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"Übers Zugfahren kann man so einiges erzählen." So beginnt eine der fünfzehn Geschichten, welche in dem vorliegenden Band "Am Zug" versammelt sind. Und es ist richtig, die Geschichten des Bandes beschreiben die vielfältigsten Episoden und Eindrücke, welche das Zugreisen zu bieten hat. Mal komfortabel – mal beschwerlich, mal nervig – mal schwelgend: Kaum eine Fahrt ist wie die andere und das zeigen die verschiedensten Texte des Bandes, in dem neben Originalbeiträgen auch Auszüge aus den Romanen so namhafter Autoren wie Daniel Kehlmann oder Ilja Trojanow versammelt sind.
Eben, denkt sie, bummelvoll. Jedes Abteil besetzt. Und außerdem ist das schon wieder einer von den alten, dreckigen, halb kaputten Zügen. Kein Wunder, dass er Verspätung hat.
Der Untertitel des Bandes "Geschichten übers Bahnfahren" führt ein wenig in die Irre. Nicht jeder der fünfzehn Beiträge hat eine wirkliche "Geschichte" parat. Denn wer abgeschlossene Erzählungen oder klassische Kurzgeschichten erwartet, der wird enttäuscht sein. Vielmehr lassen die Autoren in einer Art "stream of consciousness" ihre Gedanken fließen und lenken so den Blick gleichermaßen auf alltägliche und besondere Begebenheiten, welche Zugreisenden widerfahren können. Nicht selten findet sich dabei so manche Absurdität wie die finnische Erbsensuppe, welche in einem österreichischen (!) Intercity kredenzt werden kann.
Die mitunter feuilletonartigen Abhandlungen bieten ein buntes Sammelsurium an Eindrücken, die einem als Bahnreisenden halt so begegnen. Bisweilen gleitet dies ins Belanglose ab, an anderen Stellen bieten sich aber auch atmosphärisch dichte Beobachtungen, bei denen sich der Leser geradezu auf der Reise wähnt. Ein zentrales Motiv, das immer wieder aufscheint, ist, dass sich eine Zugreise eignet Grenzen zu überwinden wie in "Mein Leben in vollen Zügen und die Wandlung der Grenze", in welcher die Ich-Erzählerin ihre Gedanken rund um die persönliche Überwindung des Eisernen Vorhangs via Bahn schweifen lässt.
Hinzu kommen unzählige Menschen, welche den Bahnreisenden in den einzelnen Texten begegnen. So entfalten sich auf der Fahrt ganz unterschiedliche kurze Episoden, in denen es mal um den dezenten Beginn einer Liebesgeschichte und ein andermal um das tragische Ende eines Bahnhofsbekannten geht. Als Setting dienen häufig deutsche oder österreichische Bahnhöfe und Bahnstrecken, was nicht verwunderlich ist: Schließlich wurde die Publikation von der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) unterstützt. Vor allem der Text "Der Himmel über Kapiri Moshi" von Ilja Trojanow fällt da aus der Reihe. Denn als Handlungsort dient hier ein Bahnhof im Norden Sambias, der so gar nicht ins Gesamtbild des Bandes passt.
Um nachts die Passagiere in den Liege- und Schlafwägen nicht zu beunruhigen und zu stören, schaltet man mancherorts sogar die Bahnhofslautsprecher aus oder leise ... So kann Bahnfahren zu einem wahren, ja himmlischen Vergnügen werden, schöner als Fliegen.
Ob mehr oder weniger poetisch – allen Texten gemein ist eine gewisse Offenheit, so dass der Leser immer wieder auf Leerstellen oder rätselhafte Aussagen trifft, die ihn zum Nachdenken anregen. Mitunter kommt dies auch dadurch zustande, dass sich in dem schmalen Band Ausschnitte aus längeren Erzählwerken – beispielsweise aus "Ich und Kaminski" von Daniel Kehlmann - befinden.
Fazit: Dem Gelegenheitsleser werden die vorliegenden "Geschichten" - was sie wie oben beschrieben selten sind – zu verkopft erscheinen. Liebhaber postmoderner Literatur oder passionierte Feuilletonleser werden die kurzen Texte dagegen als geistreiche Ausflüge in die Welt der Zugreisenden empfinden.
Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags.