Trotz fortschreitender technischer Neuerungen sind Perkussion, Auskultation und Palpation noch immer Bestandteil der medizinischen Diagnostik. Sie benötigen keine teuren Geräte, sind nicht invasiv und bilden den ersten - und manchmal einzig nötigen - Schritt zur Diagnose. Martina Kahl-Scholz gibt hier ein Buch heraus, dass beim Erlernen und Auffrischen dieser basisdiagnostischen Fertigkeiten hilft.

Das Lehrbuch ist sehr systematisch aufgebaut. Zu jedem der drei Fachbereiche (Kardiologie, Pneumologie, Gastroenterologie) gibt es einen einführenden Teil zu Perkussion, Auskultation und Palpation; anschließend werden die häufigsten Krankheitsbilder vorgestellt. Dabei wird jeweils zusätzlich auf Epidemiologie, weiteren Symptome, Differentialdiagnosen und weiterer Diagnostik eingegangen. Abschließend werden zu jedem Fachbereich die Besonderheiten im Kindesalter und in der Geriatrie erläutert.

Besonders hilfreich sind die "Tipps und Tricks" im einführenden Teil, die nicht nur für den handwerklichen Teil der Diagnostik, sondern auch für den empathischen Umgang mit den Patienten praktische Tipps geben.

Während die epidemiologischen Absätze in der Pulmologie und Gastroenterologie hilfreich sind, um die häufigsten Ursachen und die Prävalenz im Klinikalltag abzuschätzen, sind die epidemiologischen Angaben im Abschnitt Kardiologie oft weniger hilfreich. Passagen wie "gibt keine genauen Zahlen" oder "gibt es nur wenige epidemiologische Daten" sind inhaltlich zwar korrekt, für Studium und Arbeitseinstieg jedoch nicht relevant. Das absolute Negativbeispiel findet sich bei der Myokarditis:



Dieser Satz ist nicht nur wortgenau aus einem Ärzteblattartikel von Uwe Kühl und Heinz-Peter Schultheiss abgeschrieben (ohne Quellenangabe im Buch), zudem sollte in einem Buch mit lediglich 123 Seiten Fachwissen (und weiteren vierzehn Seiten MC-Fragen) ein Absatz mit derart nichtigem Mehrwert für den Klinikalltag nicht auftauchen. Im gesamten Myokarditis Kapitel finden sich weitere Kopien von Textpassagen aus besagtem Ärzteblattartikel. In der Einleitung wurde der Satzbau immerhin noch etwas verändert, im Laborabschnitt wurde erneut der exakte Wortlaut kopiert.

Besser macht es das Schweizerische Medizinische Forum, das einen Artikel veröffentlicht hat, der trotz unklarer Epidemiologie einen klinisch relevanten Satz anzubieten hat: "Es wird geschätzt, dass ungefähr 10% aller Patienten mit unklarer Kardiopathie an einer Myokarditis leiden." Hieran hätten sich die Autoren gerne orientieren können.

Sehr gut beschrieben sind die Differentialdiagnosen und weiterführende Diagnostik. Da hier sehr oft das EKG erwähnt wird, sollte bei einer eventuellen Neuauflage darüber nachgedacht werden ein Kapitel EKG einzufügen. Wenn Röntgen als Diagnostik vorgeschlagen wird, wird meist ein gut ausgewähltes Röntgenbild gezeigt. Leider ist die Druckqualität der schwarz-weiß Abbildungen zum Beispiel für den Spitzenpneumothorax (S. 76) unzureichend. Hier wäre eine größere Abbildung oder eine Integration der Röntgenbilder in die Springer Multimedia-App wünschenswert.

Die Hörbeispiele und Videos, die mithilfe der App abgespielt werden können, sind qualitativ gut und hilfreich. Leider bietet die App nicht von sich aus alle zum Buch gehörenden Medien an, sondern jedes Hörbeispiel muss einzeln vom Buch eingescannt werden.

Für unter zwanzig Euro ein gutes Buch für Studium und Arbeitseinstieg, das mit einigen Veränderungen noch besser und inhaltlich wertvoller werden könnte.

Eine Leseprobe findet sich auf der Verlagshomepage