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Für ihre Familie würde Liesl alles tun. Ihr jüngerer Bruder, Josef, ist ein begabter Geigenspieler und Liesl stellt schon ihr ganzes Leben ihre Bedürfnisse zurück, um Seppl, wie sie ihn nennt, zu fördern und sich um ihn zu kümmern. Wenigstens er soll aus dem Dorf in die Großstadt ziehen und nicht im Wirtshaus der Eltern versauern.
Ihre jüngere Schwester ist mit Hans verlobt, Liesls Jugendfreund, in den diese heimlich verliebt ist. Kein Wunder, dass Liesl nicht besonders glücklich ist, doch irgendwie scheint es, als würde sie immer übersehen. Dabei ist auch sie musisch begabt, sehr sogar. Doch außer ihrer Großmutter erkennt niemand, was wirklich in ihr steckt, nicht mal die junge Frau selber. Da erscheint zur längsten Nacht des Jahres der Erlkönig unter den Menschen, um sich eine Braut zu suchen. Seine Wahl fällt auf die hübsche jüngere Schwester, Käthe. Doch des Erkönigs Wahl wäre Käthes Tod und so setzt Liesl alles daran, ihre Schwester zu retten, selbst wenn es ihren eigenen Tod bedeutet. Sie hat jedoch nicht damit gerechnet, dass auch der Koboldkönig ein Herz hat, das er verlieren kann.
Niemand reitet so spät durch Nacht und Wind in S. Jae-Jones Geschichte und doch greift die Autorin alte Geschichten auf und macht aus ihnen etwas komplett Neues. Alte Mythen über die Rauhnächte sind in "Wintersong" ebenso zu finden, wie Wechselbälger oder Feenhügel. So geht es dem Leser ähnlich wie der Hauptfigur, er erkennt die alten Geschichten, Begebenheiten werden ihm seltsam vertraut vorkommen und faszinieren, doch wirklich zu greifen sind sie nicht. Das macht den Reiz der Geschichte aus und verleitet dazu, immer weiter lesen zu wollen.
Ein wenig hinderlich dagegen ist ausgerechnet Liesls musische Begabung, dann die junge Dame drückt ihre Gefühle und Gedanken größtenteils in Noten aus. So setzt sie sich immer wieder hin, um zu komponieren, spielt Klavierstücke, um ihrer Umgebung mitzuteilen, was ihr auf dem Herzen liegt und was sie bedrückt. Da hat sich die Autorin einerseits etwas Besonderes ausgedacht und es verleiht dem Buch ein ganz eigenes Flair, doch da auch Liesls Bruder und der Erlkönig zu dieser Methode greifen, muss sich der Leser deshalb durch einige Beschreibungen von Musikstücken kämpfen, was nicht jedermanns Sache ist, ganz zu schweigen davon, dass manche Probleme doch besser einfach miteinander besprochen werden sollten, besonders, wenn es um Leben oder Tod geht.
Es ist Liesl zu verdanken, dass es trotzdem Spaß macht, das Buch zu lesen, denn in ihr findet der Leser eine herzliche, mutige Heldin, die zugegebenermaßen eine Weile braucht, bis sie bereit und in der Lage ist, sich selber zu erkennen und ihr Leben in die Hand zu nehmen. Ihre Geschichte wird über mehrere Bücher erzählt, sodass in diesem ersten Band nicht alle Handlungsstränge zu einem Ende geführt werden und einige Fragen offenbleiben. Das ist ja heutzutage nicht unüblich, doch wer in sich geschlossene Handlungen mag, für den bleiben einige Wünsche offen.
Für alle anderen wird das weniger ein Problem sein, denn die von S. Jae-Jones erdachten Figuren sind nicht nur Beiwerk. Sowohl Liesls Familie als auch der Erlkönig haben genügend Hintergrund, sodass der Leser nicht anders kann, als neugierig zu werden und mehr erfahren zu wollen. Hinter jedem gelösten Rätsel liegt ein neues und das ist die beste Art, eine Geschichte zu erzählen, denn sie wird nie langweilig.
"Wintersong" bietet Liebe, Geheimnisse und alte Sagen. Wer diese Zutaten mag, sollte zumindest einen Blick in diese All-Age Fantasy werfen. Der Leser darf gespannt sein, welche Mythen die Autorin in den nächsten Bänden aufgreift und welche Ideen sie darauf entwickelt.
Eine Leseprobe ist auf der Verlagsseite erhältlich.