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Der Abstand zwischen Reichen und Armen nimmt zu. Dieser Satz stimmt auf jeder Ebene: Die Schere geht auf zwischen armen und reichen Staaten, zwischen armen und reichen Menschen weltweit und auch zwischen den Reichen und Armen innerhalb der meisten Länder. Valentin Beck geht daher in seiner ethischen Studie der Frage nach, ob alle Menschen in der Verantwortung stehen, die Armut weltweit zu bekämpfen. Er bejaht diese Frage und führt für dieses "Ja" eine Fülle komplexer Argumentationsgänge auf.
Der 350-seitige Text ist in zehn Kapitel gegliedert. In diesem führt Beck einige Begriffe ein und analysiert vor allem, welche Begründungszusammenhänge eine Verantwortung jedermanns für die Armut in der Welt zulässig rechtfertigen und welche nicht. So betrachtet er in den einzelnen Kapitel den Verantwortungsbegriff selbst, unterteilt diesen in interpersonelle und strukturelle und bezieht letzteren dann auf den globalen Kontext. Weiter versucht er eine Art begründungspluralistischen Minimalkonsens zu finden, um die Weltarmutsverantwortung universell zu stützen. In zwei weiteren Abschnitten analysiert Beck dann die Objekte und Subjekte dieser Verantwortung. Nach einem Exkurs zur Sicht des Philosophen Peter Singer auf dieses Problem kommt im Schlussteil eine Zusammenfassung mit konkreten politischen Zielsetzungen.
Valentin Becks Studie zur globalen Armutsverantwortung ist eine tiefgründige und nicht gerade leicht verständliche Analyse mit weitgehenden politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Der Autor argumentiert leidenschaftlich und überzeugend, dass wir alle als Subjekte in verschiedenen Kollektiven und nicht zuletzt einem Weltkollektiv strukturelle Verantwortung tragen für die Armut in der Welt und damit auch für ihre Beseitigung. Die Folgen dieser These bedeuten für uns alle, dass wir mehr tun müssen als mal zu spenden oder punktuell zu helfen. Wir müssen die Strukturen, die wir selber tagtäglich reproduzieren, ändern. Eine im Grunde leicht verständliche und doch bedeutsame Konklusion.
Leider ist die Vorarbeit zu dieser Schlussfolgerung, insbesondere das erste Drittel des Textes, keine leichte Kost. Hier schreibt ein junger und ambitionierter Philosoph, der auch die ganze Tiefe seines Denkens zeigen will. Beck hat das Problem tatsächlich umfassend durchdacht und analysiert. Die Grundlagen seiner Theorie, insbesondere des Verantwortungsbegriffes, will er allumfassend absichern. So kommt er gerade zu Beginn aus der Erörterung der Fürs und Widers kaum heraus. Das macht den ersten Teil des Textes vor allem für Philosophen interessant und weniger für Leser, die sich ohne geistewissenschaftlichen Hintergrund einfach nur für das Thema des Buches interessieren. Wie meistens bei solchen Texten, wird die Lektüre auch bei diesem von Kapitel zu Kapitel dann aber leichter.
Wer erstmal verstanden hat, warum wir nach der These von Beck nicht nur interpersonell, sondern strukturell in Verantwortung stehen, die Armut zu bekämpfen, wird den weiteren Kapiteln einfacher folgen können. Die Theorie ist angesichts der Globalisierung und der sich immer stärker vertiefenden gegenseitigen Abhängigkeiten in der Welt auch einfach überzeugend. Wir sind nicht nur aus humanitären Gründen verantwortlich für Menschen in Not, sondern weil wir mit unserer Art des Wirtschaftens, mit politischen Entscheidungen in den jeweils eigenen Ländern oder einfach mit Lebensgewohnheiten auch immer das Leben in anderen Ländern beeinflussen, zum Vor- oder eben zum Nachteil derselbigen. Dies ist uns nach Beck in manchen Bereichen durchaus bewusst, zum Beispiel bei der Klimaerwärmung, aber eben nicht allumfassend. Es gibt kein globales Bewusstsein dafür, wie und warum Armut weltweit strukturell entsteht und damit auch keines, wie das eigene Handeln oder Nichthandeln dafür verantwortlich ist. Eine seine Forderungen ist deshalb, dass diese strukturelle Verantwortung Teil des gesellschaftlichen Mainstreams werden muss. Philosophisch hat er hier einfach recht, doch wie das konkret Realität werden könnte, da fehlt es an Vorschlägen. Sein Glaube, dass es möglich ist, dass jeder Mensch im Rahmen seiner kollektiven Einbindung in Strukturen auch Verantwortung für diese übernehmen könne, ist letztlich eine optimistische Schlussfolgerung. Philosophisch richtig, politisch am Ende doch unbefriedigend, da der Zielsetzung das konkrete Programm zur Umsetzung fehlt.
Dennoch ist die Lektüre dieses Buches lohnenswert. Der Autor "munitioniert" auch Nicht-Philosophen mit überzeugenden Argumenten, warum wir alle für eine gerechtere Verteilung in der Welt, aber auch ins unserer eigenen Gesellschaft kämpfen müssen. Dafür sollte der Leser auch bereit sein, die teilweise schwieriger verständlichen Textstellen durchzuarbeiten.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.