"Vergesst die Elfen - jetzt kommen die Elben!" - Wer diesen Spruch auf die Rückseite des Romans "Elbenzorn" von Susanne Gerdom geschrieben hat, der hat offenkundig von Fantasy wenig bis gar keine Ahnung. Schließlich sind beide Übersetzungen aus dem Englischen und beide sind falsch, das deutsche Wort für "elf" ist "Alb".
Zu diesem Spruch gesellt sich ein befremdlicher Aufkleber, der Fantasy-Tattoos bewirbt, die im Buch enthalten sind - na, das ist doch mal ein Grund, ein Buch zu kaufen. Nachdem man durch diese wirklich abscheulichen PR-Maßnahmen gegen das Buch eingestellt ist, kann es nur noch besser werden - und es wird besser.

Iviidis ist eine Goldelbin, die zu einer der königlichen Familien gehört, Tochter des wichtigsten Bewahrers des Wandernden Hains namens Glautas. Sie lebt mit ihrem nicht standesgemäßen Mann Olkodan und ihrem Sohn Indrekin am Rande der kleinen magischen Elbenwelt, deren Mitte der magische Hain ist, dessen höfische Pracht sie abstößt.
Iviidis hat eine geheimgehaltene Zwillingsschwester, Rutaaura, die zu den Dunklen gehört, schwarzhäutigen Elben, denen eine gewisse Bösartigkeit nachgesagt wird. Ruta durchstreift mit zwei Gefährten die Welt, dem zwergischen Magier Trurre Silberzunge und dem Halbelben Lluigolf, die ebenfalls Ausgestoßene sind.
Als unheimliche Dinge im Hain passieren und wichtige Ratsmitglieder getötet werden, bittet Ruta ihre Schwester, an den Hof zu gehen und ein wenig für sie die Augen aufzuhalten. Iviidis macht sich mitsamt dem Söhnchen auf den Weg und gerät ganz schnell in eine sehr hohe Intrigendichte.
Ruta beauftragt Trurre, über die Familie ihrer Schwester zu wachen, und macht sich mit Lluigolf auf den Weg in den Süden, wo sie die anderen Dunklen vermutet. Auf dem Weg trifft sie einen jungen Krieger aus einem menschlichen Wüstenvolk - und einst hatte Rutaaura bei einem seiner Stämme Unterschlupf gefunden, weshalb sie sich verpflichtet fühlt, als der Krieger sie um Hilfe bittet. Bald sind sie gemeinsam auf Reitechsen auf dem Weg in die tiefsten Tiefen des Sandmeeres.
Währenddessen trifft Iviidis auf ihren alten Lehrer Alvydas und bekommt von ihm mehr Informationen, als sie so einfach fassen kann, und ihr Mann Olkodan freundet sich mit Trurre an - aber Trurre beobachtet einen Elbentrupp, der ihm ganz und gar nicht geheuer ist ...

Man kann sagen, was man will, "Elbenzorn" macht fast von der ersten Seite an richtig Spaß. Hat man den Einstieg mit den vielen irgendwie finnisch wirkenden Namen - ja, Tolkien hat eine der Elbensprachen aus dem Altfinnischen entwickelt - erst mal geschafft, dann packt der Roman zu und zwar aufs Kräftigste. Sympathische Charaktere, gut versteckte Geheimnisse, die man aber immerhin erahnen kann, eine sehr menschliche Elbenwelt - das ist vielleicht nicht das, was man erwartet, aber ein richtig gutes Fantasybuch ist das schon.
Mögen die Elben bei Susanne Gerdom auch nicht so ätherisch wirken, wie das bei Tolkien und vielen anderen der Fall ist, mögen sie auch sehr menschlich sein, was sicherlich dem einen oder anderen nicht gefallen wird, sie sind auch herrlich dekadent und arrogant, manchmal aber auch witzig und immer irgendwie lebendig.
So richtig originell ist das alles nicht, aber das ist auch gut so, viel zu viele Fantasyautoren suchen nach höchst innovativen Möglichkeiten, die mittelalterliche Fantasy zu verändern, und vergessen darüber, gute Geschichten mit interessanten Charakteren zu schreiben. Gerdoms Charaktere packen zu und schlittern nicht von einer Sache in die Nächste. Damit kommt ein Stück richtig guter Genreliteratur zusammen und Susanne Gerdom überholt damit locker die Hohlbeins und Feltens der deutschsprachigen Fantasyszene. Also kaufen, die Fantasytattoos dem nächsten Nachwuchs-Emo-Girl schenken und bei der Lektüre einfach Spaß haben.