Als die Polizistin Monica Jansson im Jahr 2015 an einem Tatort einen skurrilen und recht unscheinbaren Apparat findet, ahnt sie nicht, dass sich mit dieser Erfindung der Lauf der Menschheit für immer verändern wird. Sie betätigt einen kleinen Schalter an dem handlichen Kästchen - und findet sich plötzlich in einer anderen Welt wieder, die eine exakte Kopie der Erde zu sein scheint und doch ganz anders, vor allem aber: von Menschen völlig unberührt. Es ist der "Wechseltag", der rund um den Erdball in die Geschichte eingehen wird. Überall auf der Welt beginnen die Menschen, mit Hilfe des "Wechslers", der sich leicht selbst herstellen lässt, in die Paralleluniversen rund um die Erde einzutreten. Da die vielen Erden alle nacheinander geschaltet zu sein scheinen und man sie schrittweise erkunden kann, immer eine nach der anderen, wird bald der Name "Die Lange Erde" geprägt. Rasch erkennen Geschäftstüchtige das Potential der neuen Welten und ihrer Schätze, Pioniere brechen in fremde, unbewohnte Gegenden auf und bauen sich dort eine neue Existenz auf, Abenteurer durchstreifen die Parallelerden auf der Suche nach Gefahren und Zerstreuung.
Während die meisten Menschen den Wechsler-Apparat benötigen, um den entscheidenden Schritt zu tun, und andere gar nicht wechseln können, gibt es auch Menschen, die natürliche Wechsler sind - unter ihnen Joshua Valienté. Er ist ein Wechsler mit besonderen Talenten und wird prompt von einer großen Firma angeworben, um die Lange Erde in einer großen Expedition zu erforschen. Gemeinsam mit Lobsang, dem Geist eines Tibeters, der nun in einer Maschine steckt, macht er sich auf den Weg, um das Geheimnis der Langen Erde zu erforschen - Millionen Welten von unserer entfernt ...
"Die Lange Erde", ein Gemeinschaftswerk von Terry Pratchett und Stephen Baxter, spielt mit der reizvollen Idee von unendlich vielen Paralleluniversen und schickt den Leser damit nicht nur in eine Welt, sondern in hunderte, tausende, ja Millionen davon. Die Umsetzung des erstaunlichen Themas ist großartig gelungen: Fast beiläufig erschaffen Pratchett und Baxter eine Wendung in der Geschichte der Menschheit, die alles verändert, die aber hier so voller guter Ideen und schlüssiger Entwicklungen beschrieben wird, dass alles völlig natürlich und logisch erscheint. Die Idee, dass die Menschen nur mithilfe einer kleinen, von einer Kartoffel mit Energie versorgten Apparatur in andere Welten gelangen können, ist wunderbar und erschreckend.
Was "Die Lange Erde" auf dem Cover allerdings nicht verrät: Es ist zwar ein Roman, aber eher ein langes "Was wäre wenn", ein Gedankenspiel, das viele Begebenheiten episodenhaft erzählt - und dies durchaus sehr spannend und faszinierend! -, das aber (noch) keine große zusammenhängende Handlung hat. Die entscheidenden Entwicklungen finden tatsächlich erst auf den letzten Seiten statt, bis das Abenteuer mit einem Cliffhanger endet. Zwar lernt der Leser rasch die beiden ungleichen Hauptfiguren Joshua und Lobsang kennen und diese beiden bestreiten mit ihrer Expedition ins Ungewisse auch die Rahmenhandlung des Buches. Ein Großteil der Geschichte besteht allerdings aus Gesprächen, aus Überlegungen zur Natur und Funktionsweise der Langen Erde; immer wieder tauchen Erlebnisse und Anekdoten um andere Menschen und ihren Umgang mit der neuen Situation auf und bringen so völlig neue Aspekte ins Spiel. Am Ende läuft alles gekonnt zusammen, wenn man von einem Ende sprechen kann, denn - und auch dies verrät der Klappentext nicht: "Die Lange Erde" ist nur der erste Teil einer Reihe und in keiner Weise in sich abgeschlossen. Wer das nicht weiß, wird vom raschen Ende eventuell enttäuscht sein, denn die 398 Seiten lesen sich zwar flüssig und meist auch richtig packend, aber sie wirken eher wie ein Vorgeplänkel auf das, was noch kommen mag.
"Die Lange Erde" ist ein spannendes und sehr gut erdachtes "Was wäre, wenn ..?" mit einer Vielzahl toller Ideen und skurriler Einfälle. Der Romancharakter, den die meisten Leser von Terry Pratchett erwarten, wird wahrscheinlich erst im Nachfolgeband deutlicher werden. Dass dieses Buch erst der Auftakt der Geschichte ist, hätte ruhig auf dem Umschlag deutlich gemacht werden können. Ein guter Roman, aber der Leser sollte wissen, worauf er sich einlässt und keine Geschichte im Stil der Scheibenwelt erwarten.
Eine Leseprobe gibt es hier auf der Verlags-Website: "Die Lange Erde" Stephen Baxter und Terry Pratchett über "Die Lange Erde" (auf Englisch):