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Spätestens seit "Der Name der Rose" ist Umberto Eco ein Phänomen der Literatur, das verschlüsselte und hintergrundreiche Stoffe mit spannendem Geschichten mischen kann. Seinen Roman "Baudolino" hat Leonhard Koppelmann zu einem opulenten Hörspiel gemacht und dafür auch einige sehr gute Sprecher gefunden.
Der Archivar Niketas irrt durch das brennende Konstantinopel, das gerade von Kreuzfahrern erobert wurde. In der Hagia Sophia wird er von einem älteren Mann vor einigen Soldaten gerettet. Der Italiener stellt sich als Baudolino vor, und er braucht Niketas, denn er will seine Lebensgeschichte aufschreiben lassen. Bei Freunden untergekommen, beginnt Baudolino eine Geschichte, die so unglaublich ist, dass man Schwierigkeiten hat, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.
Baudolino ist noch ein Junge, als er einen fränkischen Ritter, der sich im Nebel verirrt hat, zuerst zu sich nach Hause, und am nächsten Tag zum Heerlager des Kaisers führt. Unterwegs erzählt Baudolino dem großen Mann mit dem auffälligen roten Bart von Visionen, die er gehabt haben will. Geschichten, die dieser gerne hört, und da es der Kaiser Friedrich Barbarossa selbst ist, dem er da Geschichten erzählt, und er diesem einen Sieg weissagt, nimmt dieser ihn als Maskottchen mit, macht ihn gar zu seinem Adoptivsohn.
Friedrichs Onkel, der Bischof Otto von Freising, soll den gelehrigen Jungen, der immer nur Tage braucht, um eine Sprache zu lernen, erziehen und ausbilden. Otto von Freising setzt Baudolino einen Floh ins Ohr, den er zeitlebens nicht mehr los bekommt: das sagenumwobene Reich des Priesterkönigs Johannes irgendwo im Osten. Baudolino soll Friedrich zu einer Expedition dorthin bewegen. Nach Ottos Tod geht Baudolino nach Paris, um dort zu studieren. Mit Freunden, die er dort findet, macht er sich daran, die Legende vom Priesterkönig mit ein paar Fakten zu unterfüttern. Gemeinsam schreiben sie sogar einen Brief, der den Anschein erwecken soll vom Priester selbst gesandt zu sein.
Wer wissen will, wo der Gralmythos eigentlich herkommt, was es mit dem Turiner Grabtuch und den Reliquien von den heiligen drei Königen auf sich hat, die im Dom zu Köln aufbewahrt werden: Dieses Hörspiel löst diese Rätsel - oder unterfüttert sie zumindest mit den Lügengeschichten Baudolinos, dessen Erinnerungen immer auch mit Vorsicht zu genießen sind; er sagt selbst, dass er manche Lügengeschichte, die er erzählte, irgendwann glaubte.
Eine immer wieder originelle Handlung, mit vielen witzigen Momenten - die oft auch ein bisschen Hintergrundwissen brauchen - und in einem Stil präsentiert, der immer wieder auch erzählerisch das Mittelalter durchklingen lässt. Lateinische und mittelhochdeutsche Phrasen führen in die Geschichte ein, in der oft auch ein Diktiergerät und Schreibmaschinengeklapper zu hören sind - beides ist zwar anachronistisch, hilft aber, die verschiedenen Ebenen zu unterscheiden.
Die Sprecher sind wirklich große Klasse. Allen voran Jens Wawrczeck als Baudolino und Peter Fricke als Niketas. Ein Sonderlob gehört auch Michael Mendl als Kaiser Friedrich Barbarossa, der aus einer sehr guten Mannschaft noch ein bisschen heraussticht. Keiner macht eine Posse draus, allzu große Gefühlsausbrüche sind auch eher selten, und so spinnt sich ein Hörspiel zusammen, das über große Teile eher wie ein Hörbuch wirkt, sehr erzählend funktioniert, ein riesiges, buntes Gemälde einer Zeit und seiner Mythen aufspannt. Eine wirklich außergewöhnliche Produktion.