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Unheimlich, grauenerregend, morbid: Bei seinen Fans gilt Edgar Allan Poe (1809-1849) nach wie vor als Meister des Schreckens. Seine Geschichten, egal, ob Kriminal-, Horrorliteratur oder Science-Fiction, sind unvergängliche Klassiker. So ist es nicht verwunderlich, dass diese wiederholt in immer neuen Auflagen, bei immer neuen Verlagen publiziert werden.
Ein besonderes Geschenk wird dem Leser mit "Unheimliche Geschichten" von dem
Verlagshaus Jacoby & Stuart gemacht. Schließlich sind in diesem Werk sieben düstere, größtenteils bekannte Erzählungen des US-amerikanischen Schriftstellers mit den fantastisch-bedrückenden Bildnissen des namhaften französischen Autors und Illustrators Benjamin Lacombe vereint.
Folgende Erzählungen sind enthalten:
- Berenice
- Der schwarze Kater
- Das Eiland und die Fee
- Das verräterische Herz
- Der Fall des Hauses Ascher
- Das ovale Porträt
- Morella
Überwältigend! - ist der erste Gedanke, wenn man das Buch in Händen hält. Schon die äußere Gestaltung von "Unheimliche Geschichten" begeistert: ein stabiles und doch samtartiges Hardcover in Schwarz, geziert mit einer ansehnlich-stimmigen Spotlackierung in der Mitte, Ornamenten und vielen kleinen Poe- und Totenschädelprägungen auf der restlichen Fläche. Das Innere präsentiert sich nicht weniger künstlerisch oder stilvoll. Stets im Wechsel sind je eine Geschichte auf weißem und eine auf schwarzem Papier gedruckt, was die schaurig-bedrückende Stimmung unterstützt und zudem wirklich toll aussieht. Damit das auch so bleibt, ist Vorsicht angebracht: Gerade die schwarzen, glänzenden Seiten sind sehr anfällig für Fingerabdrücke. Hier gilt, kleine Schätze müssen behutsam behandelt werden.
Ganz besonders stechen natürlich Benjamin Lacombes fantastische Illustrationen ins Auge, denn diese repräsentieren Edgar Allan Poes finstere, morbide Erzählungen von Krankheit, Wahnsinn, Verfall (körperlich oder moralisch) und Tod perfekt. Zu sehen sind vor allem die bemitleidenswerten Charaktere, die entweder selbst dem Wahnsinn anheimfallen oder Zeuge jenes Unglücks werden und deren Schicksal meist kein gutes Ende nimmt. Genauso schmächtig, kränklich und deprimierend sind sie von Lacombe in kunstvollen Schwarz-Weiß-Zeichnungen oder kolorierten Bildnissen verkörpert, in denen die Farben Schwarz und Rot vorherrschen. Dunkle Schattierungen und unheimliche Szenerien erzeugen zusammen eine melancholisch stimmende Atmosphäre.
Übersetzt wurden die verschiedenen Erzählungen von Arno Schmidt (1914-1979) und Hans Wollschläger (1935-2007), die die Übersetzung von Poes Werken zu einem gemeinsamen Projekt machten und zwischen denen zu Lebzeiten auch ein Lehrer-Schüler-Verhältnis bestand. Damit entstammen die Fassungen einer Ära und weisen keine allzu großen Stilbrüche auf.
Da diese schaurigen (Kurz-)Geschichten aus dem (frühen) 19. Jahrhundert stammen und diesen generell eine anspruchsvollere Sprache zugrunde liegt, sollte die Lektüre konzentriert gelesen werden. Jedoch wird die Lesbarkeit der Texte durch viele Zwischensätze, -bemerkungen und Wortneuschöpfungen zusätzlich verkompliziert. Störend fällt vor allem in den von Schmidt bearbeiteten Texten auf, dass übermäßig oft das Wort "und" durch das "&"-Zeichen ersetzt wird. Zudem finden sich immer wieder (abgeschrägte) "=" vor einigen Wörtern oder als Verbindung dazwischen, was anfangs irritiert und den Lesefluss gelegentlich unterbricht.
Vielleicht wäre hier sogar der Originaltext besser gewesen, denn durch diese Schriften werden sich wohl nur wirkliche Liebhaber Poes durchbeißen. Zwar lässt sich darüber streiten, dennoch gilt es als unschön, Namen zu übersetzen - was beispielsweise im Falle von "Der Fall des Hauses Ascher" (im Englischen "Usher") gar nicht nötig gewesen wäre.
Das alles zusammengenommen wirft leider einen Schatten auf das ansonsten so außergewöhnlich tolle Werk.
Neben dem Inhaltsverzeichnis und den Geschichten gibt es einen Anhang, in dem sich "Glossar & Fussnoten" [sic] (enthalten nützliche Ergänzungen) sowie "Biographien & Bibliographien" [sic] von Edgar Allan Poe und Benjamin Lacombe befinden.
Insgesamt ist eine gute Auswahl an fantastischen Geschichten des Meisters getroffen worden, die aber leider durch die mitunter verkomplizierende Übersetzung getrübt wird. Nichtsdestotrotz machen auch hier Lacombes herrlich-düstere Illustrationen und die liebevolle Aufmachung des gesamten Werkes eben jene wett und sorgen für eine gute Bewertung.