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Es hätte so schön sein können. Wie sehr hatte sich Richter Di auf den Besuch seines alten Freundes Lo gefreut und sich vorgenommen, mit diesem in gediegener Atmosphäre zu feiern. Leider muss er feststellen, dass Lo nach ganz anderen Dingen der Sinn steht und dieser sich gerne im Rotlichtviertel vergnügen möchte. Von einem guten Gastgeber wird erwartet, dass er sich den Wünschen des Gastes fügt und so nimmt Di den Ärger mit seinen drei Gattinnen in Kauf und begleitet seinen Freund. So weit, so unerfreulich, doch es kommt noch schlimmer, als eine kopflose Leiche gefunden wird und der Richter auch noch die Ermittlungen übernehmen muss. Prompt hängt der Haussegen schief und Dis Nachforschungen wirbeln zudem gehörig Staub auf.
Wie meinen? Ein Buch über den ehrenwerten Richter Di? Ein neues, gar, wo das erste doch bereits 1956 herausgegeben wurde? Nun, Leser, die den chinesischen Richter kennen, mögen sich wundern, schließlich verstarb der ursprüngliche Autor der Reihe, Robert van Gulik bereits 1967. Ein genauerer Blick macht jedoch klar, wie ein neues Buch über die bekannte Romanfigur möglich ist, hat doch der französische Schriftsteller Frédéric Lenormand es übernommen, dem altehrwürdigen Ermittler neues Leben einzuhauchen. Seit 2004 hat er bereits zwanzig neue Abenteuer verfasst, die erst seit 2016 ins Deutsche übersetzt und durch den Kuebler Verlag herausgegeben werden. "Das Palais der Kurtisanen" ist nach "Das Wasserschloss am Tchou-An-See" und "Die Nacht der Richter" der mittlerweile dritte Band mit neuen Ermittlungen im alten China, der ins Deutsche übersetzt wurde.
Er hätte es bleiben lassen sollen. Was in den Fünfzigerjahren unterhaltsam war, trifft heute den Zeitgeschmack nicht mehr. Der Humor, der in der Erzählung immer wieder aufblitzt, wirkt altbacken und nicht zeitgemäß. Richter Di könnte, vom Namen einmal abgesehen, überall auf der Welt zuhause sein; es würde keinen Unterschied machen. Weder die hausgemachten Probleme mit seinen Gattinnen, noch seine Einstellung oder Lebensweise machen auch nur ansatzweise den Eindruck, irgendwie fernöstlich zu sein. Da gibt Lenormand seinen Lesern keinen Grund, sich auf die Handlung einzulassen und die Figuren ins Herz zu schließen.
Bei den eigentlichen Morden, denn es werden im Laufe der Geschichte immer mehr, findet sich eine erstaunliche Härte, die nicht so recht zu dem ursprünglich oberflächlich heiteren Ton passen mag. So bildet die Handlung kein harmonisches Ganzes und so wirklich kann der Leser sich nicht in das Buch einfinden. Da ist es irgendwann egal, wie viel Mühe der Autor sich gibt, weder die Figuren noch die Mordfälle berühren den Leser und so bleibt das Buch bedauerlicherweise belanglos, was es dann auch einfach macht, es immer mal wieder aus der Hand zu legen.
Ganz sicher würde niemand "Das Palais der Kurtisanen" einem guten Freund empfehlen und ihm davon vorschwärmen. Es wird einfach schnell wieder vergessen und das ist wohl das Schlimmste, was jemand über ein Buch sagen kann.
Nein, nicht jede Romanfigur muss wiederbelebt werden und dieser Roman ist der Beweis dafür. Vielleicht ist das Schicksal dem Richter nun gnädig und er darf in Frieden ruhen.
Weitere Informationen sind auf der Verlagswebseite vorhanden.