Wenn in der Kleiderfabrik die Lichter ausgehen, die Arbeiter längst in ihren Betten liegen und der Mond langsam über dem Horizont aufgeht, erwachen sie, die dreizehn Gespenster, die sich dort eingerichtet haben. Neben den Erwachsenen, das sind Esme, Schreck, Graus, Torres Damast, Ulla Ungemach und Mia Mysterium Grassa Damast, wohnen dort die Kinder Fiola Fink, Enox Ekel, Winnie Wirbelwind, Schrumpfiella, Linette, der kleine Thymian und Bella Buuuh. Doch nur Bella fühlt sich seit dem geheimnisvollen Verschwinden ihrer Mutter unwohl in der Kleiderfabrik. Niemand hat sie lieb, alle mäkeln an ihr herum und nichts kann sie richtig machen. Dabei ist sie einfach nur ein wenig wilder, unangepasster und vorlauter als die anderen Kinder. Und vor allem will sie auf niemanden hören. Nicht mal auf Onkel Damast, wie sie den Anführer der kleinen Gespensterschar despektierlich nennt.
Doch alles wird viel, viel schlimmer, als es zum ersten Mal in die Nachschule für kleine Gespenster geht. Denn die Lehrerin ist die äußerst fiese und sehr strenge Sofia Schrecklassnach. Und die Widerworte, die ihr Bella gleich in der ersten Stunde gibt, reizen sie zu drakonischen Maßnahmen. Nicht nur, dass Bella den Rest der Stunde am Haken hängt, klatschnass und mit einem Knoten versehen, nein, sie muss auch noch den Sohn des grausamen Fabrikdirektors Hektor Mysac in der Nacht erschrecken.
Und kaum ist sie diesem Alptraum mit viel Glück und der unerwarteten Hilfe von Pinneus Mysac entkommen, gerät sie vom Regen in die Traufe. Denn sie schubst die eklige Petze Fiola Fink vom Regal, just in dem Augenblick, wo Frau Vampe, die Sekretärin von Mysac, in die Kleiderkammer kommt, in der sich die dreizehn Gespenster am Tag verstecken. Und Frau Vampe findet Fiola, nimmt sie mit und macht aus ihr das Futter einer Tasche, die am selben Tag nach Paris ausgeliefert wird. Nun muss Bella, nicht mehr nur von den anderen Gespenstern verachtet, sondern abgrundtief gehasst, Fiola wieder finden. Ausgerechnet Sofia Schrecklassnach und Pinneus Mysac erweisen sich als die einzigen, die Bella bei diesem großen Abenteuer helfen wollen.

Das Buch der Norwegerin Unni Lindell ist dem ersten Augenschein nach ein Knüller. Glänzende Schrift, wundervolle, von Fredrik Skavlan gezeichnete Illustrationen, herrlich skurrile Charaktere und eine Geschichte, die weit ab der üblichen Gespensterklischees angesiedelt ist.

Und doch will der Funke lange nicht überspringen. Eher lustlos hören Kinder ab sechs Jahren – für die ist Bella Buuuh geschrieben – dem Vorleser zu. Ältere haben mehr Mühe, denn es vergehen viele Seiten, bis endlich ein wenig Spannung aufkommt und die Geschichte an Fahrt gewinnt. Genau genommen fast einhundertfünfzig Seiten. Zu viel, um viele Kinder bei der Stange zu halten, viel zu viele Seiten, um die Geschichte über mehrere Abende verteilt vorzulesen.

So bereitet man sich und der Zuhörerschaft zunächst wenig angenehme Minuten, die sich zu Stunden hinziehen. Wären nicht die Bilder, man würde das Buch vermutlich zur Seite legen und unter „nicht so doll“ abhaken. Das wäre schade, denn der Rest dieses Gespenster-Abenteuers – immerhin mehr als fünfzig Seiten – sind gelungen, lustig, spannend und echt aller Ehren wert.

„Bella Buuuh“ ist gute Kinderliteratur – wenn man der Geschichte Zeit gibt und ein wenig Durchhaltevermögen beweist. Nicht zuletzt dank der wunderschönen Illustrationen von Fredrik Skavlan aber sollte man unbedingt einen Blick riskieren und Bella Buuuh eine Chance geben. In Norwegen ist Unni Lindell eine feste Größe und mit mehr als zwanzig Kinderbüchern landesweit bekannt und auf den Bestsellerlisten vertreten. Und zum Ende der Geschichte hin weiß man auch, warum!