Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Spannung | |
Wieder klopft jemand an die Tür des Hauses vom Monstrumologen Pellinore Warthrope und wieder ist es Will Henry, sein junger Assistent, der öffnet. Ein ihm fremder Mann bietet dem Erforscher des Unbekannten das Ei einer längst ausgestorben geglaubten Spezies an. Das letzte seiner Art. Allerdings wird der Argwohn Warthropes geweckt, weil er die Ware nicht prüfen darf. Außerdem ist der Preis trotz seiner Höhe eigentlich viel zu niedrig für etwas, was unbezahlbar sein sollte. Wutentbrannt verweist er den Anbieter des Hauses, doch Will Henry weiß, wie sehr der Doktor nach diesem Ding giert, und gibt die Angelegenheit noch nicht auf.
Es beginnt eine Suche, ein Versteckspiel, eine Jagd um dieses wertvollste Ding, was sich ein Monstrumologe nur denken kann. Wie kann er es bekommen? Wie behalten?
In der letzten Geschichte um den titelgebenden Monstrumologen scheint es sich auf den ersten Blick wieder um eines der Ungeheuer zu drehen, auf dessen Suche der Leser Will Henry und Pellinore Warthrope bereits dreimal begleiten durfte, allerdings entwickelt sich die Geschichte ganz anders als erwartet. Es steht kein geheimnisvolles und gefährliches Monster im Mittelpunkt, das die Menschen bedroht und doch sind es die Monstren, die aus jeder Zeile dieses Buches quillen. Sie wohnen in den Menschen, sie machen sie zu dem, was sie sind.
Will Henry ist drei Jahre älter als im vorangegangenen Roman und als sechzehnjähriger nicht mehr bereit, seinem Herrn ohne Weiteres zu folgen. Er beginnt Fragen zu stellen, und das Gehörte zu hinterfragen. Er beginnt, sich sein eigenes Bild zu machen und die Welt nicht nur durch seine eigenen Augen zu sehen, sondern auch selbst nach dem, was er für angemessen hält, zu handeln. Und er verliebt sich.
Da die Geschichte aus seiner Sicht erzählt wird, ist schnell klar, dass das Gefühlschaos, das in Will Henry wütet, nie stärker war als hier und es am Ende zu einer wahren "Emotions-Explosion" kommen muss. Genau genommen ist der gesamte Roman diese Detonation, die der Autor Rick Yancey seinen Lesern hier um die Ohren fliegen lässt.
Die Geschichte ist an einigen Stellen wirr und verwirrend, gerade wenn es dem Ende zugeht, aber das passt ganz prima zu der Stimmung, die der gesamte Roman vermittelt und ist durchaus stimmig. Einige Leser und Fans der bisherigen Monstrumologen-Bücher werden sich Wunsch-Enden für die Geschichte erdacht haben, aber das, was sie hier geboten bekommen, hat mit Sicherheit niemand erwartet. Für einige mag das enttäuschend sein, andere bezeichnen es als Geniestreich. Und auch, wenn wahrlich nicht alle Fragen beantwortet werden und jedes Rätsel aufgelöst wird, so ist es doch gelungener, wenn ein Autor seine Serie in einer völlig unerwarteten und überraschenden Weise abschließt, als gar nicht. Und dieses Ende ist auf jeden Fall ein stimmiges und passt zu der düster-gewalttätigen Stimmung, die bisher ausgebaut wurde.
Für Kinder sind die Romane keinesfalls geeignet, nicht nur wegen einiger blutiger Szenen, sondern weil sie schlicht emotional zu anspruchsvoll sind. In "Das Drachenei" geht es um "das Monster im Menschen", um tiefe, seelische Abgründe. Die sind tiefgründig und vielschichtig ausgelotet worden, der Leser wird nicht geschont und in seinem Verständnis für die Protagonisten und ihre Handlungen gefordert.
Die Geschichte um Pellinore Warthrope und Will Henry endet in einem großen Seufzer und lässt den Leser mit vielen wirren Gedanken und Fragen zurück. Daran wird so mancher noch eine Weile zu knabbern haben. Und das sind doch oft die besten Bücher: Die, die einen noch lange beschäftigen und zum Nachdenken anregen.
Auf der Webseite des Lübbe Verlags gibt es eine Leseprobe.