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In "
Der Mann in Schwarz" legte Walter, der Mann in Schwarz, Roland in der Wüste drei Tarotkarten, um ihm seine Zukunft vorzusagen. Rätselhaft für den Revolvermann war bereits die erste Karte:
"Der Erste ist der Gefangene. Er steht am Rand von Raub und Mord. Ein Dämon hat von ihm Besitz ergriffen." Der zwölfte Band der Graphic Novel zu Stephen Kings Turm-Saga erzählt nun die Geschichte dieses ominösen Gefangenen, der bald einen Weg nach Mittwelt und damit in Rolands Welt finden wird: Eddie Dean, der im New York der 1960er Jahre aufwächst. Von einem glücklichen und unschuldigen Kind, das zu seinem vermeintlich allmächtigen großen Bruder aufschaut, wandelt Eddie sich im Lauf der Jahre zu einem gescheiterten jungen Mann, der sich in kriminelle Machenschaften verstrickt und tatsächlich von einem Dämon besessen ist - sein Name ist Heroin ...
Bereits mit "
Die Reise beginnt", dem sechsten Teil der Graphic Novel-Adaption von Stephen Kings
Der Dunkle Turm, hatten die Comics die Romane sozusagen eingeholt: Der Fall Gileads und dessen Folgen, gewissermaßen das Prequel zu Kings siebenbändigem Epos, wurde in Band eins bis fünf fast zu Ende erzählt. Die daran anschließenden Comicbände folgten dann dem Romanzyklus, wie ihn Stephen King zwischen 1982 und 2004 zu Papier brachte. Der Graphic Novel-Band 11 "Last Shots" war eine Art kurzes Zwischenspiel und stellte drei neue, kurze Episoden vor. Der zwölfte Teil "Drei - Der Gefangene" schließt nun wieder auf und erzählte den Anfang des Romans "Drei" (The Drawing of the Three), den Stephen King 1987 veröffentlichte.
Wer die Romanvorlage bereits kennt, kann sich hier auf eine in weiten Teilen sehr gelungene Adaption freuen, die nah am Buch ist und die die entscheidenden Momente aus Eddie Deans Kindheit und Jugend im Brooklyn unserer Welt wiedergibt. Wer die Romane (noch) nicht gelesen hat, freut sich über eine spannende, kurzweilige Geschichte, die den wohl sympathischsten Hauptcharakter der Turm-Saga einführt: Eddie Dean, den Drogensüchtigen, der sich plötzlich in Rolands Welt wiederfindet. Faszinierend ist, dass die Geschichte, die bislang nur in Mittwelt spielte, hier endlich den großen Bogen zu unserer Welt schlägt und diese mit Rolands vermischt. Wo die beiden Welten aufeinanderprallen, entstehen natürlich Konflikte und unvorhergesehene Wendungen, aber auch komische Momente und viele amüsante Missverständnisse.
Autorin und Beraterin Robin Furth hat sich im Lauf der ambitionierten Graphic Novel-Serie bisher große künstlerische und erzählerische Freiheiten genommen, um die Lücken in der Turm-Saga zu füllen, und dies äußerst überzeugend und beeindruckend. "Drei - Der Gefangene" ist, bis auf wenige Aufnahmen, eine ziemlich exakte Nacherzählung der Romanhandlung, bis hin zu den Dialogen. Eine gute Entscheidung, denn "Drei" ist als Teil der Turmsaga perfekt. Der Fokus liegt im Comic etwas stärker als im Roman auf Eddies Kindheit und Jugend; Roland taucht nur in sehr kurzen Szenen auf.
Schade ist höchstens, dass die Romanvorlage natürlich noch wesentlich umfangreicher und detaillierter ist und die Graphic Novel den Charme, die Spannung und den Witz in vielen Szenen nicht ganz einfangen kann, auch wenn Autoren und Zeichner sich viel Mühe geben. Auf jeden Fall folgt der Leser gebannt den dramatischen Wendungen, die Eddie Deans Leben nimmt - zumeist zum Schlechteren -, und nimmt mit Spannung die kleinen Vorzeichen wahr, die bereits in Eddies Kindheit auf seine Verbindung zum Dunklen Turm hindeuten.
Zeichnerisch ist der Band sehr schön (vor allem das diesmal geradezu umwerfende Cover!), allerdings überzeugen weder Roland noch Eddie als Erwachsene. Eddie, der zwar jung ist, aber nicht
so jung, sieht in vielen Panels aus wie ein Zwölfjähriger. Roland, der bei ihrem ersten Aufeinandertreffen bereits ein Mann in seinen mittleren Jahren ist und zudem todkrank, wirkt ebenfalls zu glatt und zu jung. Die Figuren, allen voran Roland, waren optisch bereits in den letzten Teilen der Graphic Novel nicht wirklich konsistent; es scheint, als würde die Zeichner sich bei jedem Band neu entscheiden, wie sie den Revolvermann darstellen. Abgesehen davon sind die Zeichnungen von Piotr Kowalski (Tusche: Nick Filardi) aber wunderbar, vor allem da, wo sie Emotionen zeigen - und "Drei" ist allein durch die Großer-Bruder-kleiner-Bruder-Konstellation eine sehr emotionale Geschichte.
"Drei - Der Gefangene" erzählt die Geschichte aus "Drei", dem Roman, noch nicht zu Ende, sondern endet nach der Flugzeugszene am Strand. Fortgesetzt wird die Geschichte in 2016 mit "Das Kartenhaus". Übrigens: Wem die Graphic Novel gefällt, der sollte sich auch die Romane auf keinen Fall entgehen lassen. Beides ergänzt sich perfekt und dürfte Fans von Graphic Novels wie Fans der Vorlage gleichermaßen begeistern.
Eine kurze Leseprobe gibt es hier auf der Website von Panini Comics.