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 Stockholm Ost


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Bildqualität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Es ist ein ganz normaler Morgen, als Johan (Mikael Persbrandt, "In einer besseren Welt") sich auf den Weg zur Arbeit macht - und die kleine Tove überfährt, die kurz darauf ihren Verletzungen erliegt. Rechtlich kann man Johan nichts vorwerfen, weder zu schelles Fahren noch Missachtung anderer Verkehrsregeln oder Alkohol, nicht einmal nennenswerte Unachtsamkeit, kam Tove doch viel zu schnell von seitlich auf die Straße geradelt, als daß Johan auch nur die Chance gehabt hätte, rechtzeitig reagieren zu können.

Vor Gericht wird er deshalb freigesprochen, aber an seinen Schuldgefühlen und seiner Verzweiflung kann dieser Freispruch nichts ändern, genausowenig wie der Zuspruch seiner Freunde und seiner Lebensgefährtin.

Ein Jahr später begegnen Johan und Toves Mutter Anna, die bei der Gerichtsverhandlung seinerzeit nicht anwesend war und Johan deshalb nicht erkennt, einander zufällig auf dem titelgebenden Bahhof Stockholm Ost.

Aber während Johan eine unverhoffte Chance gekommen sieht, sich mit Anna auszusprechen und ihr möglicherweise irgendwie zu "helfen", erzählt diese ihm zu seinem Erstaunen von ihrer Tochter, als sei sie noch am Leben und sucht von sich aus immer wieder den Kontakt zu dem einfühlsamen Fremden, mit dem sie endlich einmal wieder über ihre Tochter sprechen kann, während ihr Mann am liebsten endlich mit dem Thema abschließen und nach vorne sehen möchte. Ganz leise entspinnt sich so zunächst eine Freundschaft und dann eine zaghafte Romanze, aus der schließlich Liebe wird, eine Liebe freilich, die unter diesen Voraussetzungen auf sehr tönernen Füßen steht...

Es heißt, man kann über alles hinweg kommen... Ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt.


Dieser Satz, vom Hauptprotagonisten und Erzähler aus dem Off gesprochen, hält die im Film "Stockholm Ost" erzählte Geschichte wie eine Klammer zusammen und lässt bereits ahnen, worum es in Simon Kaijser Da Silvas Langfilmdebut geht, nämlich um Wunden, die die Zeit nicht so einfach heilt und die sich wie ein Schatten nicht nur auf das Leben der Betroffenen, sondern auch auf das ihres gesamen Umfeldes legen können.

Geschichten, in denen "Verursacher" und "Opfer" eines Unglückes Beziehugen mit einem natürlich immensen psychologischen Konfliktpotential aufbauen, sind nicht neu;
zuallererst dürfte einem dabei Inarritus mit diversen Preisen ausgezeichnetes Drama "21 Gramm" einfallen.
Dennoch erzählt "Stockholm Ost" eine ganz eigene, tief bewegende Geschichte, die vor allem von ihren beiden herausragenden Hauptdarstellern lebt.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Skandinavier so scheinbar mühelos schaffen, womit sich Hollywood mit mehr Aufwand und einem größeren Budget regelmäßig schwer tut, nämlich wahrhaftige, glaubwürdige und wirklich ins Herz treffende Geschichten zu erzählen, bei denen man von Anfang an in die Geschichte eintauchen und mit den Figuren mitleben kann.

Auch das Drehbuch, das die Geschichte sehr sensibel und ohne jegliche Effekthascherei erzählt, ist rundum gelungen und zeichnet sämtliche Figuren absolut lebensecht, sowohl die beiden Liebenden, denen ihre zarte Romanze jeden Moment durch die Wahrheit, die irgendwann natürlich immer ans Licht kommen muss, vor die Füße zu fallen droht, als auch Johans Lebensgefährtin und Annas Mann, die zwar beide ihre Partner lieben und lange Zeit versuchen, sie nach dem erlebten Schicksalsschlag wieder aufzurichten, aber irgendwann doch daran verzweifeln, daß der Partner an ihrer Seite es einfach nicht schafft, endlich wieder nach vorne zu sehen.
Das einzige, was man dem Film eventuell vorwerfen könnte, ist, daß er zum Ende hin doch ein wenig nach dem Massengeschmack zu schielen scheint, aber dies wäre ein erstens allzu strenges und zweitens auch etwas vorschnelles Urteil, denn als "glatt" kann man das Ende ganz und gar nicht bezeichen, eher als sehr subtilen Spagat zwischen Zweifel und Hoffnung.

Kann man wirklich über alles hinwegkommen? Wer weiß. Aber auf jeden Fall kann und sollte man es versuchen, dies ist die Botschaft, mit der diese wunderbare kleine Perle des europäischen Filmes den Zuschauer entlässt.

Fazit: Eine ungewöhnliche Geschichte um Schuld, Liebe, Trauer und Abschied, aber auch Hoffnung und Neuanfang, hervorragend gespielt und sehr sensibel aufbereitet - absolut sehenswert.

Natalie Lang



DVD | Disc-Anzahl: 1 | Erschienen: 23. November 2012 | FSK: 12 | Laufzeit: 91 Minuten | Preis: 7,90 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Schwedisch (Dolby Digital 5.1), Deutsch (Dolby Digital 5.1)

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