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Die Allgemeine Staatslehre ist
das Grundlagenfach des Öffentlichen Rechts. Während die zum Pflichtstoff des 1. juristischen Staatsexamens gehörenden Fächer wie Staatsorganisationsrecht, Grundrechte, Verwaltungsrecht usw. Fragen behandeln,
wie der Staat organisiert ist, erklärt und erforscht die Allgemeine Staatslehre das Konstrukt des Staates als solchem. Was sind überhaupt die Grundlagen des Staates? Warum gibt es Staaten? Wie sind sie entstanden? Dies sind - zum Beispiel - die Fragen der Staatslehre. Während die faktische Ausbildungsbedeutung dieses Faches (leider) gering ist, nimmt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Staates in den letzten Jahren wieder zu. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass die Bewegung, die den Staat für überflüssig hält und das Funktionieren von Märkten als Grundannahme verfolgt, ihren Zenit vor einigen Jahren überschritten hat und nun (wieder) kritisch hinterfragt wird. Burkhard Schöbener liefert hierfür mit seinem erst im Herbst 2009 erschienenen Buch "Allgemeine Staatslehre" in der bekannten Beck'schen Ausbildungsreihe "Grundrisse des Rechts" unter Mitwirkung von Matthias Knauff einen großen Beitrag.
Im ersten Kapitel führt der Verfasser in die Bedeutung der Allgemeinen Staatslehre als wissenschaftliche Teildisziplin ein und beschreibt die methodischen Grundlagen des Fachs. Diese weichen von anderen Teildisziplinen deshalb ab, weil nur wenige Normen als dogmatische Grundlage existieren. Im zweiten Kapitel wird auf den Staat als historisches Phänomen eingegangen. Die Grundlagen der Entstehung von Staaten werden dabei ebenso beschrieben wie die Ausbildung des "modernen Staates" in Deutschland. Der Staat als rechtliches Phänomen wird im dritten Kapitel beschrieben. Dabei wird ein juristischer Staatsbegriff entwickelt und ausführlich die Jellinek'sche "Drei-Elemente-Lehre" (Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt) beschrieben. Im vierten Teil werden die philosophischen Theorien zur Legitimation des Staates beschrieben sowie auf das Verhältnis von Staatszielen und Staatsaufgaben eingegangen. Im fünften Teil werden dann die Ausprägungen des so genannten "modernen Verfassungsstaates", wie wir ihn aus der deutschen Staatswirklichkeit kennen, beschrieben. Als Grundprinzipien werden dabei durch den Verfasser das Demokratieprinzip, die Gewährleistung von Grund- und Menschenrechten, das Rechtsstaatsprinzip und das Solidaritätsprinzip genannt. Im sechsten Kapitel werden nationale und internationale Organisationsformen von Staaten untersucht und im siebten Kapitel schließlich wird der Staat in die internationale Rechtsordnung eingeordnet und eine rechtliche Analyse zwischenstaatlicher Beziehungen durchgeführt.
Das Buch überzeugt vollends durch seine umfassende Behandlung der im Bereich der Allgemeinen Staatslehre relevanten Fragestellungen. Gleichzeitig gelingt es dem Verfasser durch eine präzise und leicht lesbare Ausdrucksweise die umfassende Stofffülle auf immer noch knappen circa 300 Seiten darzustellen. Auch didaktisch überzeugt das Buch, da es ihm gelingt, die relevanten und spannenden Fragestellungen aufzuwerfen und dann aber auch präzise Antworten zu finden und sich eben gerade nicht in vielen Verästelungen und Nebenfragen aufzuhalten. Interessierte Studierende der Rechts-, aber auch der Politikwissenschaften finden hier also einen spannenden Einstieg in die Grundfragen der Staatlichkeit.
Insbesondere eignet sich das Buch für die Beantwortung der Frage "Warum gibt es überhaupt den Staat?". Stärke und Schwäche zugleich ist dabei das Fehlen einer auch so gekennzeichneten persönlichen Stellungnahme des Verfassers zu kontroversen Fragen. Seine Meinung wird nicht in einem eigenen Abschnitt gesondert zusammengefasst, sondern bleibt aus oder wird in darstellende Ausführungen "eingeflochten". So erreicht der Autor, dass das Lehrbuch auf seinen didaktischen Charakter fokussiert bleibt. Gleichzeitig vermisst man seine persönlichen Stellungnahmen. Außerdem geht das Buch in einigen Kapiteln schon sehr vom modernen deutschen Verfassungsstaat aus. Eine von der deutschen "Variante" des Verfassungsstaats losgelöste Analyse hätte hier sicher auch seinen Reiz gehabt. Schade ist, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon vom Juni 2009 trotz Erscheinens im September 2009 nicht mehr berücksichtigt werden konnte.