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China vor etwa 2000 Jahren: Die späten Kaiser der Han Dynastie haben Loyang als Hauptstadt ausersehen. Es liegt in der Provinz Henan in der zentralchinesischen Ebene. Konfuzius soll einst hier studiert und Lao-Tse seine Weisheiten ausgesprochen haben. Der prestigeträchtige Aufstieg der Stadt zum Sitz des Kaisers bringt den wirtschaftlichen Aufschwung und immer mehr Menschen strömen auf die Märkte, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Als geschäftstüchtiger Landwirt ist dies die Chance auf Reichtum und einen angesehenen Stand in der Gesellschaft. Doch ist es nicht immer einfach, den Wünschen der Kunden rechtzeitig nachzukommen. Zwar gibt es jede Menge Helfer, doch nützt alle Hilfe nichts, wenn die falschen Gemüsesorten auf den eigenen Äckern wachsen. Manches Gut kann an Marktständen zwar in andere Waren getauscht werden, doch nur wer auf lange Sicht den Geschmack seiner Stamm- und auch der Laufkunden trifft, kann zu Wohlstand gelangen und wird Sieger sein vor den Toren von Loyang.
Kurz vor der SPIEL 2016 in Essen brachte der Pegasus Verlag eine Neuauflage, von dem ursprünglich bei Hall Games erschienen "Vor den Toren von Loyang" heraus. Es wird als dritter Teil der Ernte-Trilogie des bekannten und sehr erfolgreichen Spielautors
Uwe Rosenberg bezeichnet.
Agricola und Le Havre die beiden Vorgänger wurden vielfach für Preise nominiert und im Fall des ersteren auch ausgezeichnet, wogegen "Vor den Toren von Loyang" in der öffentlichen Aufmerksamkeit doch deutlich abfällt – zu unrecht. Um so erfreulicher das Pegasus das Spiel mit der 2016er Auflage erneut ins Blickfeld rückt.
Durch Gemüse reich werdenBis zu vier Spieler übernehmen die Rollen von Bauern im alten China. Jeder erhält eine Wohlstandsleiste, die es zu erklimmen gilt, wer dort am weitesten voranschreitet, hat letztlich das Spiel gewonnen. Um das zu bewerkstelligen, ist jedoch Geld nötig. Dies muss durch den Anbau und Verkauf von hauptsächlich verschiedenen Gemüsesorten verdient werden. Jeder Spieler hat einen gleichen Satz Felder, die bepflanzt werden, und in üblicher Uwe-Rosenberg-Manier in einer Erntephase jeder Runde eines der angepflanzten Güter ausschütten. In einer Handkartenrunde erspielt danach jeder zwei Karten, die an entsprechenden Stellen links und rechts des Wohlstandspfades platziert werden. Es gibt Markstände, an denen sich beliebige Waren in bestimmte andere Gemüsesorten tauschen lassen, Helfer, die jeweils eigene Aktionsmöglichkeiten bieten und Kunden, die es zu bedienen gilt. Geld wird hierbei selbstverständlich durch den Verkauf der eigenen Güter an Kunden erwirtschaftet, dabei wird in Lauf- und Stammkunden unterscheiden. Während erstere einmalig ein bestimmtes Set an Gütern verlangen, möchten Stammkunden in vier aufeinanderfolgenden Runden mit einem gleichen Set Gemüse bedient werden. Zudem werden Stammkunden ungehalten, wenn der Bauer nicht die richtigen Güter liefern kann, und kosten diesen Geld, wenn sie mehrere Runden nicht bedient werden. Doch beschränkt sich der Spieler auf das Bedienen der unkomplizierteren Laufkundschaft, ist der Ertrag weniger lukrativ. Erst die Bindung von Stammkunden führt dazu, dass auch Laufkunden höhere Preise zahlen. Die richtige Mischung ist also letztlich gefragt, zusammen mit einer entsprechenden Planung der eigenen Ernte und gegebenenfalls anderer Möglichkeiten, die richtigen Waren zu beschaffen.
Partner und fleißige HelferleinWährend bei anderen Uwe Rosenberg Spielen zwar ein gemeinsamer Workerplacement-Bereich für eine indirekte gegenseitige Beeinflussung im Spiel sorgt, ist in "Vor den Toren von Loyang" deutlich mehr Interaktion angesagt. Helferkarten bieten den Spielern die Möglichkeit auf fast jeden Bereich seiner Konkurrenten zuzugreifen, etwa um einem Mitspieler ein Gut vom Feld zu stehlen, oder einen seiner Kunden abzuwerben. Um die Planbarkeit nicht vollends zu gefährden, wird im Spiel zu viert ein Pairing-Mechanismus angewandt: In jeder Kartenphase werden der Startspieler und ein zweiter Startspieler für die folgenden Aktionen bestimmt. Der Startspieler wählt anschließend aus Spieler drei und vier (also den verbliebenen Spielern nach Festlegung des zweiten Startspielers) einen Partner. In der nun folgenden Runde zielen die Texte alle Helferkarten ausschließlich auf diesen Spieler ab und umgekehrt. Auch wird durch diesen Mechanismus die Downtime, die Wartezeit bis zur nächsten eigenen Aktion, verkürzt, da Startspieler und zweiter Startspieler gleichzeitig ihre Züge ausführen, ebenso wie der dritte und vierte Spieler.
