Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Ton | |
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts:
Das Leben auf Londons Straßen ist rau und gefährlich, keiner weiß das besser als der siebzehnjährige Dodger, der schon lange auf sich allein gestellt ist. Zuerst ein Waisen-, nun ein Straßenjunge hat er gelernt sich durchzuschlagen; in der größten Not auch mit seinen Fäusten.
In einer Gewitternacht vernimmt er die schmerzerfüllten Schreie einer jungen Frau, die brutal von zwei Männern zusammengeschlagen wird. Beherzt greift er ein, verjagt die Gewalttäter und rettet dem Mädchen so das Leben. Doch damit ist die Sache längst nicht erledigt. Während Dodger die Halunken aufspüren und sie ihrer gerechten Strafe zuführen will, setzen die wahren Auftraggeber alles daran die Sache mit der Frau zu Ende zu führen. Ungewollt wird er auf seiner Suche wiederholt in Situationen verwickelt, die ihn in ganz London zum Helden avancieren lassen. Fatalerweise zieht er dadurch die Aufmerksamkeit auf sich und hat schon bald einen nebulösen Auftragsmörder auf den Fersen. Jetzt ist all seine Raffinesse gefragt, um nicht nur ihr, sondern auch sein eigenes Leben zu retten.
Im Gegensatz zu den oft vergnüglichen Scheibenweltromanen ist Terry Pratchetts "Dunkle Halunken" sehr düster - und das von Beginn an. Dabei handelt es sich um eine Geschichte mit historischem Hintergrund, in der Fiktion und Fakten sehr elegant verwoben sind. Sie erzählt von ganz normalen Helden, politischen Verwicklungen und finsteren Gestalten, schicksalhaften Leben und der Armut im alten London. Wunderbar ist, dass das Werk als ungekürzte Lesung mit einer Länge von knapp elfeinhalb Stunden vorliegt und dem Hörer somit keine interessanten oder amüsanten Textstellen vorenthalten werden. Als praktisch erweisen sich auch die kurzen Kapitel, die einen schnellen Wiedereinstieg gewährleisten.
Der Held dieser Handlung ist der Straßenjunge Dodger, der sein Leben durch das Toshen bestreitet. Das heißt, er steigt in die Kanalisation hinab, um Geld, Schmuck oder andere verwertbare Gegenstände zutage zu fördern, die andere verlieren. Zwar besitzt er kaum Bildung, verfügt aber über eine erhebliche Portion Cleverness, Charme und hat das Herz am rechten Fleck hat: Mutig greift er ein, als ein junges Mädchen - später Simplicity genannt - fast zu Tode geprügelt wird.
Ab hier nimmt sein Leben einen Verlauf, den er selbst nie für möglich gehalten hätte. Er wird mehrfach unfreiwillig zum Helden ernannt und kommt in Kontakt zu der besseren Gesellschaft, die ihm weitere Türen öffnet - doch bald sieht er sich falscher Mordanschuldigungen gegenüber, die erst der Anfang sind. Damit ist klar, dass nicht nur er Jagd auf Simplicitys Widersacher macht, sondern diese auch auf ihn. Und das auf einem ganz perfiden Weg.
Durch seinen guten Charakter und seine pfiffige Art muss man Dodger einfach gern haben. Aber er ist nur einer der vielen mannigfaltigen und lebendig dargestellten Figuren. Denn während des Abenteuers begegnet er sowohl fiktiven als auch verschiedenen damals realen Persönlichkeiten, unter anderem Sir Robert Peel, Angela Burdett-Coutts sowie Charles Dickens (als Mr. Charlie) und dessen Freund Henry Mayhew, die ebenfalls um Simplicitys Wohlergehen besorgt sind.
Durch Pratchetts detaillierte Beschreibungen und Stefan Kaminskis hingebungsvolle Lesung hat der Hörer förmlich das Gefühl zusammen mit Dodger die verschiedenen Menschen zu treffen und vor allem mit ihm durch Londons Straßen und die Kanalisation zu streifen. Man fühlt sich regelrecht ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Zugegebenermaßen gleitet die Geschichte hin und wieder in die Geschwätzigkeit ab, was aber nicht weiter schlimm ist, da diese so leidenschaftlich und bewegend erzählt wird, dass es einfach nur Spaß macht, weiter zuzuhören. Kaminski erweist sich mit seiner wandelbaren Stimme als genau die richtige Besetzung; er ist stellenweise so überzeugend, dass der Hörer glatt vergisst, dass es nur einen Sprecher gibt.
Osterwoldaudio liefert die zwei MP3-CDs in einem Digisleeve, das neben den Angaben zur Laufzeit, Originaltitel und Co., jeweils noch eine kurze Information über den Autor, Sprecher und einen aufgedruckten alten Stadtplan von London aus dem Jahr 1806 enthält.
Fazit: eine wirklich toll erzählte, lebendige Geschichte mit bedeutenden Charakteren, die durch Kaminskis tatkräftigen Einsatz optimal zur Geltung kommen. Besonders in dieser ungekürzten Fassung eine Empfehlung wert!
Eine Hörprobe, ein kurzes Interview mit Stefan Kaminski und weitere Informationen finden sich auf der Verlagsseite.