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 Annas Rückkehr


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Im Herbst 1955 kehrt die gefeierte Sopranistin Anna Miller, die einmal Erna Künke hieß, aus den USA in ihre Heimatstadt Berlin zurück. Sie möchte ihre Mutter und insbesondere ihren jüngeren Bruder Anton wieder sehen. Allerdings hegt sie einen enormen Groll gegenüber ihrer Mutter, denn diese hat sie als junge Jugendliche während der Hitlerzeit in ein Heim gegeben und dann nach Amerika geschickt. Nie hat Anna begriffen, wie es dazu kam, dass sie solchermaßen abgeschoben wurde.

Anton ist außer sich vor Freude, als Anna ihn und die Mutter besucht. Der alten Frau hingegen geht es ohnehin schlecht, und Annas mit kaum gezügelter Aggression vorgetragene Fragen erschöpfen sie. Anna erfährt einen Teil ihrer Geschichte, doch die Mutter stirbt, ohne die Ereignisse zu Ende geschildert zu haben. Die Geschwister haben jedoch genug erfahren, um zu wissen, an wen sie sich wenden müssen, um mehr zu erfahren.
Also fahren sie nach Bayern, wo sie auf die Spur der Frau eines der Reichsleiter Hitlers gelangen, die wohl einmal mit ihrer Mutter befreundet war. Diese hatte ihr einen Gefallen getan, und sie versuchte, Anna aus dem Heim für behinderte Kinder zu retten, das ihr Todesurteil gewesen wäre. Dorthin war Anna offensichtlich von ihrem eigenen Vater, einem überzeugten Nazi, verbracht worden, weil sie stotterte und beim Lesen und Schreiben Schwierigkeiten hatte.

Je mehr die Geschwister recherchieren, desto tragischer entwickelt sich diese Familiengeschichte, und am Ende steht nicht nur ein abscheulicher Trümmerhaufen, sondern auch ein Neuanfang.

Im Zentrum des Romans "Annas Rückkehr" steht Hitlers Euthanasieprogramm, also das Bestreben, ein leistungsfähiges Volk durch "Ausmerzen" von geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen zu schaffen. Ein Programm, das auch vor Kindern und vor zweifelhaften Diagnosen nicht Halt machte und ethisch äußerst verwerfliche pseudomedizinische Versuche beinhaltete.
Rose Philipps hat dies in eine dramatische Familiengeschichte eingewoben, in deren Zentrum eine mit viel Mühe gerettete Jugendliche und deren Mutter stehen, eine einfache Frau aus Berlin mit einem gewalttätigen, nazihörigen Ehemann, dessen Beweggründe, das Mädchen loszuwerden, später begreiflich, wenngleich nicht nachvollziehbar werden. Ihr gegenübergestellt wird die Frau eines Parteibonzen, einer von Hitlers grauen Eminenzen, die am Schreibtisch seine perversen Visionen umsetzten. Die Mutter des Mädchens Anna und die Frau des Reichsleiters befreunden sich durch eine kuriose Wendung des Schicksals, und es gelingt der Autorin, zwei sehr gegensätzliche, beispielhafte Biografien miteinander zu verweben. Am Ende kennt Anna ihre tragische Geschichte und bleibt mit ihrem Bruder erschüttert, doch nicht ohne Perspektive zurück.

Rose Philipps hat ein spannendes Thema gewählt und fesselnd umgesetzt. In wieweit alles historisch stimmig ist, lässt sich für Laien nicht ohne Weiteres beurteilen, auf den ersten Blick wirkt die Geschichte jedenfalls realistisch – auch wenn am Ende ein bisschen dick aufgetragen wird und auch insgesamt einfach ziemlich viel zusammenkommt, sodass eine etwas gekünstelte Dichte entsteht. Ein Stück weit wird das Ende denn auch vorhersehbar. Dass sich manche Charaktere sehr sprunghaft entwickeln, stört ebenfalls.
Eher dick aufgetragen wirken auch Anlehnungen an Lokalkolorit einschließlich des tendenziell herablassend eingesetzten Dialekts in den in Bayern angesiedelten Szenen. Weniger ist manchmal mehr, zum Glück lässt die klischeehafte Schilderung des Bayrischen mit der Zeit nach. Authentischer wirken die Berliner Abschnitte.

Trotz der genannten Schwächen fesselt der Roman. Für einen Erstling sind die Charaktere bemerkenswert gut entwickelt und glaubwürdig. Die Handlung wirkt letztlich schlüssig, am Ende sitzen die Puzzleteile. Und vor allem gelingt es der Autorin, wahre Bestürzung hervorzurufen, denn in der Tat hätte Annas Geschichte so geschehen können. Und es ist dem Leser überlassen, über die unerzählten Geschichten nachzudenken. Über die Geschichten der Kinder, die nicht gerettet wurden. Und über das Leiden der Überlebenden.

Weitere Informationen werden auf der Verlagsseite angeboten.

Regina Károlyi



Taschenbuch | Erschienen: 28. Februar 2019 | ISBN: 9783956691164 | Preis: 12,95 Euro | 334 Seiten | Sprache: Deutsch

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