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Jäger, Viehzüchter, Entdecker und Eroberer, Händler und Handwerker, Auswanderer und Staatengründer – die Wikinger sind vieles. In einem ständigen Ringen um Macht, Ansehen und Reichtümer, überfallen sie nicht nur ferne Länder, sondern fechten einen andauernden Wettstreit untereinander aus. Die Geschickten und Furchtlosen vereinen mehrere Sippen unter sich, schicken sie auf Walfang, zu Plünderungen oder in die Fremde, und wenn die Männer heimkehren, versammeln sie sich an Odins Tafel und halten ein Festmahl ab. Doch welcher Weg ist nun der richtige, um all die anderen Anführer zu übertrumpfen? Wessen Besitztümer sind mehr wert, die des Stammes, der sich auf Viehzucht spezialisiert hat, oder jene des Eroberers, der zwei Inseln sein eigen nennt. Vielleicht ist es aber auch der geschickte Händler oder jener Herrscher, der seine Sippen zu weit entfernten Kontinenten schickte. Mut, die richtige Taktik und das gewisse Quäntchen Glück bestimmen, wer den Sieg davon trägt beim Fest für Odin.
Die Qual der Wahl Das neue große Worker-Placement-Spiel von
Uwe Rosenberg entführt die Spieler in den hohen Norden des frühen Mittelalters. Dabei ist das Thema nicht einfach nur Gewand, der deutsche Erfolgsautor hat sich tiefgehend eingearbeitet in die Zeit der Wikinger und hat ein nicht nur liebevoll gestaltetes, sondern auch thematisch durchdrungenes Spiel herausgebracht, das auf vielen Ebenen zu begeistern weiß. Doch ist "Ein Fest für Odin", sicherlich kein einfaches Einsteigerspiel, auch wenn es sich letztlich deutlich leichter spielt, als das Regellernen vermuten lässt. Sage und schreibe 61 Felder umfasst der Worker-Placement-Bereich (im Spiel zu viert kommen noch zwei Nachahmungsfelder hinzu), der Kern des Spiels. Und im Gegensatz zu anderen Rosenberg-Titeln, in welchen ein Teil der Felder erst nach und nach aufgedeckt und somit freigeschaltet wurden, stehen diese Setzoptionen alle von Anfang an zur Verfügung. Eine mehrminütige Optionsparalyse vor dem ersten Zug ist daher quasi vorprogrammiert.
Mit der Zeit entwickeln Spielgruppen einige Standard-Eröffnungen, wie es allerdings auch bei
Agricola und Co. schon üblich war. Ziel beim "Fest für Odin" ist es, möglichst viele Siegpunkte zu erlangen. Doch jeder Spieler beginnt zunächst mit einem
Heimatplan, der 86 Minuspunkte verzeichnet. Der fleißige Wikingeranführer sollte also nicht nur auf eine der etlichen verschiedenen Möglichkeiten Punkte einfahren, sondern vor allem auch die Minuspunkte auf seinem Heimatplan abdecken, was mit verschiedenen Arten von Warenplättchen möglich ist.
All die Güter Insgesamt dreißig unterschiedliche Waren sind im Spiel. Sie sind in vier Kategorien und acht unterschiedliche Größen aufgeteilt. Die Kategorie
Agrarprodukte stellt quasi die Basis dar, und ist am leichtesten zu erhalten, während die anderen drei Kategorien drei Upgrade-Stufen der Waren gleichkommen. Die einzelnen Güter können auch tatsächlich durch Aktionen aufgewertet werden, sodass etwa aus einer Schale Erbsen (Kategorie
Agrarprodukt) ein Horn Met (Kategorie
Tierprodukt), ein Ölfässchen (Kategorie
Handwerksprodukt) und letztendlich ein Runenstein (Kategorie
Luxusware) werden kann. Nötig sind diese Aufwertungen vor allem weil auf dem Heimatplan nur Waren der beiden höchsten Kategorien ausgelegt werden dürfen. Und nur
Luxuswaren dürfen auch nebeneinander liegen, während
Handwerksprodukte sich untereinander nicht berühren dürfen.
Um die Minuspunkte auf dem Plan loszuwerden, sind also jede Menge
Luxuswaren erforderlich und etwas Tetris-Erfahrung. Denn letztlich ist alles in die höchste Kategorie umzuwandeln zwar eine valide Möglichkeit seinen Plan zu füllen, doch verbraucht dies auch viele Aktionen. Effizienter ist es meist, möglichst geschickt Handwerksprodukte und Luxuswaren regelkonforme miteinander zu verschränken.
