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 Filmtheorie zur Einführung


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Kino – das ist Unterhaltung, Spaß, ein Fest für die Sinne. Theorie – das ist Arbeit, Ernst, nüchternes Kopfzerbrechen. Verdirbt einem die Filmtheorie denn da nicht gleich den Spaß am Kino? Das ist eine Frage, die viele Filmwissenschaftsstudenten aus ihrem Bekanntenkreis kennen werden. Und die meisten werden sie – hoffentlich – verneinen können: Filmtheorie kann im Gegenteil den Spaß am Filmerleben noch erhöhen – jedenfalls dann, wenn sie nicht als trockenes Regelkorsett vermittelt wird, sondern als eine Art intellektuelle Schatzkiste, die Material liefert, um das eigene Nachdenken anzuregen. Genau in diesem Sinne gehen Thomas Elsaesser und Malte Hagener mit ihrer "Filmtheorie zur Einführung" vor.
Studenten der Film- und Medienwissenschaft sowie andere filmtheoretisch Interessierte finden hier einen Überblick über die wichtigsten theoretischen Auseinandersetzungen mit dem filmischen Medium, das bereits seit seinen Anfängen am Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder Anlass zu weitreichenden Reflexionen gegeben hat, auch wenn die die Filmwissenschaft seit erst seit den 1970er Jahre auf breiter Basis institutionalisiert worden ist. Die beiden Autoren, zwei der auch international renommiertesten deutschen Filmwissenschaftler, verfolgen mit ihrem Einführungsband jedoch den Anspruch, den zahlreichen diachronen Überblicksdarstellungen über die Entwicklung der Filmtheorie von den Anfängen bis heute nicht einfach eine weitere zur Seite zu stellen. Anstatt die diversen filmtheoretischen Ansätze etwa streng chronologisch oder nach geografischer Herkunft zu ordnen, wählen sie ein Aufbauprinzip, das durchlässiger ist, es zugleich aber dennoch nicht an Struktur mangeln lässt. Sie entwickeln ihren Überblick über die Filmtheorie anhand einer Leitfrage, die im Kern in ganz verschiedenen filmtheoretischen Schulen in unterschiedlichen Epochen immer wieder berührt wird: "Wie verhält sich der Film zum (Zuschauer-)Körper?"
Dieser Frage gehen die beiden Autoren in sieben Kapiteln nach, wobei sie jeweils ein unterschiedliches Verhältnis von Zuschauerkörper und Wahrnehmung fokussieren. Das erste Kapitel ("Fenster und Rahmen") beschäftigt sich mit der Konstruktion und Komposition des filmischen Bildes und macht gleich deutlich, wie eine Theoriegeschichte aufgebrochen werden kann zugunsten eines Zusammenbringens von Theoriegedanken aus unterschiedlichen zeitlichen und kulturellen Kontexten. Hier kommen mit Rudolf Arnheim und Sergej Eisenstein frühe filmtheoretische Überlegungen zur Sprache, mit André Bazins Theorie des filmischen Realismus und David Bordwells Gedanken zur Tiefenschärfe aber auch jüngere Überlegungen. Im zweiten Kapitel ("Tür und Leinwand") geht es um Fragen, die den Übergang von Film- und Zuschauerraum betreffen. Hier liegt ein Schwerpunkt auf narratologischen Überlegungen, die zum Beispiel den Filmanfang als Schwelle zur filmischen Welt betreffen. Das dritte Kapitel ("Spiegel und Gesicht") behandelt Spielformen der filmischen Selbstreferenzialität, wie sie das europäische Kunstkino der 1950er bis 1970er-Jahre besonders ostentativ inszenierte und die Theorien beispielsweise von Béla Balász, Christian Metz, Jean-Louis Baudry und Tom Gunning reflektierten. Im vierten Kapitel ("Auge und Blick") geht es um Blickstrukturen (sowohl innerfilmisch als auch um die zwischen Zuschauer und Film). Sie wurden meist unter Bezugnahme auf Jacques Lacans Psychoanalyse und Michel Foucaults Theorie des Panoptikums in den Blick genommen und bildeten das Zentrum feministischer Filmtheorie. Behandelt werden hier unter anderem die theoretischen Schriften Dziga Vertovs, Laura Mulveys und Slavoj Zizeks. Im fünften Kapitel ("Haut und Kontakt") geht es vor allem um phänomenologische Betrachtungen des Kinos als haptische und als leibliche Erfahrung (zum Beispiel durch Vivian Sobchak) sowie um die Darstellung des menschlichen Körpers im Film, wie sie insbesondere im Zentrum des Horror- und Actionkinos steht. Das fünfte Kapitel ("Ohr und Ton") widmet sich der akustischen Seite des Films und stellt mit den Konzepten Michel Chions den einflussreichsten Stichwortgeber einer Theorie des Filmtons vor. Im siebten Kapitel ("Geist und Gehirn") verfolgen Elsaesser und Hagener schließlich Theorien, denen der Gedanke zugrundeliegt, dass der menschliche Geist und der Film in Analogie zueinander funktionieren, dass der Film erst im Kopf des Zuschauers entsteht oder dass sich der Film umgekehrt direkt in den Kopf des Zuschauers einschreibt. Behandelt wird hier noch einmal ausführlicher Gilles Deleuzes Unterscheidung zwischen Zeit- und Bewegungsbild, außerdem kommen Theoretiker wie Annette Michelson und Torben Grodal zur Sprache.

Die große Stärke von Thomas Elsaessers und Malte Hageners Einführungsbuch ist es, dass es eher zum Denken anregt, als dass es 'fertige' Theorieresultate präsentiert. Es macht Lust, das Sehen von Filmen und das Nachdenken über Film auf das Fruchtbarste und Unterhaltsamste zu verschränken. Dabei hilft, dass jedes Kapitel mit einer kurzen Filmszene einsteigt, in der das im jeweiligen Kapitel behandelte Phänomene symptomatisch aufscheint: Hitchcocks Rear Window (dt. Das Fenster zum Hof, USA 1954), John Fords The Searchers (dt. Der schwarze Falke, USA 1956), Ingrid Bergmans Persona (SE 1965), Ridley Scotts Blade Runner (USA 1982), Paul Haggis' Crash (dt.: L.A. Crash, USA 2004), Anatole Litvaks Das Lied einer Nacht (D 1931) und Michel Gondry Eternal Sunshine of the Spotless Mind (dt.: Vergiss mein nicht!, USA 2002). Damit gelingt, anspruchsvollstes theoretisches Denken zum konkreten Filmerlebnis in Beziehung zu setzen und Film und Filmtheorie als einander gegenseitig befruchtende Diskursfelder zusammenzudenken. Mit der kleinen Einschränkung, dass ein gerade bei diesem Buch, in dem einzelne Theoretiker immer wieder in verschiedenen Kontexten genannt werden, sinnvolles Schlagwortverzeichnis leider fehlt, kann das Buch aus voller Überzeugung empfohlen werden. Ein besserer und inspirierenderer Einblick in das weite Feld der Filmtheorie ist in einem kleinen Band mit rund 250 Seiten nicht zu bekommen.

Silke Hettich



Softcover | Erschienen: 15. September 2011 | ISBN: 9783885066217 | Preis: 14,90 Euro | 250 Seiten | Sprache: Deutsch

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