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Die junge Engländerin Lucy Honeychurch ist mit ihrer Anstandsdame, einer verarmten Verwandten, auf Bildungsreise in Florenz. In der Pension lernt sie den sozial deutlich unter ihr stehenden George Emerson und dessen Vater kennen. Die beiden Männer sind von natürlicher, spontaner Freundlichkeit und verletzen damit die Etikette der Upper Class.
Im Verlauf der ersten Reisetage trifft Lucy mehrmals mit den Emersons zusammen. Als sie einmal von ihrer Begleitung im Stich gelassen wird, begegnet sie Vater und Sohn in einer Kirche, und der Vater zeigt ihr die Sehenswürdigkeiten darin. Bei einer anderen Gelegenheit fängt George sie auf, als sie angesichts einer Messerstecherei ohnmächtig zusammenbricht. Ehe Lucy es selbst bemerkt, hat sie sich in George verliebt – und umgekehrt. Den Kuss, den George Lucy bei einem Ausflug gibt, beobachtet die Anstandsdame, und sofort wird die Reise abgebrochen.
Zu Hause verlobt sich Lucy überhastet mit Cecil Vyse, einem intellektuellen Ästheten, der ihr gesellschaftlich mehr als ebenbürtig ist, und dessen Anträge sie zuvor zurückgewiesen hat. Zufällig ziehen bald darauf die Emersons in die Nähe. Lucy löst ihre Verlobung mit Cecil, der zwar nicht unsympathisch, aber ein notorischer Langweiler und eine fade Persönlichkeit ist, und möchte die Flucht vor ihrer wahren, doch scheinbar unerreichbaren Liebe, nämlich George, in Form einer weiteren Reise antreten.
Es bedarf eines weiteren emersonschen Verstoßes gegen alle Konventionen, ehe Lucy erkennt, dass sie durchaus selbst ihres Glückes Schmied sein kann, wenn sie zu ihren Gefühlen steht.
In seiner Erzählung "A Room with a View", auf Deutsch "Zimmer mit Aussicht", beschreibt E. M. Forster mit guter Beobachtungsgabe und sehr pointiert die Kluft zwischen den sozialen Schichten Englands, wie sie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts präsentierte, oft vertieft, wenn die geradezu obligatorischen Reisen zu historischen Stätten Menschen zusammenbrachten, die einander in der Heimat gemieden hätten.
Scharfsinnig portraitiert der Autor die einzelnen Persönlichkeiten: zunächst die von der verwitweten Mutter recht liberal erzogene Lucy, die sich in Florenz plötzlich zwischen allen Stühlen wiederfindet, weil sie sich einerseits dem Urteil ihrer Verwandten und den ihr sozial gleichgestellten Pensionsgästen fügen möchte, während ihr andererseits ein Instinkt sagt, dass die Emersons sympathische Leute seien und George ihr mehr bedeuten könne als Cecil Vyse, den sie mehr oder weniger warmhält, obwohl sie im Grunde nichts an ihm findet. Dieser ist einfach eine gute Partie und als Mensch "nicht verkehrt". George und vor allem sein Vater wiederum treten sehr direkt auf, ohne das berühmte "Decorum" der Oberschicht, und werden deshalb sogleich ausgegrenzt; ihre spontane Hilfsbereitschaft gleich zu Anfang wird als unverschämte Aufdringlichkeit abgetan. Auch die Figur der altjüngferlichen Anstandsdame ist wunderbar getroffen, ebenso jene des Reverend Beebe, dem es nicht recht gelingt, christliche Nächstenliebe und Dünkel unter einen Hut zu bekommen. Mit ebensolchem Scharfblick wurde der Charakter von Cecil Vyse entworfen, farb- und leidenschaftslos, immer korrekt, berechenbar, vergeistigt und für eine im Grunde bodenständige, temperamentvolle Frau wie Lucy völlig ungeeignet.
Lucys Weg vorbei an den ungeschriebenen Gesetzen ihrer Klasse und hin zu ihrer Liebe und somit sich selbst beschreibt der Autor gut nachvollziehbar und einfühlsam.
Gesprochen wird das Buch in auch für Nicht-Muttersprachler auf Anhieb bestens verständlichem Englisch von der Schauspielerin Wanda McCaddon. Sie liest kurzweilig und lebendig, sodass dem Hörer die siebeneinhalb Stunden akustischer Lektüre nicht lang werden. Die Aufnahme in Originalsprache erfordert keine umfangreicheren Sprachkenntnisse als das übliche Schulenglisch, zumal man sich auch dank der guten Sprecherin rasch in das Buch einfindet.
Eine gelungene Hörbuchumsetzung des sozialkritischen Klassikers!