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Wandern hatte, vielleicht mit dem Wirtschaftswunder beginnend, lange Zeit den Ruch des Spießigen. In unserer schnelllebigen Zeit haben viele Menschen es wieder entdeckt, um zu "entschleunigen" und um der Naturerlebnisse willen, die es bietet. Freilich kann das Wandern auf eine lange Tradition zurückblicken, größtenteils ohne Teleskopstöcke, Funktionskleidung, Navis und andere aktuelle "Segnungen" – dies zeigen das hier vorliegende Buch und die Ausstellung, als deren Katalog es fungiert. Die Ausstellung ist noch bis zum 16. September 2018 in
Berlins Alter Nationalgalerie zu sehen.
Im Buch folgen auf Grußworte und Vorwort zunächst acht Aufsätze mit den Titeln "Von Wanderlust gelockt" (Einführung), "Ich werde unter die Erde gehen, und Du wirst in der Sonne schreiten" (Philosophie des Wanderns um 1800), "Gedenke zu wandern! – Lebenswege", "Das Narrativ vom Künstler als freiem Wanderer" (Rousseau und von ihm inspirierte Künstler), "Wie für Maler besonders hergerichtet – Wandern im Sehnsuchtsland Italien", "Der Heimath zu / Ohn Rast noch Ruh – Wanderungen durchs malerische und romantische Deutschland", "Spaziersucht, Lustwandel und Bergdrang – Bilder von Frauen unterwegs", "In der Gegend umherschweifen – Literarische Wanderungen in Klassik und Romantik".
Ihnen schließt sich der Katalog an mit den Teilen "Entdeckung der Natur, "Lebensreise", "Künstlerwanderung", "Sehnsuchtsland Italien", "Wanderlandschaften nördlich der Alpen", "Spaziergänge" und "Aufbruch". Im Anhang finden sich Hinweise zu den Exponaten, Leihgeber und Dank, Literatur, Angaben zu Autorinnen und Autoren, Personenregister, Bildnachweis und Impressum.
Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" ist möglicherweise der bekannteste Wanderer überhaupt. Er steht für eine Bewegung in der Romantik, in der es um das unmittelbare Erleben der Natur und der Einsamkeit ging. Es gab auch andere Motivationen für das Wandern, zum Beispiel der Wunsch, Berge zu bezwingen (und möglicherweise hierbei eine Pionierleistung zu vollbringen), oder die Walz der Handwerksgesellen. Dass Wanderer zum Motiv für die Kunst wurden, verwundert daher nicht. Bislang einmalig ist allerdings die Ausstellung in Berlin, die das Wandern oder vielmehr die Wanderlust zum Inhalt erkoren hat. Im Buch stehen die acht Essays zu unterschiedlichen Aspekten des Themas dem Katalog der Exponate gegenüber.
Es lohnt sich definitiv, die Aufsätze zu lesen, ob als Begleitung zur Ausstellung oder als Ersatz für einen nicht möglichen Besuch. Mit reichlich Anschauungsmaterial versehen, bieten sie unter verschiedenen Gesichtspunkten abwechslungsreiche Einstiege in die künstlerische Betrachtung des Wanderns. Hervorgehoben sei exemplarisch der Essay zu den spazieren gehenden oder wandernden Frauen, in dem auch auf den emanzipatorischen Aspekt des Bergwanderns hingewiesen wird. Für alle, die die Ausstellung nicht besuchen können, bieten die Aufsätze einen gelungenen und anregenden Einstieg.
Natürlich ist der Katalog das Herzstück des Buchs. Angenehm großformatig angelegt und mit lediglich einer Abbildung pro Seite – bisweilen auch einer pro Doppelseite -, präsentiert er dem Betrachter die Exponate in angemessener Größe. Deshalb und aufgrund der sehr guten Druckqualität erhält der Leser einen detaillierten Blick auf die Kunstwerke. Diese werden begleitet von knappen Kerndaten und einem kurzen erläuternden Text, der das eigentliche Bild mit nützlichen Informationen ergänzt, ohne die Aufmerksamkeit von ihm abzuziehen. Ein gelungener Spagat! Hinzu kommt die Vielseitigkeit der Ausstellungsstücke und somit der Bilder: Von der frühen Romantik bis zur klassischen Moderne spannt sich der Bogen, von der Bleistiftzeichnung über das Ölgemälde bis zur Plastik (Barlach!).
Ob zur Vor- oder Nachbereitung eines Ausstellungsbesuchs oder in Ermangelung desselben als Ersatz – ein ganz starker Bildband zu einem zunehmend aktuellen Thema!
Ein Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.