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London im Dezember 1889: Ein schief gelaufener Gefangenentransport endet mit dem Tod eines Scotland-Yard-Ermittlers und der Flucht zweier gefährlicher Irrer. Inspektor Gregson, der Partner des Toten und nun Hauptverantwortlicher des Zwischenfalls, kann dank der Rückendeckung seines Vorgesetzten ein Team zusammenstellen, mit dessen Hilfe er die Flüchtigen einfangen soll. Die Jagd auf die Verbrecher wird für Gregson nicht nur ein Abstieg in die Abgründe der menschlichen Psyche, sondern auch zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst und der Schuld am Tod seines Partners.
Die Graphic Novel "Scotland Yard", erschienen als Splitter Double, entführt den Leser erneut ins viktorianische London, wo er das Empire auf dem Höhepunkt seiner Macht erleben darf – aber auch Zeuge der Abgründe menschlichen Handelns dieser Epoche wird. Autor Dobbs entwirft eine bedrückende Szenerie von Londons dunkler Seite, des Elends seiner Bewohner und des Irrsinns seiner Verrückten. Trefflich in Bilder umgesetzt wird die Geschichte von dem Künstler Stéphane Perger, der die einzelnen Erzählabschnitte je nach Handlung und Handlungsort in unterschiedlichen Grundfarben gestaltet, was die Atmosphäre der Geschichte passend illustriert.
Interessant ist zudem die Zusammenstellung der handelnden Figuren: So trifft der Leser nicht nur auf Inspektor Lestrade, den Straßenjungen Higgins oder Colonel Moran, die allesamt aus Arthur Conan Doyles Sherlock-Holmes-Geschichten stammen, sondern macht auch Bekanntschaft mit dem "Elefantenmenschen" Joseph Merrick und liest Verweise auf Inspektor Abberline, der den Ripper jagte. Ein zentraler Aspekt der Handlung – ohne zu viel zu verraten, besteht in einem Gespräch zwischen Commissioner Fix und dem Autoren Bram Stoker, dessen bekanntestem Roman sich die Namen Renfield und Carfax zuordnen lassen, ebenso wie der Psychologe Dr. Seward.
Leider stellt diese Vielfalt bekannter Figuren gleichzeitig den größten Schwachpunkt der Graphic Novel dar, denn es gelingt dem Autor nicht, alle Gestalten in ein kohärentes Ganzes zu packen. Gerade bei den Cameo-Auftritten von Merrick oder Moran hat man den Eindruck, dass Dobbs die Figuren lediglich aufgrund ihres Namens eingefügt hat, ohne ihnen eine wichtige Rolle zukommen zu lassen. Genau betrachtet gibt es zudem keinen triftigen Grund, warum ausgerechnet die Doyle-Figuren verwendet wurden, da beispielsweise Wiggins ohne weiteres durch einen unbekannten Gassenjungen hätte ersetzt werden können. So wirkt das Schaulaufen der viktorianischen Gestalten doch recht gezwungen, was in Anbetracht der interessanten Geschichte schade ist.
Insgesamt erzählt "Scotland Yard" eine bedrückende, jedoch gleichzeitig faszinierende Geschichte in der Epoche des späten Viktorianismus, die bestens dafür geeignet ist, die Abgründe menschlicher Natur zu untermalen. Leider unterläuft Autor Dobbs dabei der häufig bei fiktiven viktorianischen Geschichten gemachte Fehler, auf bekannte Figuren aus beispielsweise dem Sherlock-Holmes-Kanon zurückzugreifen, ihnen jedoch keine individualisierte Rolle zuzuweisen, die nicht auch ein neu erfundener Charakter hätte erfüllen können. Diese Cameo-Auftritte von Inspektor Lestrade oder Joseph Merrick wirken aufgrund ihrer Häufigkeit mittlerweile eher ermüdend als originell. So schmälern sie schlussendlich den Genuss einer im Grund genommen guten Erzählung.
Auf der Website des Splitter-Verlags steht eine Leseprobe bereit.