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Seit mittlerweile mehr als 30 Jahren finden in der letzten Juniwoche die
Tage der deutschsprachigen Literatur statt, während derer einer der bedeutendsten deutschsprachigen Literaturpreise, der Bachmannpreis, vergeben wird. Im Jahre 2006 hat Kathrin Passig den Bachmannpreis bekommen und sie ist es auch, die das Vorwort geschrieben hat zu Angela Leinens Buch "Wie man den Bachmannpreis gewinnt".
Der Titel mag zunächst den Gedanken an einen Schreibratgeber aufkeimen lassen, doch bereits der erste Satz der Autorin macht deutlich, dass ihr Buch ein Buch für Leser ist. Es nimmt die Leserperspektive ein und soll Anzeichen für gute und für schlechte Texte liefern. Damit spricht das Buch selbstverständlich auch Autoren an, zumindest solche, die gelesen werden wollen, denn "ein Text", so Angela Leinen, "wird erst beim Leser fertig." Dass nicht alle Leser gleich sind und es verschiedene Vorlieben und Abneigungen gibt, weiß natürlich auch die Autorin, und doch: Nicht alles ist einfach nur Geschmackssache. Es gibt Fehler, und die will die Autorin aufzeigen. Den Anfang macht sie mit der Wahl der Themen. Von A wie "Arbeit, gute ehrliche" bis X wie "XY ungelöst" erörtert sie den Reiz und das Risiko bestimmter Themen. Sie bespricht Extrembeispiele der Literatur: Schund, Brainfuck (Texte von schier unlesbarer Komplexität), Kitsch und Experimente; fragt sich, wie der Mensch ins Buch kommt und was den Leser dazu veranlasst, umzublättern und weiter zu lesen; sie diskutiert die Welt, die der Autor im Kopf des Lesers entstehen lassen will und dieses gewisse Etwas, das einigen Texten innewohnt: die Tiefe, das Geheimnis, der Subtext. Dialoge und Sexszenen erhalten, als bedeutsame Formen der menschlichen Interaktion, jeweils eigene Kapitel, weil sie so oft misslingen, und auch auf die Sorgfaltspflicht des Autors bei der Recherche geht Angela Leinen ein.
Insgesamt hat das Buch ganz entgegen dem, was der Titel verspricht, nur sehr entfernt mit dem Gewinnen des Bachmannpreises zu tun, allerdings wurden dem Klagenfurter Wettbewerb viele Textbeispiele und Zitate entnommen. Zum Schluss werden dann noch in direkter Anlehnung an den Preis Kriterien der
Automatischen Literaturkritik vorgestellt - ein Projekt des Weblogs "Riesenmaschine", in dem nach vorher festgelegten Kriterien die Wettbewerbstexte bewertet werden. Ein Beispiel für einen Pluspunkt ist: "Vorkommen von Nagetieren", ein Beispiel für einen Minuspunkt: "Bildungszitat (2 Minuspunkte für Songtextzeilen)".
Alles in allem hat Angela Leinen ein Buch über Literatur geschrieben, in dem sie auf meist unterhaltsame und lesenswerte Weise über gute und schlechte Texte spricht. Manches Mal nickt man zustimmend mit dem Kopf, weil man sich als Leser gut repräsentiert fühlt. An anderen Stellen fühlt man sich dagegen eher gegängelt oder überrumpelt, weil manche "Kriterien" allzu objektiv wirken. Vieles ist auch für Leser, die sich mit dem Schreiben schon ein wenig auseinandergesetzt haben, vertraut: Bei der Verwendung von Adjektiven Vorsicht walten zu lassen, ist für die meisten von ihnen keine wirklich neue Erkenntnis.
Nichtsdestotrotz ist "Wie man den Bachmannpreis gewinnt" aufgrund seiner amüsanten Schreibweise und der vielen Zitate und Textbeispiele ein lesenswertes Buch für Literaturliebhaber. Besonders Schreibanfänger werden hier auf kurzweilige Weise in einige grundlegende Kriterien eingeführt.