Game Studies sind eine noch junge Wissenschaft, und entsprechend jung sind auch Herausgeber und Autoren dieses hochinteressanten Aufsatzbandes, der im Verlag Werner Hülsbusch erschienen ist. Die Autoren sind allesamt junge und angehende Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen: Musik- und Medienwissenschaftler, Soziologen, Philologen und Kulturanthropologen. Ebenso vielfältig sind auch die Themen von "Gefangen im Flow?", das sich als Leitthema die Ästhetik heutiger Computerspiele gewählt hat.
So stellt Ellen Jünger einige Gedanken zur Musik in heutigen Computerspielen an, deren funktionale Aspekte und ihre Bedeutung für Design und Struktur vom Computerspielen und ihre Wirkung auf den Spieler. Als Beispiel führt sie vor allem "Silent Hill 2" auf, das weltweit bekannte Horrorspiel, dessen Musik zur allgemein düsteren Atmosphäre beiträgt. Im Anschluss wendet Thomas Widra dramentheoretische Überlegungen aus Computerspiele an, um den Begriff der "agency" zu erläutern - die Wechselwirkung zwischen Spieler und Spiel in Bezug auf die jeweilige Spielumgebung. In dem Artikel "Gothic Gaming" von Jan Bojaryn hingegen wird ein literarisches Genre (die "Gothic Fiction") im Computerspiel gesucht und auch gefunden (etwa in den bekannten Spielen "Bioshock" oder "Mass Effect"). Ganz ähnlich arbeitet Michael Mosel in "Game Noir", nur dass diesmal der Noir-Film mit ähnlich gelagerten Computerspielen verglichen wird. Claudia Becker wirft Fragen nach dem visuellen Realismus heutiger Computerspiele auf (in Zeiten der dreidimensionalen Darstellung) und liefert zugleich eine kurze Historie der analogen und digitalen Effekte im Computerspiel ab.
"Das Computerspiel-Dispositiv" von Michael Moser überträgt die Apparatus-Theorie der Filmwissenschaften - bekannt durch Jean-Louis Baudry - auf das Computerspiel und setzt sich mit der inneren Perspektive des Zuschauers auseinander, der ja nicht vor einer Leinwand, sondern vor dem heimischen PC-Bildschirm sitzt und ein Spiel schon allein deshalb anders erlebt als einen Film. Johannes Breuer behandelt den Terminus der Interaktivität und nennt neuere Ansätze der Forschung innerhalb der Game Studies; und Adam Rafinski liefert eine ästhetische und semiotische Analyse heutiger Computerspielerfahrung, die einen ganz neuen Ansatz in der Medienwahrnehmung darstellt.
Alle Essays argumentieren auf hohem wissenschaftlichen Niveau, auch wenn in den meisten nach wie vor ein großes Dilemma der Game Studies zu erkennen ist: die Selbstwahrnehmung als junge, noch nicht anerkannte Wissenschaft, die unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck steht und sich, den untersuchten Gegenstand und dessen wissenschaftliche Untersuchung fortwährend umreißen muss. Dabei sind die Game Studies - auch dank der Buchreihe im Hülsbusch Verlag - längst über dieses Stadium hinaus. Und dieser Sammelband zeigt bereits die nächste Phase auf: die verstärkte Hinwendung zu Spezialthemen, die nun dringend erforderlich ist - und in diesem Fall auch sehr gut gelungen ist.