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Was die Odyssee für die Griechen ist, die Artus-Sage für die Engländer, das ist das Nibelungenlied für Deutsche. Dabei mögen viele Landsleute gar nicht wissen, dass der Stoff um den Drachentöter gar kein urdeutscher Mythos ist, sondern – in etwas anderer Form – eigentlich nordische Wurzeln hat. Jene Quellen sind es, derer sich Richard Wagner für seinen Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" bedient hat. Sie sind es auch, die das frankobelgische Künstlerteam Nicolas Jarry und Djief zu seiner Reihe "Götterdämmerung" inspiriert hat.
"Der Fluch des Rings", in der Serienchronologie bei Splitter als Nummer 0 geführt, stammt allerdings aus der Feder von Jean-Luc Istin ("Das fünfte Evangelium", "Die Druiden") und wurde zeichnerisch von Gwendal Lemercier umgesetzt. Die beiden erzählen in diesem Comicband die Geschichte des Nibelungen Alberich, dem ersten seiner Art, der das von Blut und Gewalt beherrschte unterirdische Reich seines Volkes verlassen und Midgard, die Welt der Menschen betreten hat. Er folgt dem Gesang des verbotenen Goldes, das von den Rheintöchtern bewacht wird, und bringt es in seinen Besitz. Damit bringt er die Götter gegen sich auf – und erweckt einen Fluch zum Leben, der nicht nur sein Schicksal und das seines Volkes, sondern das aller Welten bedroht …
Die kurze Inhaltsangabe verrät es bereits: Der Auftakt der neuen Splitter-Serie folgt in Grundzügen Wagners Oper "Rheingold". Dabei jagt der Band recht bruchstückhaft durch die Handlung. Vor allem im zweiten Teil gibt er vor allem Ausblick auf Ereignisse, die noch kommen werden. Insofern kann "Der Fluch des Rings" – die Nummerierung deutet bereits darauf hin – als nicht mehr als ein Prequel zur Serie von Nicolas Jarry und Djief bezeichnet werden: ein Vorläufer der eigentlichen Reihe, der allenfalls einen Ausblick auf die kommende Handlung zu geben scheint, rein inhaltlich für sich betrachtet aber stakkatohaft, unausgegoren und unvollständig wirkt. Darüber trösten allerdings zumindest ein bisschen die gelungenen Zeichnungen von Gwendal Lemercier hinweg, der den bekannten Gestalten der germanischen Mythologie ein ungewöhnliches Gesicht verleiht: Dem Volk der Nibelungen gibt er beispielsweise ein satyrhaftes Aussehen und weicht so von der überlieferten Tradition ab.
Auch wenn die Einleitung des immerhin zehnseitigen Skizzenbuchs Lemerciers, das dem Comic hintenan steht, bereits darauf hindeutet, dass er und Texter Istin sich in einem von Kollegen bereits klar umrissenen Universum bewegen mussten, so wäre es doch schön gewesen, wenn der Splitter-Verlag in einem redaktionellen Beitrag darauf eingegangen wäre, wie es zu "Der Fluch des Rings" gekommen ist. Dadurch würde es leichter fallen, ihn im Kontext der Serie eines anderen Künstlergespanns richtig zu beurteilen.
Es wäre deshalb falsch, die Qualität der Serie an diesem Prolog zu messen. Wie gut – oder schlecht – "Götterdämmerung" tatsächlich ist, müssen die nachfolgenden Bände beweisen, die interessanterweise auch die Reihennummerierung mit der 1 aufgreifen. "Der Fluch des Rings" ist allenfalls ein Vorgeplänkel, das man nicht gelesen haben muss und sich leider nur durch seine Bildgewalt auszeichnet. Es dürfte vor allem jene Comicfreunde ansprechen, die weniger Wert auf eine interessante Handlung legen als auf opulente Zeichnungen.