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In Kriminalromanen und –filmen gehören die Mitarbeiter der Rechtsmedizin oft zu den wichtigsten Figuren. Schließlich sind sie in der Lage, Spuren auszuwerten, die im Rahmen einer Straftat entstehen. Mit den heutigen analytischen Verfahren stehen ihnen Möglichkeiten offen, die vor wenigen Jahrzehnten noch undenkbar waren.
Wie der Titel "Tatorte der Vergangenheit" bereits verrät, geht es im hier besprochenen Buch um Aufgaben für Forensiker, die durch archäologische Funde entstanden. Es werden die unterschiedlichsten Verfahren zur Rekonstruktion von Tatabläufen, zur Feststellung von Todesursachen sowie zur Identifizierung von rezenten wie vor längerer Zeit verstorbenen Personen vorgestellt. Dazu gehören unter vielen anderen die Liegezeitbestimmung von Leichen oder Leichenteilen, etwa anhand von Fliegenmaden-Entwicklungsstadien, anthropologische Methoden, die Radiologie, Genanalysen, Gesichtsrekonstruktionen, forensische Ballistik und die chemisch-toxikologische Analyse von Haarproben.
Im Anhang findet sich ein Autorenverzeichnis.
Beim Auffinden einer Leiche oder von Skelettteilen stellen sich den Kriminalisten etliche Fragen. In manchen Fällen gehört sogar jene dazu, ob es sich um einen erst kürzlich verstorbenen Menschen handelt oder um jemanden, der vor Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten zu Tode kam. Die modernen forensischen Methoden können zum Teil jedoch auch dann eingesetzt werden, wenn es um auf menschliche Überreste bezogene Fragestellungen aus der Archäologie geht. Bekannte Beispiele sind Tutanchamun und "Ötzi". Wie das Buch "Tatorte der Vergangenheit" zeigt, lassen sich ihre Lebensweise und ihr Tod heute recht genau rekonstruieren.
Es gibt eine Fülle an forensischen Verfahren, die zum Einsatz kommen. Im Buch folgt auf die Vorstellung jedes von ihnen ein Fallbeispiel. Diese Anwendungen erweisen sich als so vielseitig und spannend wie die Methoden selbst. Reste von Käfern verraten die ungewöhnliche Grabgeschichte der Königin Editha (Ehefrau Ottos des Großen), mittels Sektion (Obduktion) werden Informationen über jene Medici erhalten, die in der Florentiner Kirche San Lorenzo bestattet wurden. Ein Praktikumsprojekt befasst sich mit der Identifizierung eines auf einem Kleinbasler Armenfriedhof gefundenen Skeletts – fast ein Krimi. Ein Knochenfund kann einem im Zweiten Weltkrieg in den Laacher See abgestürzten Mitglied einer Fliegerbesatzung der Alliierten zugeordnet werden. Dazu kommen neuste Erkenntnisse über "Ötzi" und Tutanchamun. Und so weiter.
Wie wohl zu erwarten, eignet sich der erste Abschnitt zur Liegezeit nicht für ganz schwache Gemüter. Denn das Buch und somit auch dieses Kapitel arbeitet nicht nur mit laientauglichen, gründlichen, streng sachlichen Erklärungen, sondern auch mit zahlreichen Fotos zu den Themen, hinzu kommen Skizzen und Grafiken. So lassen sich die Inhalte bestens verstehen, und als sehr kurzweilig erweist sich das Buch ebenfalls, nicht zuletzt aufgrund der sehr unterschiedlichen Fallbeispiele aus unterschiedlichsten Epochen: "Ötzi" etwa lebte vor rund fünftausend Jahren, andere Fälle wie jene des alliierten Fliegers liegen nur einige Jahrzehnte zurück. Bei aller Sachbezogenheit berichten die Autoren respektvoll und sensibel von den Arbeiten mit den sterblichen Überresten seinerzeit prominenter oder zunächst völlig unbekannter Menschen. Dieses Herangehen überträgt sich auch auf den Leser und trägt dazu bei, das Interesse an der Anwendung forensischer Methoden auf archäologische Aufgabenstellungen zu vertiefen.
Wer dieses Buch kauft, sollte natürlich bereits ein gewisses Faible für das Thema mitbringen. Naturwissenschaftliche Vorkenntnisse sind über die Schulbildung hinaus zum Verständnis nicht erforderlich. Die Lektüre bietet einen reichen, bestens aufbereiteten Fundus an faszinierenden Erkenntnissen. Für ein so hochwertiges Buch zu einem Nischenthema ist der nicht ganz geringe Preis angemessen.
Eine Leseprobe wird auf der Website der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft angeboten.