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Das Horror- und Grusel-Rollenspiel "Cthulhu" wurde nach Motiven des Autors H. P. Lovecraft entwickelt. In seinen Werken spielen die Geschichten ausschließlich in den 1920er Jahren. Für das Rollenspiel ist man deutlich weiter gegangen. Neben dem klassischen Setting existiert eine Version für ein modernes Spiel, aber auch eine, bei der in der Zeit noch viel weiter zurückgereist wird, nämlich ins Mittelalter.
Der Inhalt des umfangreichen Bandes "Cthulhu Mittelalter – Die dunklen Jahre" stellt eine Mischung aus geschichtlichem Wissen aus eintausend Jahren und Rollenspiel-Input dar. Auf 312 großformatigen Seiten bekommt man Informationen vermittelt, die durchaus von hohem intellektuellen Anspruch sind, gerade, wenn man Vergleiche zu oft rein fantastischen Rollenspielen anstellt. Wer sich in diesem Band vertieft, bekommt eine große Menge von Wissen zu einer Zeit vermittelt, die einen weiten Raum in der menschlichen Geschichte eingenommen hat. Natürlich wurden viele Stellen "cthuluidisch" angepasst und modifiziert, der fiktive Kult wird mit realem Geschehen vermischt.
Das Buch ist in verschiedene Unterbereiche gegliedert. Als erstes beschäftigt man sich mit geschichtlichen Daten, die nach Frühmittelalter (die Jahre 600 bis 1050), Hochmittelalter (die Jahre 1050 bis 1250) und Spätmittelalter (die Jahre 1250 bis 1600) aufgeteilt sind. Dabei nimmt die Kirche einen großen Teil ein, zum Beispiel werden die jeweiligen Päpste aufgelistet. Außerdem gibt es einen Überblick über die unterschiedlichen Reiche, die es zu der Zeit gab, Zeitleisten oder Besonderheiten wie den "Schwarzen Tod". Den nächsten Bereich bilden die Kapitel, die das Leben im Mittelalter thematisieren. Sie tragen die klangvollen Namen "Unter dem weltlichen Okular", "Unter dem geistlichen Okular" und "Unter dem nicht-euklidischen Okular". Für den Cthulhu-Rollenspieler ist gerade letzteres besonders reizvoll, denn es enthält all die Informationen zu Magie und Alchemie, Kulten und Orten, die für das Spiel besonders wichtig sind und ihm erst zu seinem mythischen Sein verhelfen. Und erst jetzt folgt das letzte Drittel des Buches, das sich intensiv mit dem eigentlichen Rollenspiel beschäftigt. "Charaktere im Mittelalter" gibt einen ausführlichen Überblick darüber, wie man Spielfiguren anlegen sollte, die in diesem speziellen Setting authentisch wirken. Die Charaktereigenschaften wurden dementsprechend angepasst und es wurde ein besonderer Fokus auf Waffen und den Kampf gelegt, der zu der damaligen Zeit deutlich üblicher war und besser beherrscht wurde. Kleine Hinweise, wie zum Beispiel der, dass Frauen im Mittelalter weder viel zu sagen hatten, noch wichtige Berufe ausübten, und die passenden Tipps, wie man damit im Spiel am besten umgeht, runden das Kapitel ab. Natürlich findet sich am Ende des Bandes eine Charakterbogen-Vorlage zum Kopieren. Zum Abschluss gibt es zwei komplett fertige Abenteuer, mit denen man direkt in die raue Welt des Mittelalters eintauchen an. "Die Diener der Schlange" gibt einen entromantisierten Eindruck vom Wikingerleben und bietet eindrucksvolle Kampfszenen. Bei diesem Abenteuer sind die Charaktere fest vorgegeben. "Kinder der Dunkelheit" hat einen anderen Ansatz und entführt die noch ahnungslosen Spieler, die sich diesmal selbst einen Charakter erstellen können, auf eine Burg im Elsass, auf der sie eine spannende Interaktion mit gut ausgearbeiteten NSCs erwartet.
Schon beim ersten Durchblättern wird dem Leser eins klar: Das mittelalterliche Setting ist eins, das man nur dann authentisch spielen kann, wenn man sich im Vorhinein gründlich damit beschäftigt hat. Dafür bietet dieser Band jedoch das komplette "Rüstzeug". Wie viel man davon wirklich komplett gelesen haben muss und ob die Authentizität für das Spielvergnügen wirklich vordergründig relevant ist, mag jeder Interessierte selbst entscheiden, es scheint jedoch gerade der geschichtliche Teil deutlich so detailliert ausgearbeitet, dass man einen Großteil seines Inhalts im Spiel nicht mehr benötigen wird. Von Interesse sind jedoch die vielen, kleinen, eingeworfenen Hinweise, die zahlreiche Ideen für ein eigenes Spiel liefern. Irgendwo stößt man bei der Lektüre sicherlich auf etwas, dass sich eignet. Da sie sehr facettenreich ist, gibt es auch unterschiedliche Ansätze und es sollte für jeden Etwas dabei sein, aus dem er eigene cthuluide Abenteuer herausfiltern kann.
"Cthulhu Mittelalter – Die dunklen Jahre" lohnt sich ganz klar auch erst dann, wenn man genau das plant, denn um lediglich die beiden mitgelieferten Abenteuer zu spielen oder das Kapitel über die Charaktererschaffung zu lesen, ist es etwas zu hochpreisig und es wäre viel Potenzial verschenkt.