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Wir schreiben das Jahr 1888. Dampfmaschinen sind der Motor der Welt. Ihre Kraft reicht sogar aus, um die Menschen bis zum Mars zu bringen. Jüngst ist bekannt geworden, das unter seiner Oberfläche immense Rohstoffvorkommen schlummern. Dabei wurden auch zwei neue Erzsorten entdeckt, Sylvanit und Celerium. Sylvanit verspricht ein besserer Antriebsstoff zu sein und die Menschen noch viel weiter hinaus ins All zu bringen. Celerium hingegen ist ein dichteres Material als alles bislang auf der Erde Bekanntes. Kein Wunder also, dass sich gleich mehrere Bergbauunternehmen anschicken, Männer auf eine gefährliche Mission zu schicken, um die Erzvorkommen für sich zu sichern. Im Dock warten mehrere Raumschiffe um Astronauten auf den roten Planeten zu bringen. Doch wem gelingt es, dort die wichtigen Rohstoffvorkommen zur rechten Zeit zu kontrollieren?
"Aufbruch zum roten Planeten" ist ein neues Spiel aus dem Heidelberger Spieleverlag. Zwei bis sechs Personen übernehmen die Führung eines Bergbaukonzerns in einem Steampunk-Setting im Jahr 1888. Ziel ist es, in verschiedenen Bereichen des Mars eine Mehrheit an eigenen Astronauten zu erlangen, um die dort vorkommenden Erze für sich zu sichern. Hierzu gilt es natürlich möglichst viele Männer per Rakete auf den roten Planeten zu schicken, und dort richtig zu positionieren.
CharaktereJeder Spieler erhält ein identisches Set mit neun verschiedenen Charakter-Karten. Vom Piloten mit der Nummer eins bis hin zum Anwerber mit der Nummer neun bietet jeder Charakter unterschiedliche Aktionsmöglichkeiten. Zu Beginn einer Runde suchen alle Spieler je einen Charakter aus, dessen Fähigkeiten sie nutzen möchten, und legen diesen vor sich ab. Dann beginnt der Startspieler, einen Countdown von zehn an herunter zu zählen. Wird die Nummer des ausgelegten Charakters genannt, deckt der jeweilige Spieler seine Karte auf und führt die dort benannte Aktion beziehungsweise die dort benannten Aktionen aus. Zunächst darf er einen oder mehrere Astronauten in ausliegende Raumschiffe setzen. Danach folgen meist weitere Aktionen, wie etwa das Bewegen bereits auf dem Mars befindlicher Astronauten oder das Umwandeln gegnerischer Figuren in eigene. Hat der Spieler alle seine Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, wird der Countdown fortgesetzt. Nach und nach kommen auf diese Weise alle Spieler an die Reihen und nutzen genau eine Charakterkarte vollständig aus. Karten mit einer niedrigeren Nummer werden dabei immer erst nach Karten mit höheren Nummern ausgeführt. Erreicht der Countdown die Null, starten alle voll bemannten Raumschiffe aus der Auslage und bringen ihre Besatzung in eine bestimmte Region des Mars. Dort gilt es in eben jenen Regionen eine Mehrheit zu erreichen, um die Rohstoffe einer Region zu erlangen.
"Aufbruch zum roten Planeten" wird über zehn Runden gespielt. Dreimal im Verlauf des Spiels schütten die verschiedenen Marsgebiete ihre Erze aus. Derjenige, der die Mehrheit in einem Gebiet hält, darf diese Erze einstreichen. Sie sind gleichbedeutend mit Siegpunkten.
Außerdem ist es möglich zusätzliche Siegpunkte über sogenannte Auftragskarten zu erlangen, die der Spieler verdeckt hält bis zum Ende des Spiels. So gibt es etwa Punkte, wenn am Ende je ein Astronaut der eigenen Farbe in den auf der Karte angegebenen Regionen des Mars steht. Einen Auftrag darf jeder am Anfang aus zwei zufällig zugeteilten Auftragskarten wählen, weitere können während des Spiels mithilfe eines Charakters dazu gezogen werden.
Strategie oder GlückZunächst wirkt das Spiel recht strategisch. Da allen Spielern das gleiche Set von Aktionskarten zur Verfügung steht, ist es grundsätzlich möglich Handlungen der Gegner zu antizipieren und seine eigenen daran anzupassen. Der Spieler kann sogar versuchen abzuschätzen, wann er ungefähr an der Reihe sein wird, da die Karten durch ihre einheitliche Nummerierung immer in einer bestimmten Reihenfolge abgehandelt werden. In der Realität des Spiels wird jedoch schnell deutlich, dass das Gelingen der eigenen Aktion weit häufiger von Glück abhängt, als von strategischen Überlegungen. Viele der Aktionskarten greifen in die Handlungen der anderen Spieler ein. So ist es etwa möglich das Ziel eines Raumschiffes zu ändern, Figuren vom Spielbrett zu entfernen oder gar ein ganzes Raumschiff mit allen Insassen in die Luft zu sprengen. Schon allein ob für die eigenen Astronauten noch Platz in einem angedockten Schiff sein wird, ist kaum zu berechnen. Läuft es ganz unglücklich wenden sich die Aktionen der gespielten Karte letztlich gegen einen selbst, da der Spieler nicht auf Aktionen verzichten darf, sondern immer die gesamte Karte ausführen muss. So kann es passieren, dass ein Spieler über Runden hinweg "lahmgelegt" wird und keine Figuren auf den Mars bekommt. Die Frustration ist in diesem Fall natürlich hoch, auch wenn das Scheitern der eigenen Planung nicht unbedingt zur Niederlage im Spiel führt. Vieles kann in späteren Runden ausgebügelt werden. Der Spielspaß des Betroffenen leidet jedoch trotzdem immens.
