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Der legendäre "Wechseltag", der die Welt für alle Zeiten veränderte, liegt mittlerweile 25 Jahre zurück. Zehn Jahre sind vergangen, seit Joshua Valienté, ein natürlicher Wechsler, gemeinsam mit der geheimnisvollen künstlichen Intelligenz Lobsang die Lange Erde in einem Luftschiff erkundete. Inzwischen hat Joshua sich in einem Pionierstädtchen namens "Weiß-der-Kuckuck-wo" niedergelassen, geheiratet und einen Sohn bekommen. Seine Frau ist niemand anderes als Sally Green, jenes Mädchen, das damals mit ihrer Familie nach Westen aufbrach und ihren Bruder Rod, der nicht wechseln konnte, zurückließ. Das Leben, das die kleine Familie führt, ist geruhsam und beschaulich; die Pioniere, die mehr als eine Million Schritte von der Datum-Erde entfernt eine neue Existenz aufgebaut haben, sind zufrieden. Doch nun häufen sich überall auf der Langen Erde Spannungen und seltsame Vorkommnisse. Der US-amerikanischen Regierung auf der Datum-Erde sind all jene, die ihre Heimat verlassen und sich einer neuen Nation zugewandt haben, ein Dorn im Auge. Außerdem verschwinden überall die Trolle, jene so sanften wie rätselhaften Wesen, die die Lange Erde bevölkern. Gegen den Willen seiner Frau und ausgerechnet an der Seite von Sally Linsay lässt Joshua sich überreden, erneut in ein großes Abenteuer aufzubrechen ...
"Der Lange Krieg" ist der zweite Teil der Sci-Fi-Reihe von Terry Pratchett und Stephen Baxter, der sich um die "Lange Erde" dreht. Man liest diesen Roman schon deshalb mit einem lachenden und einem weinenden Auge, weil zwischenzeitlich der großartige Terry Pratchett an den Folgen seiner Alzheimer-Erkrankung gestorben ist. Allein aus diesem Grund werden viele Fans einen Blick in die Serie riskieren, um noch einmal an einem Pratchett-Werk teilzuhaben. Dennoch muss leider gesagt werden, dass die Fortsetzung enttäuschend und zäh geraten ist. Schon der Auftaktband "
Die Lange Erde" blieb in manchen Punkten leicht hinter den Erwartungen zurück, konnte aber durch die großartige Grundidee und ihre detaillierte Ausarbeitung überzeugen. In "Der Lange Krieg" nun hat sich offenbar jene Stimmung etwas zu breitgemacht, die die Pioniere der Langen Erde, die sich erfolgreich eine neue Existenz aufgebaut haben, schätzen: Beschaulichkeit, Entschleunigung und eine gewisse zuverlässige Langeweile.
Das Konzept der Langen Erde ist nach wie vor unbestritten genial und birgt ein unglaubliches Potenzial. Die zahllosen Parallelwelten, die nicht-menschlichen intelligenten Bewohner wie Trolle, Kobolde und Beagle, die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Konflikte der Langen Erde bieten Stoff für unendliche Abenteuer und kluge Was-wäre-wenn-Gedankenspiele. Aber Pratchett und Baxter nutzen dieses Potenzial leider nicht aus. "Der Lange Krieg" hat kaum einen erkennbaren roten Faden; der Leser folgt erneut schlaglichtartig verschiedenen Charakteren, viele davon aus Teil 1 bekannt, auf ihren unterschiedlichen Missionen durch die Parallelwelten der Langen Erde. Doch das Buch vertieft nirgendwo die Möglichkeiten, bleibt einfach nie lange genug am Ball, um den Leser wirklich zu fesseln. Die Figuren wirken selbst recht distanziert und lustlos; sie machen oft den Eindruck, als würden sie lieber ihr Leben in der Kopie eines geruhsamen Mississippi-Tales im 19. Jahrhundert weiterleben, als auf große Fahrt zu gehen.
Vor allem Joshua Valienté, schon immer menschenscheu und nicht an Aufregung oder Ruhm interessiert, ist ein erstaunlich lascher Protagonist, bei der es schwer fällt, tiefgehende Sympathien aufzubauen. Auch die Erzählstränge, die sich nicht um ihn drehen, sind teils nur mäßig fesselnd - oder aber, falls sie es doch sind, werden sie abrupt und unbefriedigend beendet, ohne dass die Geschichte entscheidend vorangetrieben wird.
"Der Lange Krieg" kommt einfach nicht in Fahrt, wenn auch das wunderbare Konzept der Langen Erde weiter mit ausgeklügelten Details und spannenden Gedankenspielen versehen wird. Ein durchgängiger Plot mit steigender Spannung wäre hier vermutlich wichtiger gewesen. Die Frage ist, ob der dritte Band "Der Lange Mars", der im Oktober 2015 auf Deutsch erscheint, das Ruder wieder herumreißen und der Geschichte neuen Antrieb verleihen wird. Im englischen Original ist die Reihe schon weiter - hier soll im Juni 2015 bereits Band 4 "The Long Utopia" veröffentlicht werden.
Zur Leseprobe auf der Verlags-Website: Der Lange Krieg