AusstattungWie bei vielen anderen Rosenberg Titeln ist auch dieser von Klemens Franz stimmungsvoll und äußerst ansprechend illustriert. Die einzelnen Waren sind nicht einfach verschieden farbige Würfel, sondern alle detailliert in Holz ausgearbeitet. Die Spielbretter sind aus solider Pappe. Ebenso die stilechten Münzen mit Loch in der Mitte, die als Käsch bezeichnet werden, und in den Regeln mit einer Rosenberg typischen Fußnote zum historischen Hintergrund versehen sind. Lediglich die Marker für Starspieler und zweiter Startspieler hätten thematisch aufgearbeitet sein dürfen, oder zumindest in einer auffälligeren Farbe, sind sie auf einem braunen Holztisch doch kaum zu erkennen.
Die Anleitung ist übersichtlich geschrieben und gut verständlich, hätte an der einen oder anderen Stelle doch auch etwas ausführlicher sein dürfen. So bleiben Regelfragen offen, was gerade bei einer Neuauflage eines bereits vor etlichen Jahren publizierten Titels unnötig ist. Gut gelöst hingegen sind die farblich abgehobenen Extrakästen für detailliertere Beispiele oder Spielmodifikationen im Zwei- oder Vier-Personen-Spiel.
Vom Experten für ExpertenAuch wenn "Vor den Toren von Loyang" 2009 als dritter Teil der Ernte-Trilogie nach
Agricola und Le Havre veröffentlicht wurde, so ist das Konzept des Spiels doch spürbar älter. Es präsentiert sich deutlich als Zwischenstufe zwischen dem Kartenspiel
Bohnanza und den komplexeren Titeln Rosenbergs, die in den letzten Jahren die Expertenspieler erfreuten. Auch "Vor den Toren von Loyang" wurde von Pegasus als Expertenspiel eingestuft und das durchaus zurecht. Das Spiel ist für einen Rosenberg Titel zwar relativ schnell erklärt, doch stecken durchaus viele Tücken darin und so wird am Spieltisch geknobelt, durchgerechnet und auch immer wieder diskutiert. Die Zeitangabe von 60-120 Minuten wird daher im Vierer-Spiel auch locker ausgereizt. Während Rosenbergs Workerplacement-Titel wie Caverna oder ein Fest für Odin sich auch gut mit relativ kurzfristigen Planungen, spontanen Optionsanalysen oder wie es gerne heißt "aus dem Bauch heraus" spielen lassen, wollen die Entscheidungen vor den Toren von Loyang gut durchdacht sein. Entgegen der zuvor genannten Spiele, in denen mehrere Wege zum Erfolg führen können, sprich Punkte generieren, kann hier Geld nur durch das Bedienen von Kunden erwirtschaftet werden, und nur durch stetig größere Mengen an Geld geht es auf der Wohlstandsleiste deutlich voran. Funktioniert die Planung bezüglich der Kundenbedienung nicht, bleibt der Spieler unweigerlich hinter den anderen zurück und je später die Runde, umso kostspieliger wird das Aufholen.
Durch und durch gelungenEin bisschen Aufbau-Strategie, ein bisschen Glück beim Kartenziehen und jede Menge Knobelarbeit führen letztlich zum Erfolg. Der Autor Uwe Rosenberg ist deutlich in den Mechanismen zu spüren, trotzdem wirkt "Vor den Toren von Loyang" im Vergleich zu seinen anderen Spielen erfrischend anders. Ein verstärktes Maß an Interaktion belebt das sonst bei Rosenberg Titeln gerne auch mal grüblerisch stille Spielgeschehen. Der Pairing-Mechanismus im Vier-Personen-Spiel erzeugt einen besonderen Reiz und setzt im Vergleich zum Drei-Personen-Spiel noch mehr Gewicht auf den Startspieler. Mechanismus, Ausstattung und Aufmachung überzeugen und machen "Vor den Toren zu Loyang" zu einem rundum stimmigen und spannenden Spiel mit hohem Wiederspielwert und einer ordentlichen Portion Spielspaß.