Hier zeigt sich auch, dass das Spiel etwas älter ist und nur in einer neuen Auflage erscheint. Kann ein Spieler eine Aktion seiner Karte nicht ausführen, entfällt sie ersatzlos. Moderne Spiele dieser Art bieten meist eine Form des Ausgleichs in einem solchen Fall, um den Spieler nicht durch einen vollständig nutzlosen Zug zu frustrieren.
Auch das Nachziehen von Karten stellt einen großen Glücksfaktor im Spiel dar. Nutzt der Spieler die Charakterkarte Wissenschaftler, darf er eine Karte von einem Stapel ziehen, in dem sowohl Auftragskarten, als auch Ereigniskarten und Entdeckungskarten miteinander vermischt sind. Auftragskarten sind ausschließlich positiv, da sie im besten Fall Siegpunkte geben, im schlechtesten keine Auswirkung haben. Ereignis und Entdeckungskarten sind jedoch von weit geringerem Nutzen. Deshalb kann ein Spieler glücklich oder unglücklich ziehen.
Astronauten und PlanetenDie Charakterkarten sind sehr hübsch illustriert und das Spielmaterial ist hochwertig: von toll gestalteten Astronauten bis hin zu den verschiedenen Spielbrett-Teilen aus dicker, fester Pappe. Auch die grafische Gestaltung der Raumschiffe und des Docks ist sehr gut gelungen. Das Steampunk Setting dient jedoch ausschließlich als schöne Aufmachung, im Spiel ist es außer der optischen Komponente nirgends spürbar.
Zunächst erscheint die Anleitung angenehm kurz und übersichtlich. Leider entpuppt sie sich als etwas zu kurz. Ein paar mehr Erläuterungen an der einen oder anderen Stelle wären wirklich hilfreich. So ließ sich etwa nicht ganz eindeutig nachlesen, ob die Aktionen einer Karte alle verfallen, wenn die erste Aktion nicht gespielt werden kann. Die knappgehaltene Formulierung im Regeltext kann unterschiedlich interpretiert werden und eine genauere Erläuterung fehlt.
Bewertung"Aufbruch zum roten Planten" ist relativ schnell erklärt und kann auch gut gespielt werden. Mit sechs möglichen Spielern sticht es zunächst heraus, mit zunehmender Spielerzahl wird das Spielgeschehen jedoch unübersichtlich und das Spiel zieht sich sehr in die Länge. Es ist daher nicht für mehr als vier Personen zu empfehlen. Der Aufbau lässt zunächst auf ein Strategiespiel schließen, letztlich hängt jedoch vieles vom Glück ab. Das mag manchen Spielern gerade gefallen, die Frustration bei Spielern, die leider Pech haben, ist jedoch sehr hoch und bereitet keinem Freude. Im Grunde wäre zu vermuten, dass das Spiel hier an einigen Stellen noch nicht ganz ausgereift ist, da es sich aber um eine überarbeitete Neuauflage handelt, sind die Mechanismen in dieser Form wohl beabsichtigt.
Trotz wunderschöner Ausstattung und dem charmanten Spielmechanismus, dass ein Countdown gezählt wird und die Reihenfolge der gespielten Aktionskarten bestimmt, kann Aufbruch zum roten Planeten letztlich nicht ganz überzeugen. Es ist eher ein Spiel für zwischendurch, denn ein abendfüllendes Vergnügen für Vielspieler.
Ob ein Spiel gefällt, ist immer auch eine Frage des Spielertyps, doch kein Spiel hat im letzten Jahr in meiner Brettspielrunde so polarisiert wie Aufbruch zum roten Planeten. In mehreren Runden mit unterschiedlichen Spielern waren immer Einige begeistert, Andere regelrecht abgeschreckt. Durch den hohen Glücksfaktor sind die Eindrücke in der ersten Runde stark unterschiedlich und führen deshalb zu sehr verschiedenen Einschätzungen.
Letztlich ist Aufbruch zum roten Planeten für Strategiespieler, die viel Wert auf Balance und Planbarkeit legen, wenig geeignet. Ein Teil des Glücksfaktors kann sicherlich durch gutes Taktieren ausgeglichen werden, doch eben nur ein Teil. Wer viel Unglück hat, dem bietet das Spiel auch keinen Auffangmechanismus. Wenn Sie ein Spieler sind, der in so einem Fall nur mit den Schultern zuckt und sagt, die nächste Partie kommt ja bald, und dann ist das Glück sicher auf meiner Seite, dann allerdings ist das Spiel sehr zu empfehlen. Schöne Ideen sorgen für Flair und vor allem Spielern, die Konkurrenzsituationen und Angriffsspiele mögen, bietet Aufbruch zum roten Planeten eine angenehme Leichtigkeit im Spielfluss. Sie sollten dem Spiel aber in jedem Fall mehrere Partieen Zeit geben, bevor Sie sich eine Meinung bilden. Denn nur so kann jeder mal die glückliche und auch die unglückliche Seite kennenlernen.