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Die amerikanische Literatur hat ihre ganz eigene Geschichte, auch wenn sie im Rahmen des Englischunterrichts in einem Zug mit der britischen vermittelt wird. Nicht nur die gewählten Themen unterscheiden sich stark von europäischen Texten, auch bei den Textarten lassen sich Unterschiede feststellen. Betrachtet man beispielsweise das Genre der Kurzgeschichte genauer, stellt man sehr schnell fest, dass sich in Amerika eine ganz eigene Tradition von Kurzgeschichte entwickelt hat. Mit dem Hörbuch „Great American Stories“ hat sich der Bertz + Fischer Verlag auch der amerikanischen Literatur angenommen und bietet ungekürzt und in Originalfassung fünf amerikanische Prosatexte – einen Roman und vier Kurzgeschichten – im MP3-Format auf einer CD an.
Die enthaltenen Erzählungen stammen aus den Jahren 1840 bis 1910 und stellen einen Querschnitt unterschiedlichster amerikanischer Themen und Motive dar.
The Red Band of Courage von Stephen Crane
Ein junger Mann aus den Südstaaten tritt während des Bürgerkriegs der Konföderierten-Armee bei, jedoch verlässt in während einer Schlacht der Mut und er desertiert. Als er gehört hat, dass sein Batallion siegreich war, beginnen ihn Schuldgefühle zu plagen und er macht sich auf den Rückweg. Die Erlebnisse, die er auf dem Weg zurück hat, prägen ihn für die kommende Schlacht.
The Ransom of Red Chief von O. Henry
In einer Kleinstadt in Alabama entführen zwei Verbrecher einen Jungen, um von dessen Eltern ein Lösegeld zu erpressen. Doch schon bald müssen die beiden feststellen, dass ihr Opfer alles andere als harmlos ist. In dem Glauben, auf einem Campingausflug zu sein, traktiert der Junge seine zwei Entführer mit allerlei üblen Scherzen, während diese beiden vergeblich auf die Lösegeldzahlung der Eltern warten.
The Man of the Crowd von Edgar Allan Poe
Ein namenloser Erzähler betrachtet eines Abends durch die Fenster eines Kaffeehauses das Treiben auf den Straßen Londons. Dabei fällt ihm ein heruntergekommen aussehender Mann um die 70 Jahre auf, der den Erzähler auf eine unerklärliche Weise fasziniert. Dieser beginnt dem seltsamen Fremden durch die Straßen der Stadt zu folgen, bis hinaus in das heruntergekommenste Viertel Londons und wieder zurück auf die Hauptstraße, wo der Erzähler nachdenklich zurück bleibt.
The Notorious Jumping Frog of Calaveras County von Mark Twain
Der Erzähler erfährt von einem alten Mann die Geschichte eines Jim Smiley, der von Wetten geradezu besessen war. Eines Tages wird Smiley von einem Fremden zu einer Wette herausgefordert, dass dessen Frosch höher springen kann als Smileys eigener. In einem unbeobachteten Moment füllt der Fremde das Maul von Smileys Forsch mit Patronen, sodass er die Wette gewinnt.
Miss Tempy’s Watchers von Sarah Orne Jewett
In einer Kleinstadt in New Hampshire halten Mrs. Crowe and Sarah Ann Binson Wache über den Körper ihrer verstorbenen gemeinsamen Freundin Temperance Dent. Es war der Wunsch der Toten, dass sich die beiden Frauen, die aus unterschiedlichsten sozialen Schichten kommen, gemeinsam um ihr Haus kümmern. Während dieser Nachtwache kommen die beiden ins Gespräch und lernen sich so besser kennen.
Alle fünf Erzählungen werden von professionellen Theaterschauspielern und Hörbuchsprechern eingesprochen, was der Qualität sehr zugute kommt. Jeder Sprecher bedient sich zudem eines leichten bis mittleren amerikanischen Akzents, sodass der Text einerseits verständlich bleibt, andererseits aber auch das entsprechende Lokalkolorit zur Geltung kommt. Trotz ihrer unterschiedlichen Themen und Hintergründe bieten die fünf Erzählungen einen guten Überblick über das weite Feld amerikanischer Literatur. Der Bürgerkrieg ist ebenso vertreten wie Mark Twains ländliche Erzählweise und der Poesche Hauch des Unheimlichen. Zwar spielt „The Man of the Crowd“ in London, doch ist die Geschichte gleichzeitig exemplarisch für den Gothic Horror, den Poe in seinen Geschichten transportiert hat. „Miss Tempy’s Watchers“ erinnert vom Stil her fast schon ein wenig an Joyces „Dubliner“, wenngleich Sprache und Stil ihre Wurzeln deutlich in der amerikanischen und nicht britischen Tradition haben.
Das Booklet ist in dem für die Reihe „Original + ungekürzt“ üblichen Grün gehalten. Als Titelmotiv wurde passend ein Foto von „Lady Liberty“, also der Freiheitsstatue, gewählt, einem der großen Symbole Amerikas.
Technisch gesehen liegt mit „Great American Stories“ eine astreine Produktion vor. DVD-Player älteren Datums werden das MP3-Format wohl nicht erkennen können, sodass man in diesem Fall auf den Computer umsteigen oder sich Gedanken über den Neukauf eines DVD-Abspielgerätes machen sollte. Das Kopieren auf den Rechner und anschließende Abspielen bereitet auch keine Probleme. Da die Tracks im MP3-Format vorliegen, lassen sie sich zudem ohne aufwändige Konvertierung auf den USB-Stick oder den MP3-Player ziehen und unterwegs anhören. Der Preis von 19,90 Euro ist für eine Produktion dieser Qualität vollauf gerechtfertigt.
„Great American Stories“ ist eine weitere überzeugende Produktion aus dem Haus Bertz + Fischer. Die fünf ausgewählten Erzählungen geben einen guten Querschnitt amerikanischer Kurzprosa, auch wenn es sich bei „The Red Band of Courage“ um einen 250-Seiten-Roman handelt. Gerade für die Vermittlung oder das Selbststudium amerikanischer Literatur eignet sich dieses Hörbuch hervorragend, zumal – wie die Reihe von Bertz + Fischer schon aussagt – die Texte ungekürzt gelesen werden. Ein weiterer positiver Punkt ist, dass die Texte als PDF ebenfalls auf der CD verfügbar sind. Daher kann für „Great American Stories“ eigentlich nur eine Kaufempfehlung ausgesprochen werden.