Auf zu neuen Ufern Wem sein
Heimatplan als Herausforderung noch nicht reicht, der kann zusätzliche Pläne während der Partie hinzunehmen. Es gibt sowohl
Scheunen und Häuser, die auch mit
Agrar- und
Tierprodukten befüllt werden dürfen, als auch Inseln, sogenannte
Entdeckungspläne, die nach denselben Regeln des
Heimatplans funktionieren. Zusätzliche Pläne bringen jedoch nicht direkt Siegpunkte, sondern verzeichnen auch erst einmal Minuspunkte. Hier gilt es ebenso geschickt zu puzzeln, um diese abzudecken.
Doch können
Heimatplan, zusätzliche Inseln und vor allem
Häuser nicht nur Punkte abwerfen. Einige Felder haben sogenannte
Prämien aufgedruckt, die jede Runde ausgeschüttet werden, wenn es dem Eigentümer des Planes gelingt, diese vollständig zu umbauen. Dabei kommt vor allem bei
Häusern eine Maschinerie in Gang, die sich gut selbst reproduzieren kann: So wirft ein
Haus solche Waren als
Prämien ab, die gut ein neues
Haus füllen können, dann erzeugen beide
Häuser Prämien, die wiederum mehrere neue
Häuser befüllen und so weiter. Allein die Verwaltung von
Häusern kann also eine valide Siegstrategie sein, denn letztlich bringen volle
Häuser am Ende Punkte.
Der Lockruf der FerneEine andere Art Punkte zu erlangen, bietet etwa die Möglichkeit Schiffe zu bauen, und damit auszuwandern.
Walfänger,
Knorr und
Langschiff bringen ihrem Besitzer jeweils allein schon Punkte; die beiden Großschiffe (die letztgenannten Kategorien) können jedoch auch dazu genutzt werden, einen Teil seiner Wikinger in unerforschtes Land zu schicken, was schlicht bedeutet, dass sie auf dem Plan durch ein umgedrehtes Schiff abgedeckt werden.
Ausgewanderte Wikinger sitzen zum einen nicht mehr an Odins Tafel, wenn es, wie in jedem großen Rosenberg Titel darum geht, seine Leute zu ernähren, zum anderen bringt ein umgedrehtes Schiff dreizehn Punkte mehr, als ein offen ausliegendes. Und obwohl die
Auswanderung die Ernährung der eigenen Leute erleichtert, indem einzelne Sippen quasi weggeschickt werden, verliert der Spieler dadurch in den Folgerunden keine Arbeiter. Das ist auch gut so, denn jeder Mann ist wichtig in diesem Spiel und so ist es umso besser, dass die Truppe jede Runde automatisch wächst. Es gibt keinen Streit mehr um die Nachwuchs-Felder, keine hinterherhinkenden Spieler, keine asymmetrischen Aktionsrunden – oder doch?
Der Kern des Spiels Das Einsetz-Brett teilt sich in zehn verschiedene Bereiche auf und ist in vier Spalten unterteilt. Die einzelnen Spalten verlangen unterschiedlich viel Arbeiter, um aktiviert zu werden, ähnlich wie die unterschiedlichen Felder bei
Marco Polo (ausnahmsweise ein Spiel zu dem sich Anklänge finden, das nicht von Rosenberg selbst ist). Während ein Spieler also seine Runde ziemlich kurz gestaltet, wenn er Felder nutzt, die drei oder vier Wikinger fordern, kann ein anderer Spieler einen Arbeiter nach dem anderen in der ersten Spalte platzieren und deutlich mehr Aktionen ausführen. Dabei muss jeder selbst entscheiden, was letztlich effektiver ist. Und natürlich gelingt das Mann-für-Mann-Einsetzen nur, solange diese Felder auch frei sind. "Ein Fest für Odin" ist besonders prekär im Drei-Personen-Spiel. Während es bei vier Spielern, gleich zwei Möglichkeiten gibt, bereits besetzte Felder nachzuahmen, gilt zu dritt, was weg ist weg, und steht erst nächste Runde wieder frei. Doch was genau steht da eigentlich frei oder nicht?
