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 Ein Hauch von Lippenstift für die Würde

Weiblichkeit in Zeiten großer Not


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Kaum eine Frau, die sich morgens vor dem Verlassen des Hauses nicht mehr oder weniger sorgfältig zurechtmacht – Kleidung und Frisur müssen sitzen, und für viele gehören auch Make-up und Parfüm unabdingbar dazu.
Man sollte meinen, dass diese Ansprüche an die äußere Erscheinung zurücktreten, sobald Frauen in Not und Gefahr geraten. Doch Henriette Schroeders im Verlag Elisabeth Sandmann erschienenes Buch "Ein Hauch von Lippenstift für die Würde" zeigt eine gegenteilige Tendenz auf: Gerade wenn den Frauen so gut wie nichts mehr an materiellen Gütern bleibt, wenn sie gedemütigt, bedroht und gequält werden, versuchen sie ihr Möglichstes, um gepflegt auszusehen.

Die Autorin hat Interviews mit betroffenen Frauen geführt: Überlebende der Hölle in Sarajewo, eine Algerierin, die sich weigerte, ihre weibliche Identität zu verbergen, eine Zeitzeugin des Tschetschenienkrieges und viele andere. Doch auch andere Frauen berichten – eine von ihnen betreut Flüchtlinge in Lagern, eine andere beschreibt, wie afro-amerikanische Unternehmerinnen Kosmetika für ebenfalls schwarze Kundinnen herzustellen begannen und einen fulminanten Erfolg erzielten. Es gibt ein Interview, das sich mit dem Aufkommen von Modeschmuck aus verfügbaren Materialien während des Zweiten Weltkriegs befasst. Eine Frau, die als Soldatin in der Sowjetunion diente, kommt ebenso zu Wort wie eine Stasi-Gefangene. Es würde zu weit führen, alle Beiträge einzeln zu erwähnen.

Hunger leidende Frauen sparen sich etwas Margarine vom Mund ab, um ihre Gesichtshaut damit zu pflegen. Andere, die das Grauen des Bürgerkriegs in Sarajewo aushalten müssen, gehen täglich fein gekleidet zur Arbeit und fühlen sich herabgewürdigt, wenn Mitarbeiterinnen von internationalen Hilfsorganisationen sie sehr leger und simpel gekleidet besuchen. Zu den erniedrigendsten Maßnahmen in Gefängnissen und Lagern gehört es, den weiblichen Insassen jegliche Art von Spiegeln zu verwehren.
Erfahrungen wie diese werden in Henriette Schroeders Buch geschildert: so eindringlich wie sensibel, ohne Bitterkeit, dafür umso tiefer berührend, zumal für weibliche Leser. Denn diese kennen das ungute Gefühl zumindest flüchtig, das mit fehlenden Möglichkeiten zur Hygiene und zum "Zurechtmachen" einhergeht. Alle Beiträge zeigen auf, wie ein wenigstens rudimentär vorhandenes Gefühl, gut auszusehen, Frauen daran hindert, an ihrem Schicksal zu zerbrechen. Tatsächlich erweist sich der Lippenstift als ein Utensil mit geradezu symbolhafter Bedeutung, kaum weniger zählt freilich die Möglichkeit zum Friseurbesuch im Kriegsgebiet oder das Vorhandensein ordentlicher, sauberer, möglichst modischer Kleidung. Eine gebürtige Chinesin erzählt, wie wichtig und gefährlich es in Maos China war, sich durch kleine bunte Accessoires ein wenig von der uniformierten Masse abzuheben.
Zahlreiche anrührende und informative Fotos begleiten die Texte. Von Rührseligkeit ist das Buch indes weit entfernt. Etliche Aussagen und Erfahrungen mögen schockieren, doch alle Beiträge bleiben sachlich.

Wie auch die anderen Bücher aus dem Verlag ist dieses hochwertig aufgemacht und verarbeitet und somit in jeder Hinsicht eine Quelle für außergewöhnlichen Lesegenuss, der Frauen – und durchaus auch Männern – kostbare Einblicke in das Wesen des Weiblichen unter verstörenden Umständen bietet.

Ein Blick ins Buch wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 24. September 2014 | ISBN: 9783938045916 | Preis: 24,95 Euro | 304 Seiten | Sprache: Deutsch

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