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Wir alle essen Öl. Die fossilen Brennstoffe mögen zwar nicht besonders reich an Vitaminen und Nährstoffen sein, doch der Dünger und die Pestizide, mit denen wir unsere Felder bestellen, werden mit Öl hergestellt. Und das ist noch längst nicht alles – die Maschinen, mit denen gesät und geerntet wird, werden mit Öl betrieben, ebenso die Transporter, die die Ernte vom Hersteller zum Händler und letzten Endes zu uns nach Hause bringen. In jedem Autoreifen stecken mehrere Liter Öl, die meisten Kunststoffe und Plastiken wären ohne Öl nicht denkbar – und längst nicht nur die Nahrungsmittelindustrie ist auf den Kraftstoff angewiesen.
Wir essen Öl nicht nur, wir leben es. Ein Versiegen der Ressource hätte nichts anderes zur Folge als den kompletten Kollaps der westlichen Industrienationen – so behauptet es zumindest der Journalist und Ex-CIA-Agent Michael Ruppert in der Dokumentation "Collapse". Und sollte er Recht haben, dann sieht es ehrlich gesagt ziemlich beschissen für uns aus – denn die Ölreserven des Planeten gehen zur Neige.
An sich erzählt Ruppert in "Collapse" – einer Dokumentation, die wie ein 80-minütiges, durch Bilder des aktuellen Zeitgeschehens hinterlegtes Verhör des Journalisten inszeniert ist – nichts Neues. Von der Ölknappheit, der steigenden Nachfrage und unserer eigenen Abhängigkeit vom Rohstoff hat so ziemlich jeder schon einmal etwas gehört. Alternative Energien wie Wind, Sonne oder ganz aktuell der Bio-Kraftstoff E10 sind fester Bestandteil des alltäglichen öffentlichen Diskurses. Nur sind sie noch lange nicht dafür geeignet, das Öl als Energiequelle im großen Stil abzulösen. Die Debatte um E10 kann man laut Ruppert jedenfalls sofort beenden, da in jeden Liter Bio-Treibstoff mehr Energie reingesteckt werden muss, als man rausbekommt. Atomenergie? Zu teuer. Kohle? Ein Witz. Wind und Sonne? Die einzige echte Alternative, jedoch nur, wenn die Energie an Ort und Stelle produziert wird.
"Collapse" lässt Michael Ruppert ohne jede Wertung für sich selbst sprechen und seine Thesen darlegen. So mag man zunächst denken, dass hier nur ein weiterer Verschwörungstheoretiker eine Plattform für seinen Weltuntergangsnonsens gefunden hat. Jene Menschen, die glauben, Lee Harvey Oswald hätte nach der Inszenierung der Mondlandung eine Lenkrakete in die Twin Towers gesteuert, sind bedauernswerte Kreaturen. Doch Ruppert wirkt nicht so, als wäre er der nächsten Nervenheilanstalt entflohen, sondern der nächsten Universität. Seine Argumente sind von bestechender Logik. Das Bild, das er zeichnet, ist nicht nur logisch und erschreckend, sondern plausibel und regelrecht erschütternd. Ist der Kollaps der Industrienationen tatsächlich bereits im Gange? In diesem 2009 gedrehten Film sagt Ruppert die Staatsbankrotte Griechenlands und der USA voraus – ersterer ist im letzten Jahr eingetreten, letzterer steht kurz bevor. Indien und China mögen zwar ihren wirtschaftlichen Aufschwung feiern, doch auch sie sehen sich letzten Endes mit der bitteren Wahrheit konfrontiert, dass steigender Bedarf mit finiten Ressourcen kollidiert.
Selbst dem abgehärteten Rationalisten wird angesichts der Argumentationskette Rupperts ziemlich mulmig – man muss sich nach dem Film erst mal ins Gedächtnis rufen, dass man hier nur die ungefilterte Meinung eines Mannes präsentiert bekommen hat, der außerdem kaum Quellenangaben für seine Informationen nennt. Doch damit hat "Collapse" sein Ziel schon längst erreicht. Das Thema des globalen Ölfördermaximums und seine perspektivische Einordnung in geopolitische Vorgänge sind längst im Kopf verankert, man spielt die Vorgänge, die Ruppert beschreibt, längst wie einen grauenhaften Katastrophenfilm mit sich selbst in der Hauptrolle durch und beginnt, eigene Recherchen anzustellen.
Natürlich wird die Abnabelung von der Ressource Öl nicht ganz so apokalyptisch zugehen, wie Ruppert es in seinem Szenario beschreibt. Natürlich wird der Kollaps der Industrienationen nicht so vollständig und vernichtend eintreten, wie er es prophezeit. Natürlich wird der Mensch in seinem Hunger nach natürlichen Ressourcen sich nicht selbst auslöschen. So gesehen schliddert Ruppert mit seinen Beispielen stets dicht am besagten Verschwörungstheoretiker (er selbst spricht lakonisch von "Verschwörungsfakten") aus der Irrenanstalt vorbei – und doch wäre man dumm, seinen Warnungen nicht zumindest ein Quäntchen Aufmerksamkeit zu schenken. "Collapse" sollte daher zum Pflichtfilm werden für … naja, eigentlich für jeden. Und das, obwohl der Film aus nichts anderem besteht als aus einem Mann und einer Meinung. Kein Horrorfilm war je verstörender, kein Drama aufwühlender.
Ohne fossile Brennstoffe ist die wichtigste Energiequelle dieses Planeten die Sonne, deren Energie über die Photosynthese der Pflanzen in die Nahrungskette überführt wird, deren fester Bestandteil auch wir immer noch sind. Wird die Sonne also letzten Endes über sieben Milliarden Menschen ernähren können?