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Selten haben Brettspiele eine so detaillierte Hintergrundgeschichte wie "Das Zepter von Zavandor". Die ersten beiden Seiten der Spielanleitung beinhalten eine kleine Kurzgeschichte, die erzählt, wie sechs Studenten der magischen Universität von Zavandor auf eine alte Höhle stoßen und dort das sagenumwobene Zepter von Zavandor finden, welches jedoch durch magische Barrieren geschützt ist. Nun beginnt ein Wettkampf zwischen den Studenten, wer es am besten schafft, das geheime Wissen der Höhle zu lernen und sich so des Zepters als würdig zu erweisen.
Leider liegen aber auch nur selten das Thema eines Spiels und seine eigentliche Spielmechanik so weit auseinander - kein Wunder, stammt das meiste doch aus einem älteren Science-Fiction-Spiel namens "Outpost". Vom Weltraum ins Reich der Kobolde und Feen - thematisch hat das das Spiel nicht wirklich gut verkraftet ...
[imgleft]images/UploadGrafiken/ZepterZavandor1.jpg[/imgleft] Im "Zepter von Zavandor" übernimmt jeder Spieler einen der sechs Studenten auf der Suche nach Wissen, darunter eine Hexe, eine Fee, ein Kobold, ein Zauberer, ein Druide und eine Elfe. Sie alle haben unterschiedliche Startvoraussetzungen für das kommende Spiel. Jeder Charakter hat bereits auf einem bestimmten Wissensgebiet Erfahrung gesammelt und einige starten mit mehr Ressourcen als andere. Denn im Grunde dreht sich in "Das Zepter von Zavandor" alles um Zauberstaub, der angesammelt wird, um Edelsteine, Artefakte oder Wächter zu verzaubern und um Wissen zu erlangen. Das klingt alles sehr mystisch, aber man ersetze Zauberstaub durch Geld, Wissen durch Forschung und die Edelsteine beispielsweise durch sowas wie Produktionsstätten und schon befindet man sich in einem thematisch völlig anderen Genre, in dem das Spiel leider auch gleich viel mehr Sinn macht. Denn im Grunde ist "Das Zepter von Zavandor" nichts Anderes als ein knallhartes Wirtschaftsspiel, bei dem man sehr gut planen, kühl kalkulieren und viel kopfrechnen muss.
Am Anfang einer Runde erhalten alle Spieler ihr Einkommen, welches sich über die aktiven Edelsteine ergibt, die sie auf ihren Spielplänen zu liegen haben. Am Anfang sind das noch mickrige Opale, die nicht sehr viel Zauberstaub liefern, später erhält man jedoch Zugriff auf mächtige Diamanten oder sogar Rubine. In einer bestimmten Reihenfolge darf dann jeder Spieler sein Geld, Verzeihung, seinen Zauberstaub, ausgeben wie er möchte. Beispielsweise kann man sich bessere Edelsteine besorgen oder eins der ausliegenden Artefakte zur Versteigerung anbieten, was enorme Vorteile bringt. Oder man bildet sich in einem der sechs Wissensbereiche weiter, die völlig unterschiedliche Effekte haben. So verringert der eine die Kosten der Edelsteine enorm, ein anderer gibt einem mehr Speicherplatz für aktive Edelsteine, wieder ein anderer verschafft einem Zugriff auf die begehrten Rubine.
So arbeitet man sich von Runde zu Runde langsam hoch, sorgt für ein sicheres Einkommen an Zauberstaub und ist stets darauf aus, nächste Runde noch mehr zu bekommen, um sich noch bessere Dinge leisten zu können. Denn am Ende des Spiels stehen die neun Wächter, um die wie um die Artefakte gesteigert wird. Am Anfang sind sie jedoch so teuer, dass niemand sie sich leisten kann. Bei den Versteigerungen beginnt das Spiel jedoch wirklich spannend zu werden, denn die Ressourcen sind eigentlich immer knapp und alles für die nächste Runde aufheben darf man sich auch nicht. Und da man ohne die Artefakte kaum gewinnen kann und diese obendrein noch in ihrer Anzahl begrenzt sind, entwickeln sich so heiße Bieterschlachten.
