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Geschichten brauchen Helden, so heißt es gemeinhin. Sie werden so viel besser, wenn der Leser mit der Hauptfigur mitfiebern kann. Doch stimmt das auch? Sind es nicht viel mehr die Schurken, die uns ans Herz wachsen, die Schlitzohren und zwielichtigen Gestalten? Na klar, es ist schön, wenn sie das Herz am rechten Fleck haben, aber so richtig lacht des Lesers Herz doch, wenn sie sich mit Finten, Chuzpe und Geschick durchschlagen und Erfolg haben. George R. R. Martin hat zwanzig namenhafte Kollegen gebeten, jeweils eine Kurzgeschichte mit einem Schurken als Hauptfigur beizutragen, die nun in dieser Sammlung präsentiert werden.
Nein, so wirklich böse sind sie nicht, die Schurken, die George R. R. Martin in seinem Vorwort aufzählt; oder hält wirklich jemand Rhett Butler ("Vom Winde verweht") für einen Bösewicht? Indiana Jones ist eindeutig ein Held, ungeachtet seiner manchmal unorthodoxen Methoden. Und doch, es sind gerade diese Finten, diese halbseidenen Aktionen, mit denen sich solche Figuren in das Herz des Publikums schleichen. Schließlich sind sie wesentlich cooler als jeder, der sich an die Regeln hält und wer hat nicht schon einmal für die bösen Jungs geschwärmt?
So war die Regel für die Geschichten in diesem Buch einfach. Es geht nicht um Helden, sondern um diejenigen, die gegen das Gesetz oder ungeschriebene Regeln verstoßen. Ansonsten hatten die Autoren freie Wahl, was Stil, Zeit oder Welt angeht und sie haben das Beste daraus gemacht. Nicht jede Geschichte wird allen Lesern gefallen, das liegt in der Natur einer Kurzgeschichtensammlung. Deutlich ist jedoch, dass sich die Autoren sich richtig austoben durften und viele von ihnen nutzen dies, um in ihre Lieblingswelt zurückzukehren.
George Martin sucht Westeros auf und erzählt eine weitere Geschichte über die Targaryens, Patrick Rothfuss kehrt zurück zu den Königsmörder Chroniken und Neil Gaiman hat Neues vom Marquis de Carabas (Niemalsland) zu berichten. Langjährige Freunde der Fantasy werden also gewiss auf alte Bekannte treffen. Doch auch Joe Lansdale, der ja nun eher für seine
Hap und Leonard Thriller bekannt ist, gesellt sich in die illustre Runde und weiß zu überzeugen.
Ein derartig sorgfältig zusammengestelltes Buch mit kreativen und überraschenden Geschichten ist ein wahres Fest. Auf eintausend Seiten betören, überraschen und überlisten die Schurken ihre Gegner und die Leser, woran Letztere sicherlich ihren Spaß haben. Hier machen das Lesen, Stöbern und Wiederentdecken Freude. Nicht jede Geschichtensammlung kann überzeugen, doch "Der Bruder des Königs" gelingt dies mit Bravour.
Ein Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.