"Das Lied von Eis und Feuer" erhält eine neue Strophe; das lebensgefährliche Spiel um den Thron geht in die nächste Runde. Nach einigen Jahren Pause setzt George R. R. Martin die Geschichte der Kämpfe um den Eisernen Thron so fort, dass wir noch auf viele weitere Bände hoffen können. Es gibt kein schnelles Ende, keinen einfachen Sieg. Stattdessen tritt mit dem Sohn des Greifen ein neuer Thronanwärter auf den Plan, der bisher sorgsam versteckt wurde und sich gegen Ende des Buches aufmacht, Westeros zu erobern.

Im Zentrum dieses Buches steht aber nicht der titelgebende Sohn des Greifen, sondern zwei ebenso junge Menschen, die lernen, zu führen und zu regieren: Jon Schnee, der neue Lord Kommandant der Nachtwache an der Mauer und Daenerys Targaryen, die Drachenkönigin. Sie hat die Stadt Meeren in der Sklavenbucht erobert, um ihren Wunsch nach friedlicher Koexistenz und der Abschaffung der Sklaverei in einer Stadt umzusetzen, die vom Sklavenhandel gelebt hat und in einem ständigen Konflikt mit den Nachbarstädten steht. Diese Rivalität erhält neuen Zündstoff, weil die Sklaven in diesen Städten von der neuen Situation in Meeren erfahren und selbst frei sein wollen. In Meeren selbst wird die Opposition insbesondere der reichen Familien schnell handgreiflich und brutal: Eine Untergrundbewegung, die Söhne der Harpyie, ermordet Befreite und Soldaten ...

Die Stärke der Bücher von George R. R. Martin liegt gerade darin, dass seine Welt nicht - wie sonst oft in der Fantasy - schnell in Gut und Böse unterteilt wird. Statt Schwarz und Weiß stehen sich hier Grau und Grau gegenüber, Menschen mit Stärken und Schwächen. Allerdings scheinen im Buch oft jene besonders böse und grausam, die viel Macht haben. Ramsay Bolten zum Beispiel ist ein echtes Monster, ein sadistischer Mörder. Ein anderer Mörder hingegen, Tyrion Lannister, wirkt fast sympathisch. Er grübelt über sich und seine Taten, betätigt sich als Amateurpsychologe und bemüht sich trotz allem, seinem Leben Sinn und Ziel zu geben.

Die bedrohliche Situation an der Mauer im Norden und in Meeren wird von Martin nicht durch einen Bericht über bloße militärische Unternehmungen geschildert. Diese Situation bildet für den Roman nur Hintergrundkolorit für das Handeln von Personen. Jon und Daenerys lernen mühsam, wie eine solch bedrohliche Situation aus der Sicht von Verantwortlichen aussieht, wie beim Regieren persönliche Gefühle und politische Notwendigkeit in Konflikt miteinander geraten. Gute und schlechte Berater, echte und falsche Freunde mischen sich ein, die eigene Interessen verfolgen und nicht alle treu und selbstlos agieren.

Allen Fans von George R. R. Martin braucht das Buch nicht eigens empfohlen zu werden. Allen, die Fans werden wollen, ist die ganze Serie zu empfehlen. Das Einsteigen mit diesem Buch ist higegen nicht sinnvoll. Das Spiel um Macht und Throne ist nicht nur spannende und ungewohnte Fantasy, es ist zugleich sehr aktuelle politische Bildung. Viele der Möchtegernkönige und Mächtige in dieser Fantasy ähneln verdächtig Politikern der Zeitgeschichte. Welche dieser Politiker haben George R. R. Martin als Vorbild für seine Romanfiguren gedient? Wenn wir lesen, wie Jon und Daenerys ihre Ideale in ihrem Herrschaftsbereich umsetzen wollen und dabei Schwierigkeiten haben, lernen wir auch einiges über die Welt, in der wir leben. Allerdings hat diese Lernchance ihren Preis.

Für alle, die Action erwarten, ist das Buch ziemlich langatmig geschrieben. Wer für das Genre typische, mutige Helden erwartet, die unter großem Einsatz die Welt retten, wird das Buch ebenfalls enttäuscht aus der Hand legen. Der Schwerpunkt liegt auf psychologischen Charakterstudien; unter der Lupe sind die soziologischen Bedingungen von Herrschaft und Macht.

Eine Leseprobe findet man auf der Website des Verlages.