Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Nach
"Die Verzauberung der Welt" hat der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer nun ein weiteres Buch herausgebracht: "Durch die Nacht - Eine Naturgeschichte der Dunkelheit". Der Titel ist Programm. Im Vorwort geht der Autor kurz auf die biblische Schöpfungsgeschichte ein, der zufolge auf der Erde zunächst Finsternis herrschte, bis das Licht geschaffen wurde und sich mit der Dunkelheit die Welt teilte. Sieben Kapitel gehen schließlich auf die unterschiedlichsten Aspekte von Nacht und Dunkelheit ein, im konkreten, naturwissenschaftlichen und im übertragenen Sinne ebenso wie unter philosophischen, soziologischen, medizinischen und weiteren Gesichtspunkten, die sämtlich aufzuführen den Rahmen einer Rezension sprengen würde. Im Anhang findet der Leser eine Danksagung, ein Literaturverzeichnis, das Sach- und Personenregister sowie den Bildnachweis.
Wie sehr sich Menschen zu allen Zeiten mit Nacht und Dunkelheit beschäftigt haben, zeigen die Schöpfungsmythen, die der Autor erwähnt, Auszüge aus Gedichten und anderer Literatur. Die von Fischer sehr anschaulich erläuterten physikalisch-astronomischen Grundlagen des Wechsels von Tag und Nacht, die Biologie (beziehungsweise Biophysik und -chemie) des Sehens und des allmählichen Nicht-Mehr-Sehen-Könnens bei zunehmender Dunkelheit sowie die neurologischen Vorgänge beim Schlafen und Träumen stellen nur einen Teil des üppig bemessenen Themenbogens dar. Der naturwissenschaftliche Aspekt, wiewohl wichtig, steht nicht einmal im Zentrum des Buchs, auch wenn etwa die Exkurse zur Schattenseite des Mondes, die der Mensch auf der Erde nicht zu sehen bekommt, sehr spannend sind.
Fischer befasst sich mit dem, was seit ein paar Jahrhunderten als "Nachtleben" bezeichnet wird - mit all seinen Facetten -, und mit weiteren nächtlichen Aktivitäten des Menschen, so der Kriminalität, aber auch der erotischen Liebe, die heute dank besserer Rückzugsmöglichkeiten zwar etwas von ihrem früheren verstohlenen, heimlichen Charakter verloren hat, jedoch trotzdem vorwiegend zu vorgerückter Stunde genossen wird.
Träume sind ein anderer Gegenstand des Buchs: Wie entstehen sie, und welche Bedeutung haben sie für uns? Der ein oder andere fruchtbare Traum, etwa des Chemikers Kekulé, der träumend die Struktur des Benzolmoleküls erkannte, taucht im Buch auf. Hand in Hand damit geht auch die Schlafforschung. Dass die Menschen in früheren Jahrhunderten oft in zwei Etappen mit einer längeren Wachpause schliefen und dass dies offensichtlich sehr gesund ist, dürfte manchen Leser verblüffen: Doch das spätnächtliche Gebet von Mönchen und Nonnen in Klöstern ergab offensichtlich nicht zuletzt einen biologischen Sinn. Der Autor hält aber noch weitere nützliche Erkenntnisse parat, etwa, dass die meisten Displays mit ihrem blauen Licht das Wachsein aktivieren und daher, wer direkt vorm Einschlafen noch am Notebook sitzt oder ein E-Book liest, schlechter ein- und durchschläft als jemand, der darauf verzichtet.
Und Fischer macht darüber hinaus das Böse als die dunkle Seite des Menschen zum Thema. Wie erwähnt, spielt die Nacht im übertragenen Sinne eine durchaus bedeutende Rolle in diesem Buch, das bei aller Sachlichkeit auch eine zarte poetische Komponente hat. Einfühlsam befasst sich der Autor mit den Emotionen, die den Menschen nachts umtreiben, mit nächtlichen Unternehmungen aller Art - und lädt das ganze bezaubernde Werk hindurch den Leser ein, ihn auf einem gemütlichen, dennoch aber spannenden und abwechslungsreichen Spaziergang durch eine sternenklare Nacht zu begleiten. Jedem Leser dürfte dabei die ein oder andere Sternschnuppe begegnen.
Eine Leseprobe bietet die Verlagsseite.