Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Wer kennt sie nicht? Bilder, die zum Inbegriff eines historischen Ereignisses wurden, Ikonen, deren Bedeutung weit über das eigentliche Ereignis hinausgehen. Herausgeber Peter Stepan versammelt hundert solcher Fotografien in dem vorliegenden Band: vom Jahrhundertbeben in San Francisco im Jahre 1906 über die Zusammentreibung der Juden im Warschauer Ghetto während des Zweiten Weltkriegs bis hin zu Conrad Schumann Sprung in die Freiheit in den Anfangstagen des Mauerbaus, von Che Guevaras Konterfei über Willy Brandts Kniefall in Warschau bis hin zum atomaren Unfall von Tschernobyl.
In kompakter Form präsentiert der Band auf einer Doppelseite die jeweilige Fotografie samt Begleitinformationen. Neben einer historischen Einordnung des Bildes sind dies auch Hinweise zur Bildentstehung oder zur Bedeutung der Fotografie. Im Vergleich zu anderen Publikationen wie Gerhard Pauls "Das Jahrhundert der Bilder" (Vandenhoeck & Ruprecht) beschränken sich die Erläuterungen jedoch nur auf die grundlegenden Aspekte und unterschlagen beispielsweise Wissenswertes zum Bildaufbau. Auf andere interessante Details müssen Leser ebenfalls verzichten. So findet sich weder bei der Fotografie "Zusammentreibung der Juden im Warschauer Ghetto" ein Hinweis darauf, dass das Bild sehr häufig in einer beschnittenen Version verwendet wird, noch erwähnt der Autor bei der Fotografie zum "Tank Man", dass sich dessen Wirkung auch mit der Anlehnung an das biblische Motiv David gegen Goliath erklären lässt. Vergleichsweise selten kommt zudem zur Sprache, wie die jeweilige Fotografie rezipiert wurde, sodass entgegen des Titels vor allem das Bild an sich und nicht das, was es bewegt hat, thematisiert wird.
Mehr Hinweis als Vorwurf ist hingegen, dass Stepan notgedrungen eine Auswahl treffen musste, sodass bekanntere Fotografien wie das Torhaus Auschwitz-Birkenau oder der "Rosinenbomber" während der Berlin-Blockade keine Aufnahme in den Band gefunden haben. Stattdessen enthält der Band - zumindest was den deutschsprachigen Raum anbetrifft - seltener publizierte Fotografien wie einen "Jungen mit Spielzeug-Handgranate", den Diane Arbus im Jahre 1962 in New York abgelichtet hat. Hinzu kommt, dass in jedem Fall eine deutlich sichtbare internationale Perspektive eingeschlagen wird, wodurch auch die Prohibition in den Vereinigten Staaten, der Algerienkrieg oder die Freilassung von Nelson Mandela durch ein Bild repräsentiert werden. Nicht zuletzt dringt Stepan mit seiner Bildauswahl bis in die jüngste Vergangenheit hinein, wenn er den fotografischen Beweis des durch den IS zerstörten römischen Tempels von Palmyra oder die Überreste des Fluges MH370 mit einer Fotografie würdigt.
In unregelmäßiger Form befinden sich unterhalb des Textes weitergehende Informationen, zum Beispiel zum Fotografen, die auf diese Weise herausgehoben werden. Schade ist, dass dies nicht durchgängig erfolgt, denn dies hätte dem Band noch mehr Informationsgehalt verliehen. Die Bildqualität ist hingegen ansprechend, zugleich aber durch die Originalqualität wie im Falle des Reichstagsbrandes von 1933 begrenzt. Denn nicht immer waren die technischen Voraussetzungen oder die Situation so, dass Hochglanzfotografien das entsprechende Ereignis festhalten konnten. Außer die Nennung des jeweiligen Urhebers - sofern bekannt - finden sich außerhalb des Textes keine editorischen Angaben, beispielsweise zum Ort der Erstveröffentlichung.
FAZIT: Vor allem aufgrund der kompakten Darstellungsform eignet sich der Band als guter Ersteinstieg in die Beschäftigung mit wichtigen historischen Fotografien des 20. Jahrhunderts. Wer jedoch tiefgründige Bildanalysen sucht, kommt nicht darum herum, ein umfangreicheres Werk ergänzend heranzuziehen.
Weitere Informationen sowie ein Blick ins Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.
Weitere Infos von Matthias
Die Erstausgabe des Buches erschien bereits im Jahre 2000 und wurde für die vorliegende Auflage um aktuelle Fotografien der jüngsten Vergangenheit erweitert. Nicht aktualisiert wurden dagegen die Literaturangaben am Ende eines jeden Beitrags, sodass zum Teil deutlich Einschlägigeres vorhanden wäre, zumal sich diese Angaben auf Monografien beschränken und gewinnbringende Aufsätze unberücksichtigt lassen.