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Die Niederlage der Konföderierten ist im Jahr 1864 kaum noch abzuwenden. Der Sezessionskrieg fordert grausame Opfer und Gefangene werden nicht allzu gut behandelt. Der siebzehnjährige Louis Paugham gehört zur Armee der Südstaaten und soll in Georgia Kriegsgefangene bewachen. Nun tut er Dienst in einem Gefangenenlager, in dem die Soldaten nur von einer gezeichneten Linie voneinander getrennt sind. Trotzdem wagt es niemand, die Linie zu überschreiten, denn dies wäre der sichere Tod. Louis ist sowohl abgestoßen vom Kriegsdienst, als auch fasziniert von den Gefangenen. Besonders ein schwarzer Soldat zieht ihn magisch an, da dessen Stolz und Unbeugsamkeit ihn stark beeindrucken.
Es gibt Linien, die kann niemand überschreiten, da die Konsequenzen sonst furchtbar wären. Die in den Sand gezeichnete Grenzlinie des Gefangenenlagers ist eine solche Linie, doch sie spielt nur auf den ersten Seiten eine Rolle. Viel stärker sind die Grenzen, die unbewusst verlaufen. Louis Paugham wird sein Leben lang auf solche Linien treffen. Natürlich ist da die Grenze, die er bewachen muss. Diese wird er einhalten, doch bereits seine Bereitschaft, die Gefangenen als menschliche Wesen zu sehen, mit der Würde, die sie verdienen, ist eine Grenzüberschreitung. Viel mehr noch wiegt die Erkenntnis, dass er sich zu einem schwarzen Soldaten hingezogen fühlt. Das ist eine gleich dreifache Verletzung dessen, was seine Kameraden als gute Sitten empfinden. Sie empfinden einen Schwarzen, der gegen sie kämpft als Provokation und reagieren darauf, in dem sie den Soldaten misshandeln und töten. Für Louis bricht eine Welt zusammen und für den Rest seines Lebens wird er sich von diesem Ereignis nicht lösen können.
Autor Laurent-Frédéric Bollée, der auch das fantastische
Terra Australis geschrieben hat, liefert hier eine vielschichtige, hintergründige Geschichte, deren Melancholie gefangen nimmt. Sehr schön passen dazu die wunderbaren Zeichnungen von Christian Rossi, dessen vorwiegend erdfarbene Aquarellkolorierungen die harsche, heiße Gegend der Südstaaten wiedergeben.
In Louis Leben gibt es nicht viel Grund zur Freude, das spiegelt sich in den Panels deutlich wieder und was die Illustrationen angeht, kann der Comic nur als gelungen bezeichnet werden. Die Geschichte jedoch überzeugt nicht komplett. Louis watet in seinem Unglück, reduziert sich selbst immer wieder auf die Ereignisse einer schicksalshaften Nacht und kann einen Mann nicht vergessen, mit dem er nie auch nur ein Wort gesprochen hat. Sicher hat er sich mit der Erkenntnis, dass er eben jenen Mann liebt, ins gesellschaftliche Abseits gestellt, doch auch wenn die Hälfte des Buchs sich damit beschäftigt, dass der junge Mann seine Gefühle entdeckt, dann kommt die andere Lebenshälfte entschieden zu kurz. Liebe und Rache können unglaubliche Motivation sein, aber "Deadline" ist kein Racheepos, keine wirkliche Liebesgeschichte und einen anderen Antrieb scheint Louis nicht zu haben. Er stolpert durch sein Leben, trinkt, weiß nicht wohin und hat keine Bindungen, weder an einen Ort noch an eine Person. Da ist es eine Erleichterung, wenn ihm dann doch noch bewusst wird, dass es in seiner Hand liegt, die Linie zu respektieren, oder sie zu überschreiten und er wenigstens für einen kurzen Moment so etwas wie Glück findet.
So viel Melancholie, so viel Verlorenheit! "Deadline" ist ohne Zweifel zeichnerisch beeindruckend, doch wer leichte Unterhaltung erwartet, wird hier enttäuscht. Die Handlung diese Comics hat viele unterschiedliche Schichten, doch sie lassen sich nicht ohne Anstrengung entdecken. Der Comic fordert seinen Leser und bleibt doch karg, nicht nur, was den Handlungsort angeht, sondern auch die Geschichte betreffend, sodass viele Aspekte für denjenigen verloren gehen, der nicht explizit danach sucht. Immer jedoch überzeugen die Zeichnungen, die den ausklingenden Westen mit epochaler Schwermut heraufbeschwören.
Ein Blick in den Comic ist auf der Verlagsseite möglich.