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Ganz einfach ist es nicht, die "Geburt" des Jazz festzulegen, denn gewisse Anklänge lassen sich schon im 19. Jahrhundert verorten. Doch wer die Anfänge zurückverfolgt, kann wohl gut akzeptieren, dass sie ins Storyville des Jahres 1917 gelegt werden - Storyville, jener berüchtigte Stadtteil von New Orleans, in dem Musik lange Zeit das Lebenselixier schlechthin war. Und dass ausgerechnet Ella Fitzgerald 1917 geboren wurde, passt ja auch.
In "100 Jahre Jazz" werden herausragende Musiker porträtiert, eingeteilt nach den musikhistorischen Epochen im Jazz. Im Abschnitt "Erste Epoche" finden sich Unterkapitel zu New Orleans und Hot Jazz, der Swingära und dem französischen Swing, ergänzt von den "genialen Solisten" - so der Titel - der Zeit. Die Zweite Epoche beginnt mit "Diven und Romantik" und setzt sich fort mit Bebop, gefolgt von Cool Jazz, West Coast Jazz und Third Stream sowie Hard Bop und Soul Jazz und schließlich "Neuen Klangwelten". Den Abschluss bildet der umfangreiche Anhang mit Glossar, Diskografie, Bibliografie und Bildnachweis.
Zu Beginn des Bandes lernt der Leser Storyville und die Anfänge des Jazz kennen, der schließlich zwangsläufig den Exodus von New Orleans nach Chicago antrat. Und dann kam der Swing. Auch am Anfang des zweiten Teils findet der Leser eine Einführung, diesmal in die neuen Strömungen des Jazz ungefähr ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nun umfasst der Jazz bereits etliche Stile und dazu eine Fülle an Musikern, die diese Stile verbinden, mit der Klassik experimentieren oder mit allen davon brechen wollen. Nicht zufällig ist die Ikone Louis Armstrong der erste porträtierte Musiker im Buch, gefolgt von King Oliver und Johnny Dodds, die den Jazz in New Orleans mitgeprägt haben. Es folgen zahlreiche weitere Biografien von Jazzgrößen wie Sidney Bechet, Bix Beiderbecke, Benny Goodman und Count Basie, um nur wenige herauszupicken.
Frauen treten im Buch allerdings ziemlich selten in Erscheinung - sie waren und sind im Jazz auch deutlich unterrepräsentiert , was keine Wertung bedeuten soll. Zu Beginn des zweiten Teils kommen sie jedoch auf ihre Kosten: die Diven. Mahalia Jackson, Ella Fitzgerald, Billie Holiday und Sarah Vaughan finden hier noch Jahrzehnte nach ihrem Tod ihre Bühne. Und auch in diesem Teil haben große Solisten und Bandleader ihren Auftritt. Lester Young, Dizzie Gillespie, Thelonious Monk, Miles Davis, Chet Baker und Dave Brubeck seien beispielhaft genannt. Den Abschluss bildet Esbjörn Svensson, 1964 geboren und 2007 bei einem Tauchunfall gestorben.
Wie Esbjörn Svensson wurden viele Jazzgrößen nicht alt - dem Stress, den der Ruhm oder das Streben danach auslösten, begegneten etliche mit Alkohol und anderen Drogen. In ihrem Leben schufen sie Großes, und das oft innerhalb nur rund zweier Jahrzehnte. Dieses Gedrängte und die Dramatik etlicher Lebensläufe kommen im Buch gut zum Ausdruck, ebenso aber lange und eher geradlinige Künstlerbiografien.
Eingeleitet wird jedes Musikerporträts mit einer tabellarischen Kurzbiografie, gefolgt von einer ausführlichen Biografie, die auf Stolpersteine, äußere Umstände und andere Brüche in der Biografie ebenso Rücksicht nimmt wie auf das Privatleben - in angemessenem Umfang und respektvoll - und weitere Einflüsse. Diese "Lebenserzählungen" sind lebendig und empathisch verfasst, ohne dass die Sachlichkeit auf der Strecke bleibt. Die abschließende "Signatur" ordnet den Porträtierten in den musikhistorischen Zusammenhang ein und würdigt ihn.
Was ein wenig fehlt, ist ein Namensregister für den Leser, der das Werk als Lexikon nutzen möchte - das gibt es nicht, es ist insofern erforderlich, den gesuchten Musiker bereits in den zeitlichen Zusammenhang einordnen zu können. Oder der Leser nutzt das Inhaltsverzeichnis am Anfang des Buchs und sieht es durch. Ohnehin wird der Leser nicht jeden bedeutenden Jazzer finden. Eine solche Auswahl ist immer ein Stück weit subjektiv. So treten viele Pianisten auf, doch rund um die Hammond-Orgel herrscht Stille (von einigen Bandleadern abgesehen, die als Organisten starteten), obwohl mancher wohl eine Würdigung etwa von Jimmy Smith erwarten würde. Es passt eben nicht alles in einen Band, der auch noch Fotos und einen gut sortierten Anhang enthält. An Bildern gibt es je Biografie mindestens zwei - wunderbar aufgenommen, oft eine Art offizielles Foto und eines "aus dem Leben".
Insgesamt: Stark!! Für jeden Jazzfreund sicherlich eine lohnende Investition.
Weitere Informationen zum Buch, ein Blick ins Inhaltsverzeichnis sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags .