Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Käthe Kollwitz wurde 1867 in eine unruhige Zeit hineingeboren. Am 8. Juli des kommenden Jahres jährt sich ihr Geburtstag zum 150. Mal - ein guter Anlass für die Herausgabe einer modernen Biografie, in welcher sowohl die Lebens- und Schaffensgeschichte der Künstlerin als auch ihr "Nachleben" in den beiden deutschen Nachkriegsstaaten und im wieder vereinigten Deutschland beleuchtet wird. Eingeteilt ist das im C. H. Beck Verlag erschienene Buch in folgende Kapitel:
- Mädchenjahre
- Das Leben und die Kunst
- Der bittere Weg (hier geht es um den Ersten Weltkrieg und den Tod des Sohnes Peter)
- "Das Dritte Reich bricht an"
- Nachleben
Eine Zeittafel beschließt den Hauptteil. Im Anhang finden sich außerdem Anmerkungen, ein Literaturverzeichnis, der Bildnachweis und das Personenregister.
Wenn es um deutsche Künstlerpersönlichkeiten geht, steht Käthe Kollwitz ganz vorne, wenn nicht an erster Stelle. Unmittelbar vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstorben, wurde die Künstlerin sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR zu einer wahren Ikone. Zu Lebzeiten war sie bereits sehr bekannt gewesen, jedoch eher einem intellektuellen Publikum. Posthum wurde ihr Werk auch breiteren Gesellschaftsschichten zugänglich, was allerdings mit einer Vereinnahmung Kollwitz' und ihres Werks durch jeweilige politische Strömungen einherging.
In ihrer Biografie gelingt es der Historikerin und Kollwitz-Expertin Yvonne Schymura, alle relevanten Aspekte aufzugreifen und in einem stimmigen Werk zusammenzuführen. Selbstverständlich spielen die bedeutenden Lebensereignisse eine zentrale Rolle, nicht minder jedoch die Einflüsse, die Kollwitz' Leben geprägt haben. Gerade die Widerstände, die für eine Frau der wilhelminischen Zeit im Kunstbetrieb zu überwinden waren - sofern sie überhaupt hineingelangte -, spielen eine wichtige Rolle im Leben der Künstlerin wie auch in der Biografie.
Einfühlsam zeigt die Autorin auf, wie Kollwitz zu ihren Zyklen über die unteren sozialen Schichten und ihren alltäglichen Überlebenskampf im Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhunderts fand. Zu den wesentlichen Themen zählt auch der Kriegstod von Kollwitz' Lieblingssohn Peter, dessen Wunsch, als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg zu ziehen, sie nach einigem Zögern unterstützt hatte. Dieser Verlust wirkte sich ganz wesentlich und für lange Zeit auf Käthe Kollwitz' Werk aus. Und nicht zuletzt gehört Kollwitz' Demontage durch die Nationalsozialisten zu den zentralen Inhalten des Buchs - gefolgt von ihrem zwangsläufigen Rückzug aus der Öffentlichkeit und schließlich ihrem einsamen Tod während der Wirren kurz vor Kriegsende. Im "Nachleben" geht es um die oben erwähnte posthume Rezeption von Kollwitz' Werk und Persönlichkeit in den "Deutschlands" nach 1945.
Yvonne Schymura versteht es, nicht nur ihre enorme Quellen- und Faktenkenntnis in ihre Biografie einzubringen, sondern auch anschaulich und kurzweilig zu erzählen - und dies so empathisch, wie es die Sachlichkeit zulässt. Für den Leser werden daher Leben, Motivation und Werk der Künstlerin Käthe Kollwitz sehr gut verständlich, nicht zuletzt jedoch auch der Mensch, geprägt vom Kampf um die Chance, überhaupt mehr als eine "Hobby"-Künstlerin zu werden, von intensiven familiären und freundschaftlichen Bindungen, von den ihr wohlbekannten Abgründen des Lebens in niederen sozialen Schichten und einer meist restriktiven Politik. Und nicht zuletzt kann der Leser nach der Lektüre manchen Aspekt des zeitweise gepflegten regelrechten Kults um Käthe Kollwitz kritisch betrachten: kritisch in Bezug auf die Auslegung ihrer Arbeiten im jeweiligen politisch-ideologischen Kontext.
Im Buch sind etliche Abbildungen von fotografischen Porträts der Künstlerin sowie einige ihrer Werke vorhanden. Es hätten ein paar mehr sein dürfen, so fehlen Fotos aus mancher Lebensphase, und auch einige der wichtigen Radierungen mag der Leser vermissen. Insgesamt ist diese Biografie jedoch sehr empfehlenswert - für Kunstfreunde ebenso wie für Menschen, die sich einfach für die Lebensgeschichte einer besonderen Frau in schwierigen Zeiten interessieren.
Eine Leseprobe bietet die Verlagsseite.