[imgright]images/UploadGrafiken/ZepterZavandor2.jpg[/imgright] Da kommt jedoch das zweite große Problem von "Das Zepter von Zavandor" zum Vorschein: Den Zauberstaub hat man immer in Form vieler verschiedener Plättchen und Karten vor sich zu liegen, die nahezu alle unterschiedliche Werte zeigen. Und da man das genaue Einkommen pro Runde fast nie vorhersagen kann, beginnt nun das große Kopfrechnen, wieviel Staub man eigentlich zur Verfügung hat. Man schlage noch die Zeit drauf, die es zur Kalkulation eines sinnvollen Zugs benötigt und schon dürfte klar sein, dass "Das Zepter von Zavandor" ein Spiel ist, das höchste Konzentration erfordert. Für Vielspieler eigentlich nichts Schlimmes, doch reißt einen die ewige Kopfrechnerei noch weiter aus dem Szenario. Wer das nicht abkann, sollte unbedingt mit Taschenrechner spielen!
Das viele Kopfrechnen und das unpassende Szenario sind jedoch die einzigen großen Kritikpunkte an "Das Zepter von Zavandor", denn als komplexes Strategiespiel ist es exzellent! Da man sich in nur wenigen der sechs Wissensbereiche wird entwickeln können, sind alleine hier schon viele unterschiedliche Strategien denkbar. Geht man mehr auf Quantität der Edelsteine? Oder versucht man lieber, an die lukrativen Rubine ranzukommen? Hinzu kommen die Artefakte, über die man eigentlich von Anfang an Bescheid wissen sollte, denn die, die man sich am Anfang kauft, bestimmen den weiteren eigenen Spielverlauf. Mit den Artefakten kann man sich außerdem weitere Edelsteinsorten erschließen, denn mit den anfänglichen Opalen und Saphiren wird man nicht weit kommen. Strategisch scheinen lediglich die Smaragde eher wenig Sinn zu machen, denn ein wenig später gibt es dann Diamanten, die genausoviele Siegpunkte bringen, jedoch ein höheres Einkommen liefern.
Zum Schluss gibt es nämlich für jeden aktiven Edelstein Punkte, wobei die Opale am wenigsten und die Rubine am meisten wert sind. Viel wichtiger sind jedoch die Artefakte und die Wächter, die einen Großteil des Endpunktestands ausmachen. Vor allem bei letzeren sind die Bietrunden dann am spannendsten, denn meistens sind mehrere Spieler auf den selben Wächter aus, der ihnen für eine bestimmte Edelsteinsorte oder für bestimmte Artefakte viele Extrapunkte gibt.
[imgleft]images/UploadGrafiken/ZepterZavandor3.jpg[/imgleft] "Das Zepter von Zavandor" ist damit ein sehr gutes Wirtschaftsspiel mit viel spannender Interaktion zwischen den Spielern. Der Verlag Lookout Games gibt die Dauer einer Partie mit einer halben Stunde pro Spieler an, realistisch muss man jedoch mit viel mehr rechnen. Eine Runde mit fünf oder sechs Spielern wird eher vier Stunden oder länger dauern und auch mit vier Spielern braucht es an die drei Stunden. Dafür wird das Spiel jedoch kaum langweilig, vorausgesetzt, dass kein Grübler am Tisch eine Partie über Gebühr aufhält.
Vielspieler, denen ein Missverhältnis zwischen Thema und Mechanik wenig ausmacht und die intelligente Strategiespiele mit geringem Glücksfaktor um ihrer Selbst lieben, sind beim "Zepter von Zavandor" genau richtig, als Wirtschaftsspiel ist dies ein Titel allererster Güte. Wer jedoch erwartet, dass der Funken Magie der Hintergrundgeschichte auch auf die Stimmung am Spieltisch überschlägt, der wird vermutlich enttäuscht werden.