In ihrer Evolution hat die Menschheit bedeutende Fortschritte und Veränderungen überlebt. Der Wechsel von den Wäldern in die Steppe, das Überleben in der Eiszeit und die Sesshaftigkeit. Jedes Mal musste sich auch der Körper an die neuen Verhältnisse anpassen. Dafür hatte er jedoch auch mehrere hundert Jahre Zeit. Aber in unserer schnelllebigen Zeit ist diese natürliche Anpassung "Aus dem Tritt geraten".

Bevor der Leser die These der beiden Autoren verstehen kann, benötigt er den passenden fachlichen Hintergrund. Deswegen baut das Buch erst ganz langsam die Hintergründe der Evolution auf. Hier lernt der Leser, wie die Genetik funktioniert, welche Merkmale sie festlegt und wie es geschehen kann, dass lediglich einige davon wirklich präsent werden. So wird am Beispiel von Mäusen oder Fröschen aufgezeigt, dass je nach Umweltbedingungen die Nachkommen schon mit einem dickeren Fell oder einer besonders widerstandsfähigen Größe auf die Welt kommen, um die optimalsten Lebensbedingungen zu besitzen. Besonders auf diesen Zusammenhang wird viel Wert gelegt. Denn er ist es auch, der beweist, dass der heutige Mensch sich eine Umgebung geschaffen hat, die mit seinem Erbmaterial kollidiert.

Hierzu zählen sie als Ergebnis die Zahlen klein geborener Säuglinge, die immer stärker auftretenden Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Herzinfarkte und andere. Ebenso versuchen die Autoren zu erklären, welchen Grund die Menopause besitzt und wie sich die Lebensumstände der Großmütter auf ihre Enkel auswirken. Denn die falsche Ernährung in der Schwangerschaft, eine rauchende Mutter oder eine falsch funktionierende Plazenta können dafür verantwortlich sein, dass der Embryo sich auf ein karges und kurzes Leben einstellt, in dem er so viele Nährstoffe wie möglich umsetzen muss.

"Aus dem Tritt geraten" ist ein sehr sachlich und verständlich geschriebenes Buch, das den Leser darauf aufmerksam macht, wie sehr die Entwicklung eines Kindes mit den äußeren Umständen zusammenhängt und wie es dadurch in unserer Zivilisation sich durch falsch verstandene Außenreize auf eine andere als die tatsächliche Welt einstellt. Mit ihrem Buch weisen die Autoren Gluckman und Hanson daraufhin, dass die Zivilisation kein endgültiger Segen für die Menschheit ist und dass Handlungsbedarf nötig ist, um eine gesunde und zufriedene Nachkommenschaft zu erhalten.

Anhand der Beispiele in den europäischen Industrieländern und den Vergleichen mit abgeschotteten Zivilisationen kann der Leser leicht die einzelnen Schritte des Buches nachvollziehen und begreift so, weshalb zum Beispiel viele Säuglinge sich auf eine karge Umwelt einrichten, um dann aufgrund eines Überangebots an Nahrung im späteren Leben zu erkranken und fettleibig zu werden. Ebenso wird klar, dass der vermeintliche Sieg über die Armutskrankheiten in Drittweltländer lediglich zu andersartigen Krankheitsbildern führt, wenn man nicht gegensteuert.

Dies ist wirklich einmal ein verständliches Sachbuch, das Evolution und Vererbung verbindet und gleichzeitig eine erstaunliche und höchst interessante These präsentiert. Sofern diese Argumentation Hand und Fuß besitzt, trägt die Gesellschaft eine große Verantwortung dafür, wie gesund die Menschen in Zukunft leben, indem sie schon frühzeitig in der Schwangerschaft die richtigen Weichen stellt.