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Lord Baltimore erlebt im Krieg Schlimmes. Als er mit seiner Truppe versucht heimlich vorzurücken, um den verfeindeten Hessen einen schweren Schlag zu verpassen, wendet sich das Blatt schlagartig. Der Feind hat scheinbar nur auf eine solche Situation erwartet und lauert Baltimore und seinen Leuten seinerseits auf. Das Gemetzel ist unbeschreiblich. Alle sterben, bis auf Baltimore selbst. In einem Dämmerzustand zwischen Leben und Tod muss er mitverfolgen, wie viele Stunden später riesige Fledermäuse über die Leichen herfallen und sie in Stücke reißen. Auch er wird von einem der Tiere angegriffen, doch es gelingt ihm, ihm das Gesicht zu verstümmeln.
Baltimore überlebt, muss jedoch einen hohen Preis zahlen: Ihm wird das linke Bein amputiert. Er ist fest davon überzeugt, dass der faulige Odem, den die Riesenfledermaus darauf geatmet hat, für den rasend einsetzenden Wundbrand verantwortlich war. Tatsächlich begegnet ihm das Scheusal erneut, als er im Krankenhaus liegt. Es erklärt ihm den Krieg, tötet ihn jedoch nicht. Doch es hat die Pest mitgebracht, die für ebensolche Gräuel wie der Krieg sorgt.
Lord Baltimore hat fortan nur noch ein Ziel: Er will den Vampir töten und so die alles vernichtende Krankheit von der Welt tilgen. Doch es gibt nicht viele Menschen, die ihm Glauben schenken. Es sind drei Personen, die er letztendlich versammeln kann. Der Seemann Aischros, Doktor Rose und Thomas Childress haben selbst bereits Erfahrungen mit dem Übersinnlichen gesammelt und kämpfen nun an seiner Seite gegen die grausame Bedrohung.
"Baltimore, oder, Der Standhafte Zinnsoldat und der Vampir" ist eine Geschichte, die deutlich an alte Horrorklassiker wie "Dracula" angelehnt ist und sich nicht nur im Titel Hans Christian Andersens Erzählung "Der Standhafte Zinnsoldat" zum Vorbild genommen hat. Genau genommen entspricht die Handlung einem ähnlichen Verlauf, auch wenn sie völlig andere Züge hat und ihr das mystische Element des Vampirismus hinzugefügt wurde.
Der Vampir symbolisiert das Schlechte und Grausame und ist für die Entstehung der Pest verantwortlich. Lord Baltimore glaubt, wenn er diesen einen Übeltäter, den König der Vampire, vernichten kann, kann er auch die Krankheit besiegen. Der Autor Jeremias Gotthelf hatte bereits 1843 ein düsteres Wesen, nämlich die berühmte "Schwarze Spinne", als Pestüberbringer personifiziert; ähnlich gehen die Autoren Mike Mignola und Christopher Golden auch in ihrem Buch vor. Baltimores Geschichte zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman, wird jedoch immer wieder von anderen kleinen Episoden unterbrochen. Man erfährt zum Beispiel, was seinen drei Begleitern Übersinnliches widerfahren ist, so dass sie an seine Geschichte glauben und ihn begleiten. Man bekommt viele Versatzstücke geliefert, deren Zusammenhang zu Anfang noch unklar bleibt und die sich erst nach und nach zu einem Ganzen zusammensetzen lassen.
"Baltimore" ist keine einfache Lektüre, dem Leser wird einiges an Konzentration abverlangt. Die Sprache erinnert oft an Autoren, die vor über einhundert Jahren ihre erfolgreichen Werke verfasst haben und auch der Aufbau ist diesen Klassikern nachempfunden. Zudem sind die Schilderungen von Krieg und Verderben, Kampf und Totschlag äußert farbenfroh und in allen Einzelheiten geschildert worden. Für ein zartes Gemüt eignet sich der Roman sicher nicht.
Die schon fast extravagant zu nennende Veröffentlichung verdient einige zusätzliche Worte. Das Buch ist fest gebunden und in einem ungewöhnlichen Format erschienen. Der Einband wirkt fast lederartig und das Papier ist außergewöhnlich dick und von guter Qualität. Einziger Nachteil dieses Luxus ist das dadurch entstehende hohe Gewicht.
Auch inhaltlich darf man sich auf einige Besonderheiten freuen. So findet man hinten im Buch nicht nur Andersens Original-Geschichte vom standhaften Zinnsoldaten, sondern auch ein Interview mit Christopher Golden und Berichte zu Mike Mignola und Hans Christian Andersen, die das Werk abrunden.
Fazit: "Baltimore, oder, Der Standhafte Zinnsoldat und der Vampir" ist ein Buch für Liebhaber. Wer Freude an klassische Gothic-Literatur findet, wird es mögen. Allen anderen könnte die Literatur zu schwer und sperrig sein. Auch die beschriebenen Kriegsgräuel sind nur etwas für Leser, die ebenso standhaft sind wie der Protagonist. Die gelungene Aufmachung und die Idee der Verknüpfung von moderner Literatur mit klassischen Elementen hat jedoch durchaus ihren Reiz und wurde gut umgesetzt.