Cassie hat nur noch eine Hoffnung, sie will Evan wiedersehen. Er hat sich für sie geopfert, für eine lebensrettende Explosion gesorgt, als nichts anderes mehr möglich war, um Cassie und ihren Bruder Sam zu retten. Doch sie hat nie gewollt, dass dabei Evan selbst in Gefahr gerät oder gar getötet wird. Jetzt klammert sie sich an die Hoffnung, dass er sein Versprechen halten wird, dass er ihr gegeben hat. Sie hofft, dass er sich irgendwie retten konnte und sie finden wird, egal wie unwahrscheinlich das ist. Das wirklich Schlimme ist nur, wie viel Misstrauen ihre Gefährten ihr entgegenbringen und dass sie sie in Gefahr bringt, wenn sie noch länger warten will. Aber was soll sie denn sonst tun?
Ben hat da einen deutlich besseren Plan, denn ihm ist klar, dass er, Cassie, Sam und ihre Truppe von geflüchteten Kindern nicht lange wird Widerstand leisten können, wenn sie von den Außerirdischen gefunden werden, die die Erde belagern. Das Einzige, was sie wirklich können und wofür er weiterhin kämpfen will, ist das reine Überleben. Ringer soll die Höhlen auskundschaften, die nicht allzu weit entfernt sind und die ihnen ein wenig Sicherheit und Schutz für den Winter bieten sollen. Aber er kann sich nicht sicher sein, dass sie die Höhlen überhaupt erreichen, denn Cassie weigert sich zu gehen, Ringer lässt auf sich warten und nun ist auch noch Teacup verschwunden. Immerhin scheinen sie noch nicht gefunden worden zu sein. Bis jetzt. Bis zu diesem Moment, wo sich ein Fremder in dem Haus aufhält, in das sie sich zurückgezogen haben. Und wer sonst kann wissen, wo die Truppe zu finden ist, als der Feind?
Die Geschichte aus "Die 5. Welle" setzt sich in "Das unendliche Meer" nahtlos fort. (Hinweis: Alle interessierten Leser sollten unbedingt mit dem ersten Band beginnen, da die Handlung ansonsten nicht verständlich ist.) Rick Yancey hat ein düsteres, dystopisches "Aliens zerstören die Menschheit"-Setting geschaffen, das aus sich heraus bereits absolut erschreckend ist, den Leser aber auf ganz besondere Weise packt, weil die Protagonisten Kinder sind. Der zweite Band, der als Trilogie geplanten Serie, hat etwas weniger Seiten als der erste und leider auch die Schwächen eines typisch mittleren Teils. Gerade die erste Hälfte liest sich zwar wieder äußerst spannend, allerdings weiß der Leser inzwischen, wie sich das Setting aufbaut. Es entwickelt sich (noch) nicht weiter und Yancey legt den Fokus klar auf das Gefühlsleben der einzelnen Figuren. Dabei überspannt er den Bogen für den Leser, der neugierig auf den Fortgang der eigentlichen Handlung um den Kampf gegen die unbekannte Bedrohung kreist, ein wenig zu sehr. In der zweiten Hälfte macht er diese Schwäche aber wett. Denn ein anderes Mitglied der Widerstandsgruppe wird in den Mittelpunkt gestellt und muss sich mit neuen Herausforderungen auseinandersetzen. Jetzt werden nicht nur einige der Fragen geklärt, die sich besonders aufmerksame Leser vielleicht schon gestellt haben, auch die Geschichte entwickelt sich in eine unerwartete Richtung. Das Ende ist offen und Yanceys Charaktere sind deutlich auf dem Weg zu einem fulminanten Finale.
Wer empfindlich auf Gewalt reagiert, gerade, wenn sie unter oder an Kindern stattfindet, sollte sich gut überlegen, ob er das Buch lesen möchte, denn hier wird brutal und schonungslos gekämpft, verletzt und getötet. Wenn selbst ein Autor in seiner Danksagung betont, wie sehr ihn einige Tode berührt haben, geht es hart zur Sache. Hier geht es um nichts weniger als den verzweifelten Kampf einiger weniger Überlebender in einem nahezu aussichtslosen Kampf. Dass es dabei um Außerirdische geht, scheint zweitrangig, denn die Brutalität ist durchaus menschlich.
Als etwas schwächerer, zweiter Band bleibt "Das unendliche Meer" zwar ein wenig hinter dem Eröffnungsroman "Die 5. Welle zurück", ist aber genauso eindringlich und spannend. Aber wer die gesamte Geschichte kennen und wissen will, wie es mit Cassie, Evan und Ben weitergeht, wird sowieso nicht drum herum kommen, ihn zu lesen.