Alle Wege führen … zum Sieg? Neben Bereichen mit relativ einfachen Aktionsfeldern, wie etwa dem
Wochenmarkt, wo bestimmte Waren erlangt werden können, oder dem
Handwerk, in welchem Waren in andere umgearbeitet werden, gibt es auch deutlich anspruchsvollere Bereiche, wie die
Jagd oder die Plünderungen der
Schifffahrt. Hier kommt erstmals durch einen Würfelwurf eine größere Glückskomponente in ein Rosenberg-Worker-Placement. Möchte der Spieler etwa auf
Walfang gehen, so benötigt er zuerst ein
Walfangboot. Dieses startet mit einer kleinen Bewaffnung, kann aber durch das Platzieren von Eisen auf dem Boot besser ausgestattet werden. Dann bestimmt ein Würfelwurf, welchen Zielwert der Spieler mit seiner Bewaffnung und zusätzlich abgegebenen Waffen (in Form von Karten) und Holz aufbringen muss, um erfolgreich zu sein, und die Beute für den
Walfang einzufahren. Die
Jagd funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Genau umgekehrt ist es bei Plünderungen: Hier sind möglichst hohe Würfelwürfe wertvoll, denn sie bestimmen die Güter, die die eigenen Wikinger auf diesem Raubzug eingesteckt haben. Leider passiert es allzu häufig, das Spieler, die in der
Jagd beständig hoch würfeln gleichzeitige bei der Plünderung niedrig würfeln - wer Pech mit dem Acht- und dem Zwölfseiter hat, kann dem eben einfach nicht entgehen. Das Schöne ist jedoch, dass auch dies eben nur Optionen sind, es stehen auch andere Wege zum Sieg offen, die kein Würfelglück erfordern. So können etwa Tiere gezüchtet werden, ein altbekanntes Thema. Die Viehzucht ist bei "Ein Fest für Odin" einerseits einfacher, da von Anfang an eingegrenzter Stallplatz für das Vieh vorhanden ist, keine komplizierten Tierhaltungsregeln, eine reine Tierstrategie stellt sich jedoch trotzdem als schwieriger spielbar heraus als andere Wege.
Suchtfaktor 100 Es könnte das Uwe-Rosenberg-Prinzip heißen: seine eigenen gelungenen Werke immer wieder in neue Spiele umzusetzen. Doch tatsächlich kommt immer wieder etwas dabei heraus, das in der persönlichen Spiele-Sammlung nicht fehlen darf, auch wenn alle anderen Rosenberg-Titel dort schon stehen. Mit "Ein Fest für Odin" schafft der erfolgreiche Autor es nicht nur, das Grundprinzip von
Agricola zu verarbeiten, wie bereits in
Caverna. Auch andere Teile des Spieles sind dem Fan schon bekannt. Der hier eigentlich erstmals auftretende Puzzlemechanismus wurde bereits während der Entwicklung ausgekoppelt und als
Patchwork rausgegeben und auch in dem ebenso zuvor erschienen
Cottage Garden verwendet. Die Farbcodes der Ausbildungskarten, von denen es in "Ein Fest für Odin" reichlich gibt, entsprechen den Gebäudefarben bei
Glasstraße. Das mag zunächst den Eindruck erwecken, als würde das Spiel als alter Hut daher kommen. Doch weit gefehlt. Und ganz im Gegenteil können sich diese Überschneidungen für Kenner als äußerst hilfreich herausstellen, denn so sind einige Dinge in "Ein Fest für Odin" von Anfang an vertraut, und bieten eine erhebliche Erleichterung beim Einstieg. Bei der Fülle an Aktionsmöglichkeiten und Mechanismen, die das Spiel bietet, droht die doch recht umfangreiche und langwierige Regelerklärung Neulinge hingegen erstmal zu erschlagen.
Doch lohnt sich der Lernaufwand, denn "Ein Fest für Odin" ist erneut ein ganz großer Wurf. Unzählige Optionen versetzen den Spieler zunächst in eine Starre, eine Auswahlparalyse, eröffnen aber auch unzählige Möglichkeiten zum Sieg. Und war die eine Strategie erfolgreich, so verlocken noch ein Dutzend weitere, das Spiel immer wieder neu anzugehen. Dass ein ganzes Heft mit Hintergrund-Informationen zur Geschichte der Wikinger und jedem einzelnen Element des Spiels beiliegt, ist noch das Sahnehäubchen obendrauf. Rosenberg versteht es bereits bekannte Mechanismen mit neuen zu mischen und Althergebrachtes so neu zu kombinieren, dass ein völlig anderes Spiel entsteht – und eines das Freude und Abwechslung bringt, auch noch nach unzähligen Partien.