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 Bestandsaufnahme Gurlitt


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Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Zurzeit teilen sich das Kunstmuseum Bern und die Bundeskunsthallo Bonn die Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt": In Bern ist "'Entartete Kunst' – Beschlagnahmt und verkauft" noch bis zum 4. März 2018 zu sehen, Bonn präsentiert "Der NS-Kunstraub und seine Folgen" bis zum 11. März 2018.

Beide Ausstellungsteile sind im hier besprochenen, bei Hirmer erschienenen Ausstellungskatalog miteinander verbunden. Dieser besteht aus vier Abschnitten; der erste trägt den Titel "Hildebrand Gurlitt – Museumsmann, Kunsthändler, Profiteur". Er enthält fünf Essays, die den Vater von Cornelius Gurlitt, dem seinerzeit der 2014 dem Kunstmuseum Bern vererbte Bestand an Kunstwerken gehörte, aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchten. Im zweiten Teil, "Der Kunstfund Gurlitt", werden fünfzehn weitere Textbeiträge vorgestellt. Diese befassen sich mit der Provenienzgeschichte möglicher Raubkunstwerke, insbesondere aus dem gurlittschen Bestand, sowohl im Allgemeinen wie auch auf einzelne Kunstwerke und von den Nationalsozialisten verfolgte Sammler bezogen. Der dritte Abschnitt schließlich ist der Bildteil inklusive Präambel und Werkverzeichnis.
Im üppigen Anhang finden sich eine ins Zeitgeschehen eingeordnete Biografie von Hildebrand Gurlitt, die Chronologie des Kunstfundes, ein Glossar, das Personenregister, ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren, Fotonachweis und Impressum.

Als der damals 79-jährige Cornelius Gurlitt aufgrund des Verdachts auf Steuerhinterziehung verhaftet wurde, sorgte ein "Focus-Artikel" für wilde Spekulationen: Die fast 1300 in Gurlitts Schwabinger Wohnung aufgefundenen Kunstwerke seien fast sämtlich Nazi-Raubkunst und womöglich über eine Milliarde Euro wert. Augenblicklich war Gurlitt durch die öffentliche Meinung (vor-) verurteilt.

Wesentlich differenzierter als seinerzeit der "Focus" gehen nun die Ausstellungs-Zwillinge in Bern und Bonn und die Autoren der Essays im Katalog an das sensible Thema heran. Cornelius Gurlitt, der die "Schwabinger" und weitere, in seiner Salzburger Wohnung aufbewahrte Werke offensichtlich - zum Teil aufgrund von Verjährung – größtenteils rechtmäßig besaß, spielt im Buch allerdings keine Rolle, er geht völlig unter. Die Person, mit der sich Buch und Ausstellung intensiv auseinandersetzen, ist sein Vater Hildebrand Gurlitt. Sein Lebensweg vom Museumsdirektor über den Kunsthändler während des "Dritten Reichs", auch im Auftrag der Regierung und speziell in Bezug auf die so genannte "Entartete Kunst" bis zu seinem Fußfassen im Nachkriegsdeutschland steht im Zentrum. Sorgsam leuchten die Autoren die damalige Grauzone aus, die es gewieften Kunsthändlern wie Gurlitt ermöglichte, durchaus legal und sehr preiswert an Kunst unterschiedlichster Qualität heranzukommen, diese möglicherweise vor der Vernichtung zu bewahren, aber auch äußerst lukrative Geschäfte zu machen; es bleibt eine enorme ethische Fragwürdigkeit.

Gurlitts Geschichte und, ja, Machenschaften leiten über zu den Ausführungen im zweiten Teil, in dem die Provenienzforschung ganz allgemein mit all ihren Schwierigkeiten und Fallstricken beschrieben und in dem anschließend die Rückverfolgung einzelner Werke aus Gurlitts Bestand exemplarisch betrachtet wird. Auch die Schicksale einiger jüdischer Sammler und Sammlungen sind Gegenstand von Essays.

Einige Exponate der Doppelausstellung werden in den Essays ausführlich gezeigt und erklärt. Der Katalogteil präsentiert die anderen - zumindest die Grafiken aufgrund ihrer schieren Fülle relativ gedrängt; die Gemälde und Grafiken mit großem Detailreichtum erhalten überwiegend je eine eigene Seite. Alle Eckdaten zu Künstler, Werk und Provenienz befinden sich neben den Abbildungen. Allein diese Aufmachung vermittelt einen Eindruck der großen Zahl an Arbeiten, Künstlern, Gattungen und Stile, die im "Kunstfund Gurlitt" enthalten sind. Angeordnet wurden die Exponate alphabetisch nach dem Namen ihrer Schöpfer.

Welch enormer Aufwand hinter der Ausstellung, dem Katalog und natürlich der Aufarbeitung des Legats von Cornelius Gurlitt steckt, lässt sich nur erahnen. Der in jeder Hinsicht hochwertige Band trägt dazu bei, einen objektiveren Blick auf die "Sache Gurlitt" zu gewinnen und vor allem tief einzutauchen in den Kunstmarkt der NS-Zeit mit den damit verbundenen Versuchungen, Abscheulichkeiten und Schicksalen.

Ein Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. November 2017 | ISBN: 9783777429625 | Preis: 29,90 Euro | 344 Seiten | Sprache: Deutsch

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