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 Walhalla Rising


Cover
Gesamt ++++-
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Das schottische Sutherland um 1000 n. Chr.: Ein stummer, einäugiger Krieger ohne Namen (Mads Mikkelsen) wird als Sklave gehalten und zu blutigen Schaukämpfen auf Leben und Tod gezwungen. Wie ein Tier in einem Käfig eingesperrt, wird er nur zum Töten herausgelassen. Eines Tages gelingt es ihm, die Ketten seiner Gefangenschaft abzuschütteln und seine Peiniger zu töten. Gemeinsam mit einem ebenfalls als Sklaven gehaltenen Jungen (Maarten Stevenson) flieht er an die Küste, wo sie sich einer Handvoll christianisierter Wikinger anschließen, die ins Heilige Land aufbrechen wollen. Doch die Fahrt wird zu einer Odyssee des Grauens: Nahrung und Wasser werden knapp, Tote sind zu beklagen und ein dichter Nebel macht jede Navigation unmöglich. Als die geschwächten Männer schließlich fremde Gestade erreichen, wähnen sie sich schon im gelobten Land. Doch das Schicksal hat sie geradewegs an einen finsteren Ort geführt, an dem der Tod lauert ...

Der Wikingerfilm ist ein ausgestorbenes Genre und harrt seiner Renaissance. Zwar haben die Nordmänner in den letzten Jahren immer wieder die Leinwand unsicher gemacht ("Beowulf", "Outlander", "Drachenzähmen leicht gemacht"), doch auf ein neues großes Wikinger-Epos alter Schule wartet man seit langem. Mit umso größerer Spannung wurde schließlich dem dänischen Streifen "Walhalla Rising" entgegengefiebert, für den Regisseur Nicolas Winding Refn ("Pusher", Bronson") seinen langjährigen Stammdarsteller Mads Mikkelsen ("Casino Royale") verpflichten konnte. Wer jedoch einen Actionfilm à la "Der 13te Krieger" erwartet, wird jäh enttäuscht werden. Denn "Walhalla Rising" ist ein Kunstfilm, ist experimentelles Kino, mit dem Mainstream in jeder nur denkbaren Beziehung unvereinbar und von daher für die breite Masse völlig untauglich.

Kaum ein Streifen der letzten Jahre hat so verwirrt, so verstört und mit den narrativen Konventionen so sehr gebrochen wie "Walhalla Rising". Eine Handlung im herkömmlichen Sinne hat Refns krude anmutende Antithese zum Allgemeingeschmack nicht zu bieten, von einem Spannungsbogen ganz zu schweigen. "Walhalla Rising" ist ein sehr wortkarger Film – der erste Satz fällt erst nach 7 Minuten Laufzeit, danach dauert es weitere fünf Minuten, bis erneut ein Wort gesprochen wird –, minimalistisch in seinen Dialogen wie auch in den Informationen, die er mit dem Zuschauer zu teilen bereit ist: Die Figuren tragen keine Namen – der Namen "Einauge" wird Mikkelsens Figur von seinem jungen Begleiter aufgrund seiner Verletzung verliehen –, ihre Vergangenheit und ihre Motive bleiben im Dunkeln. Ja, selbst die zeitliche Verortung des Films verliert sich, ähnlich wie die Männer auf ihrer langen Seereise, im dichten Nebel der Geschichte, es gibt keinen einzigen Beleg dafür, dass der Streifen im Jahr 1000 spielt, wie oft im Internet zu finden ist. Auch, dass es sich bei den Gefährten von "Einauge" um Wikinger handelt, die zum christlichen Glauben übergetreten sind, ist nicht eindeutig, erst der Abspann weist die (auch hier namenlos bleibenden) christianisierten Nordmänner als solche aus.

Doch Refn geht es weder um historische Authentizität noch um dialogische Gewaltakte und schon gar nicht um einen stringenten roten Faden – zumindest keinen, der sich überdeutlich vor den Füßen der Darsteller schlängelt und dem der Zuschauer folgt wie Judy Garland anno dazumal dem gelben Steinweg. Was Refn mit "Walhalla Rising" vorlegt, ist stille archaische Poesie, verortet in tiefster und finsterster Vorzeit, in einer mythischen Vergangenheit, die beherrscht wurde von roher Gewalt und von Blutvergießen im Namen von Göttern und heiligen Botschaften. In mächtigen Bildkompositionen und grandiosen Panoramaaufnahmen fängt "Walhalla Rising" die eindrucksvollen und ehrwürdigen schottischen Highlands ein und kombiniert sie mit den stillen Aufnahmen der ausgedehnten Nadelwälder Nordamerikas zu einem überwältigenden visuellen Spiel. Gewalt wird roh, dreckig und ohne jede hochstilisierende Ästhetik vom Schlag eines "300" zelebriert, besonders im ersten Filmdrittel spritzt Blut, brechen Genicke und bersten Schädeldecken. In Kombination mit Farbfiltern, welche die Traumsequenzen und das psychische Innenleben von Einauge widerspiegeln, üben die Bilder eine eigenartige hypnotische Wirkung auf den Zuschauer aus, der sich zu entziehen nur schwer möglich ist.

