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Nick, von Beruf Schriftsteller, ist mit seinem Freund Moreland, einem Komponisten, ausgiebig in der Londoner Szene unterwegs. Doch ihre Lieblingskneipe, das "Mortimer", gibt es nicht mehr, und so muss eine Ausweichmöglichkeit gesucht werden: vielleicht Casanovas chinesisches Restaurant, eine schräge Fusion eines italienischen mit einem in der Tat chinesischen Restaurant? Auch hiermit verbinden beide allerlei Abenteuer und tiefschürfende Gespräche.
Vom Vorkriegsleben scheint nicht viel übrig geblieben zu sein. Nick lässt die Ereignisse von vor ein paar Jahren Revue passieren, vor seiner Hochzeit, vor jener Morelands, und gleicht sie mit dem aktuellen Zustand ab. Viel ist geschehen, wenig von dem alten Glanz geblieben.
Anthony Powell hat eine Adlige geheiratet, er hatte engen Kontakt zur gehobenen englischen Gesellschaft vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Dies schlägt sich auch in seinem Roman "Casanovas chinesisches Restaurant" nieder. Es handelt sich dabei um den fünften Teil einer Gesellschaftsbetrachtung in Romanform. Allein der Titel steckt voller subtilem Humor. Letztlich steckt Pragmatismus dahinter – wenn ein italienischer Club ein chinesisches Restaurant übernimmt, muss wohl etwas Eigenwilliges dabei herauskommen.
Powells Charaktere, sämtlich Angehörige der gehobenen Mittel- und vor allem der Oberschicht, haben sich seit der aufgeladenen Vorkriegszeit weiter entwickelt oder zumindest weiter treiben lassen. Ich-Erzähler Nick, Schriftsteller, betrachtet voller Ironie und mit dem typisch englischen Humor, dabei nicht ohne Empathie, wie sie ihr Leben innerhalb der vergangenen Jahre verbracht haben. Wesentlich ist dabei sein Freund Moreland, Komponist, der mit den losen Beziehungen aufhören und eine bezaubernde Schauspielerin heiraten möchte. Und es gibt Erridge, einen adligen Erben, der unbedingt im spanischen Bürgerkrieg mitwirken wollte und mittlerweile wieder zu Hause angelangt ist, doch über die genaueren, durchaus spannenden Umstände darf im Rahmen einer Rezension natürlich nicht berichtet werden.
Nicht ganz Shaws Schärfe und Ironie, ein wenig Proust. Verlorene Seelen, die miteinander interagieren, die dazugehörigen Körper haben auch mal Sex miteinander, wenn es sich ergibt, unspektakulär, ohne dass Details erwähnt werden, und doch scheint sie kaum mehr zu verbinden außer der ausgesuchten Höflichkeit, mit der distinguierte Menschen einander nun eben begegnen. Mehr oder weniger ergeben sich alle dem Mainstream, selbst im Milieu der Künstler und Kunstkritiker, und es ist kein Zufall, dass zu Beginn und Ende das Scheitern eines Nichtangepassten im Mittelpunkt steht.
In der deutschen Übersetzung kommt das alles ganz gut an, wenngleich hier und da Wortwiederholungen hätten vermieden werden können, die im Original vermutlich nicht vorkommen – das immerhin lässt die Übersetzung erahnen, die den Wortwitz recht gut aufnimmt und vermittelt.
Powells Roman erweist sich als eine düstere, gleichwohl humorige Bestandsaufnahme der Mitte des 20. Jahrhunderts im Upperclass-England, mit einem Fokus auf die Details, der dennoch die großen Zusammenhänge nicht ignoriert.
Eine Leseprobe und weitere Infos gibt es auf der Verlagsseite.