. Sie repräsentieren die Abenteuer, die ein Charakter auf seiner Reise erleben kann. Oftmals handelt es sich dabei um Begegnungen mit diversen Kreaturen, die üblicherweise in einem Kampf münden. Zuweilen finden sich unter den Abenteuerkarten allerdings auch nützliche Gegenstände wie die Heilige Lanze, oder man zieht einen besonderen Ort, der fortan auf dem Feld, auf dem der Charakter des aktiven Spielers steht, verbleibt.
Kämpfe in "Talisman" werden wahlweise über Stärke (körperlicher Aspekt) oder über Talent (geistiger Aspekt) ausgefochten, wobei auf jeder Gegnerkarte angegeben ist, womit die entsprechende Kreatur angreift. Zur Ermittlung des Kampfergebnisses werfen der betroffene Spieler für seinen Charakter sowie ein weiterer Mitspieler für den Gegner je einen sechsseitigen Würfel. Zu dem Würfelergebnis werden noch der jeweilige Stärke- oder Talentwert sowie eventuelle Boni durch Rüstung, Waffen oder besondere Gegenstände hinzugezählt. Der Kontrahent mit dem höheren Wert gewinnt. Ist dies der Spielercharakter, so ist der Gegner besiegt und die Abenteuerkarte wird vom siegreichen Spieler als Trophäe einbehalten. Besiegte Gegner können später gegen zusätzliche Stärke- oder Talentpunkte eingetauscht werden. Ist jedoch der Gegner siegreich, so verliert der unterlegene Spielercharakter einen Lebenspunkt, und Kampf sowie Zug des entsprechenden Spielers sind beendet. Der Gegner verbleibt auf dem Feld, bis er besiegt wird. Der Spieler muss zu Beginn seines nächsten Zuges auf jeden Fall weiterziehen und darf den Gegner nicht noch einmal angreifen.
Je näher man sich an das Zentrum des Spielplans - also die Krone der Herrschaft - heranbewegt, desto schwieriger werden die gestellten Aufgaben. Oftmals werden in der mittleren und inneren Region überhaupt keine Abenteuerkarten mehr gezogen, sondern der Gegner wird bereits im Feldtext angegeben - und ist meistens nicht von Pappe. Daher sollte jeder Spieler, der seinen Charakter von der äußeren Region nach innen bewegen möchte, sichergehen, dass er über entsprechend gute Boni und ausreichend Lebenspunkte verfügt.
Das Schöne an "Talisman" ist das relativ einfache Spielprinzip. Zwar wird natürlich eine gewisse Regelkenntnis vorausgesetzt, aber es müssen nicht erst seitenweise komplexe Regelmechanismen studiert werden, bevor man den ersten Würfelwurf tun kann. Auch die kommenden Erweiterungen werden sich erfahrungsgemäß weniger um Sonderregeln als um neue Charaktere und Erweiterungen des Spielplans drehen. Zwei kleine Schönheitsfehler haben sich in den Testspielen offenbart: Zum einen sind die Charaktere nicht immer gleich stark, es kommt durchaus vor, dass ein Spieler mit besseren Voraussetzungen ins Spiel startet als die anderen (zum Beispiel beim Mönch). Daher sei geraten, manche Charaktere vor Spielbeginn auszusortieren oder den Zufall über die Verteilung der Charaktere entscheiden zu lassen. Findige Spieler könnten sich ansonsten bewusst einen nicht unerheblichen Vorteil verschaffen und damit den Spielspaß für ihre Mitspieler mindern. Zum anderen ist die offizielle Regelversion für den Spieler, der seinen Charakter als erstes zur Krone der Herrschaft bringt, etwas langweilig. Er darf jede Runde einmal würfeln und bei einer Vier bis Sechs verlieren alle anderen Spieler, die noch nicht das "letzte" Feld erreicht haben, einen Lebenspunkt. So etwas kann sich sehr lange hinziehen und führt dazu, dass der bis dahin erfolgreiche Spieler bald sehr frustriert ist. Hier wäre eine individuelle Hausregel wohl besser geeignet.
Fantasy Flight Games, der derzeitige Lizenzinhaber des englischsprachigen "Talisman", hat sich für die überarbeitete vierte Edition nicht lumpen lassen: Die bisher in allen Vorgängerversionen vertretenen Pappaufsteller für die Spielercharaktere wurden durch detaillierte Plastikfiguren ersetzt, die wesentlich mehr zur Stimmung des Spiels beitragen. Auch diverse Feldtexte wurden überarbeitet und verbessert. Der Heidelberger Spieleverlag und Pegasus-Spiele haben diese Bearbeitung übernommen, was die neue deutsche Version zu einem wahren Schmuckstück macht. Auch sonst ist die Ausstattung der Box sehr gut gelungen. Lediglich die Angabe für die Spieldauer kann man getrost ignorieren, denn ein normales "Talisman" dauert wesentlich länger als neunzig Minuten. Wer eine Partie spielen möchte, kann getrost den gesamten Nachmittag oder Abend dafür einplanen.
"Talisman" erfreut sich in Fantasykreisen seit 26 Jahren ungebrochener Beliebtheit. Die vorliegende deutsche Fassung der aktuellen vierten Edition zeigt, warum. Das einfache Spielprinzip, das es dennoch versteht, die wichtigsten Charakteristika des Fantasy-Genres einzufangen und in ein Brettspiel zu übertragen, und nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für Erweiterungen werden auch weiterhin den Siegeszug von "Talisman" am Rollen halten. Bereits jetzt darf man sich auf kommende Erweiterungssets freuen, von denen eines bereits auf Englisch erschienen und ein weiteres angekündigt ist. Wer eine Abwechslung vom Rollenspiel sucht oder neben dem ebenfalls exzellenten "Rückkehr der Helden" mal zu einem anderen fantastischen Brettspiel greifen möchte, dem sei "Talisman" wärmstens ans Herz gelegt. Trotz kleiner Schönheitsfehler, die sich jedoch durch einfache Regelvarianten beseitigen lassen, kann hier die Höchstnote vergeben werden.