Zusammen mit der eindringlichen Musik und der doch zermürbenden Dialogarmut, die in Einauges anhaltendem Schweigen kulminiert, konstruiert die intensive Bildersprache einen Film, der nie Realität und Fiktion, Traum und Wachzustand auseinanderhält, sondern alles in ein Knäuel aus Bildern, Symbolen und Allegorien verwickelt, das den Zuschauer auch lange nach Einsetzen des Abspanns beschäftigt. "Walhalla Rising" lässt sich in keine Genre-Schublade zwängen und bietet dem Zuschauer nicht die eine und einzig gültige Interpretation auf einem Silbertablett an, sondern fordert ihn zu jeder Minute. Jeder Interpretationsansatz lässt die eine oder andere Einstellung in einem neuen Licht erscheinen – und auch das große Ganze, schließlich fragt man sich am Schluss, was für einen Film Refn eigentlich gedreht hat. Dass es sich bei "Walhalla Rising" um keinen ordinären Wiederbelebungsversuch des Wikingerfilms handelt, ist schon nach den ersten zehn Minuten klar, doch was ist der Streifen denn eigentlich? Vielleicht ein Film über die Christianisierung des mittelalterlichen Europas, der den brutalen Fortschritt des Christentums und den Untergang der Heiden allegorisch verpackt? Oder möglicherweise ein Film über die Entdeckung Amerikas durch die Nordmänner, Jahrhunderte vor Christoph Kolumbus? Berücksichtigt man die in der Forschung weit verbreitete Auffassung von Leif Eriksson, Sohn Eriks des Roten, als Entdecker Nordamerikas, dann macht die bereits angesprochene Jahreszahl 1000 n. Chr. sogar Sinn. Dies sind aber nur zwei von vielen möglichen Interpretationen. Nur eines scheint klar: Den Film zu begreifen obliegt nicht dem Zuschauer. Bloß das Ende hätte etwas mehr dramaturgischer Sorgfalt bedurft, es hinterlässt irgendwie den Eindruck des Unfertigen. Aber natürlich kann auch dies von Refn beabsichtigt sein – um den Zuschauer mit einem noch größeren Schwindelgefühl zurückzulassen. Wer weiß das schon …

Unverständlicher als der Film erscheint aber die Altersfreigabe von 16 Jahren. Auch wenn sich die Zahl der Gewaltszenen an zwei Händen abzählen lässt (und das will in den heutigen Zeiten doch etwas heißen), so haben sie es dennoch in sich. Immerhin weidet Einauge einen seiner Peiniger aus und während eines Schaukampfes schlägt er seinem Gegner mit einem Stein den Schädel ein, sodass dessen Gehirn kurz hervor blitzt. Sofern die FSK bestimmte Richtlinien bei der Erteilung von Altersfreigaben verfolgt, so sind diese undurchsichtiger als die EU-Politik – und das will was heißen.

Noch ein paar Worte zur Blu-ray: Das Bild brilliert mit knackigen Farben, anständigen Schärfewerten und einer gelungenen Detailwiedergabe, die bei Close-ups wie auch bei Panoramaaufnahmen ordentlich zur Geltung kommt. Lediglich die Nachtszenen fallen durch Unschärfen und Treppenbildung ein wenig negativ auf. Der Ton überzeugt mit einer recht ordentlichen Räumlichkeit, besonders die Winde in den schottischen Highlands kommen richtig gut herüber. Als Bonusmaterial hat die Disc ein Interview mit Nicolas Winding Refn und Mads Mikkelsen und einen Audiokommentar mit Refn (in DTS-HD 2.0) zu bieten, ferner den Originaltrailer und eine Trailershow. Der Blu-ray liegt außerdem ein Wendecover bei.

Fazit:
Zwischen Wikingerfilm und Entdeckerstreifen, Kunstfilm und psychologischem Kino, surreal und verstörend, geradlinig und nichtstringent zugleich, dialogarm und symbolschwanger – Nicolas Winding Refn liefert mit "Walhalla Rising" 92 Minuten voll atmosphärischer Überwältigung und visueller Mächtigkeit, zu keiner Zeit einfach, allzu oft zermürbend und doch faszinierend. Ein experimenteller Film, der nicht zu verstehen, nur zu erfahren ist.

Michael Höfel



Blu-ray Disc | Disc-Anzahl: 1 | EAN: 4041658293211 | Erschienen: 5. November 2010 | FSK: 16 | Laufzeit: 92 Minuten | Originaltitel: Valhalla Rising | Preis: 16,90 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch (DTS-HD 7.1), Englisch (DTS-HD 5.1)

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